Ahrensburg. Das Schleswig-Holstein Musik Festival überrascht im Marstall mit einem Programm zu Ravels musikalischen Wurzeln. Eine Konzertkritik.

Im Ahrensburger Marstall war schon vieles zu hören, mit Sicherheit aber noch nie musikalische Titel wie „Ez dut nik“, „De Trevillen azken hitzak“ und „Aurkia eta infrentzua“. Die rätselhafte Sprache war das eine, die fremden Klänge unbekannter Instrumente wie Txalaparta, Alboka, Atabal und Pandereta das andere, was in einer sehr kurzweiligen ethnomusikalischen Expedition das Publikum im ausverkauften Saal zugleich erstaunte und bestens unterhielt.

Unter dem Motto „Ravel und die Basken“ präsentierte das Schleswig-Holstein Musik Festival Volksmusik aus dem Baskenland. Hintergrund des überraschenden Programms ist die diesmal Maurice Ravel gewidmete Komponisten-Retrospektive. Ravel selbst, der in der baskischen Gemeinde Ciboure auf der französischen Seite der Pyrenäen geboren wurde und dessen Mutter Baskin war, betonte stets seine Herkunft, der er sich stärker verpflichtet fühlte als Traditionen der französischen Musik – nicht zuletzt im „Bolero“ zu hören. Ein guter Grund also für SHMF-Intendant Christian Kuhnt, sich einmal mehr über Genregrenzen hinwegzusetzen und dem Festivalpublikum die Ohren für die weite Welt der Musik zu öffnen.

Duo spielt auf selbstgebauter Stein-Txalaparta

Für erste Verblüffung sorgte das Duo Oreka TX. Die beiden Perkussionisten Harkaitz Martinez de San Vicente und Mikel Ugarte sind Virtuosen auf der Txalaparta, einer Art archaischer Marimba Marke Eigenbau. Das Instrument, das einst Bauern bei der Herstellung des Apfelweins Cidre erdacht haben sollen, hat Aufschlagstäbe aus grobem Nutzholz, die mit Holzklöppeln nicht angeschlagen, sondern senkrecht angestoßen werden. Das eigentlich Erstaunliche daran sind Zartheit und Nachschwingen der Töne, die in der organischen Kommunikation der beiden Virtuosen entstehen, von denen der eine einen Grundrhythmus vorgibt und der andere ihn verwirrend variiert, wobei beide sich einander immer wieder annähern. Das erinnert zuweilen an frühe Minimal-Music-Kompositionen von Steve Reich.

Dass die Überraschung noch steigerungsfähig ist, bewies das Duo auf der ebenfalls selbst gebauten Stein-Txalaparta. Das mit starken Granitplatten belegte Instrument, das aussieht, als stamme es aus der Werkstatt von Fred Feuerstein, ist fein gestimmt und hat einen wunderbaren glockenhellen Klang.

Ahrensburger ließen sich zum Mitsummen animieren

Auf ganz andere Weise faszinierte das singende Trio Ensemble Basque. Thierry Biscary, Bixente Etchegaray und Eñaut Elorrieta mit Volksliedern in einer Sprache wie aus ganz alter Zeit, die so singulär ist, dass Sprachwissenschaftler es bis heute nicht geschafft haben, eine Verbindung zu bekannten Sprachen aufzuzeigen.

Bei aller Fremdheit wurde offenbar, wie wichtig diese Lieder – a cappella gesungen oder von urtümlicher Hornpfeife (Alboka), Trommel (Atabal) und einer Art Tambourin (Pandereta) begleitet – für die Identität und das Sich-Behaupten einer einmaligen Kultur sind. Und es wurde auch spürbar, wie sehr Musik über sprachliche Barrieren hinweg verbindet. Die Ahrensburger ließen sich zum chorischen Mitsummen animieren und von der Spielfreude der zuweilen lächelnden Txalapartari anstecken.

Fortsetzung folgt am Mittwoch, 23. August. Das Ensemble Basque tritt in der Hamburger Laeiszhalle mit den Pianistinnen Katia und Marielle Labèque, die aus Bayonne an der Grenze zum Baskenland stammen, in der Laeiszhalle auf. Dann geht es ganz und gar um Ravel – à la Basquaise.