Lübeck. SHMF-Intendant über den Charme der fünf Spielstätten in Stormarn und das Programm 2017. Das Abendblatt stellt lokale Beiräte vor.

107 Spielstätten an 63 Orten und ein neuer Rekord mit 193 Konzerten in der Zeit vom 1. Juli bis zum 27. August. Das Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF) ist auch in diesem Sommer fast allgegenwärtig. Partner in Stormarn sind fünf Spielorte, deren Vorzüge und individuellen Charme SHMF-Intendant Christian Kuhnt dem Abendblatt vorstellt. Außerdem lobt er die lokalen Beiräte, ohne die das SHMF nicht so verankert wäre, wie es ist.

Ahrensburg

Der Marstall in Ahrensburg war lange als Konzertort etabliert, bevor er beim SHMF dabei war. Für uns ist das ein klassischer Ort mit idealen Voraussetzungen, was Technik, Akustik und In­frastruktur betrifft. Im Marstall haben wir am 4. August ein hintergründiges Programm zum diesjährigen Ravel-Schwerpunkt. Jeder kennt den „Bolero“, aber nicht jeder weiß, dass Ravels Mutter Baskin war und wie sehr ihn die rhythmische baskische Musik geprägt hat. Im Marstall werden baskische Musiker Musik ihrer Heimat präsentieren. Erstmals beim SHMF wird die Txalaparta zu hören sein, ein aus Holzplanken bestehendes Brett, das mit dicken Holzklöppeln bearbeitet wird.

Bad Oldesloe

Die Peter-Paul-Kirche in Bad Oldesloe ist für uns eine feste Größe. Nicht nur der Kirchenraum mit seinem Klang überzeugt, sondern auch die malerische Lage. Unsere Künstler freuen sich zudem über ein besonders enthusiastisches Publikum. Maurice Steger, der am 23. August auftritt, ist ein Blockflötenvirtuose, der es mit Leichtigkeit schafft, Vorurteile gegenüber seinem Instrument abzubauen. Man staunt über seine Virtuosität und Musikalität.

Bargteheide

Das Kleine Theater Bargteheide ist ein echtes Kleinod. Zudem gibt es dort ein aufgeschlossenes Publikum, weil der Raum übers Jahr sehr abwechslungsreich genutzt wird. Beste Voraussetzung für eine überraschende Programmgestaltung, denn die Menschen vor Ort haben keine starren Erwartungen, sondern sind offen und neugierig. Die akustischen Bedingungen für Konzerte sind im Saal nicht einfach, wir müssen aufpassen, dass es nicht zu trocken wird. Das spektakuläre Quartett Passo Avanti am 28. Juli ist eine Idealbesetzung, weil es intelligent E- und U-Musik als „Finest Blend“ verbindet.

Großhansdorf

Die Auferstehungskirche in Großhansdorf ist unsere jüngste Stormarner Spielstätte. 2016 war die Premiere. Ich weiß noch, dass es eine Voranfrage von Bürgermeister Voß gab und ich ihm sagte, dass wir an neuen Orten interessiert seien, aber nicht an weiteren Kirchen. Er hat sich nicht abschrecken lassen und mir die Auferstehungskirche angeboten. Ich habe sie mir trotz Bedenken angesehen und fand sie großartig als Raum und Konzertsaal. Zudem gibt es große Begeisterung in Großhansdorf und einen sehr aktiven Beirat. Am 22. Juli spielt dort mit Nemanja Radulović ein wahrer Teufelsgeiger.

Reinbek

Das Reinbeker Schloss ist ein Klassiker unter unseren Spielstätten. Der Saal ist wunderbar für Kammermusik geeignet, und es ist ein Genuss, hier Konzerte zu hören – trotz manchmal extremer klimatischer Bedingungen: Es kann heiß werden. Ich habe dort viele besondere Momente erlebt. Ich mag die Konzentriertheit. Jeder Besucher sitzt nah an der Bühne und ist Teil des Geschehens.

Mit Bariton Benjamin Appl, der am 17. Juli auftritt, ist ein wahrer Shootingstar unter den jungen Sängern zu Gast. Und der ebenfalls sehr junge Cellist Edgar Moreau, dessen Konzert vom 7. auf den 4. August vorverlegt wurde, spielt gemeinsam mit Pierre-Yves Hodique unter anderem die Sonate des jungen Ravel für Violine und Klavier in einer Fassung für Cello und Klavier.

Sie sind die guten Geister der Festivalorte in Stormarn

Ahrensburg: Zwanglose Zusammenkunft mit Weltstars

Beiräte (v.l.):. Hans Jaeckel, Armin Diedrichsen und Volker Schiebusch
Beiräte (v.l.):. Hans Jaeckel, Armin Diedrichsen und Volker Schiebusch © HA | Lutz Wendler

Volkmar Schiebusch ist die personifizierte Gelassenheit, wenn er über die Organisation der SHMF-Konzerte im Marstall spricht. Er ist einer von drei Ahrensburger Beiräten, denen gemeinsam ist, dass sie als Team des Kulturzentrums Marstall ohnehin das ganze Jahr über mit dem Management von größeren Veranstaltungen beschäftigt sind.

Das SHMF ist für die Ahrensburger Beiräte also „business as usual“. Diese Professionalität sieht Volkmar Schiebusch als wesentlichen Grund dafür, dass Ahrensburg ein Ort ist, an dem das Festival immer wieder gern zu Gast ist. „Es ist zum Beispiel für den NDR von großem Vorteil, dass er Konzerte hier ohne großen Zusatzaufwand aufzeichnen kann. Unser Plus ist eine gute technische Ausstattung und viel Erfahrung, außerdem können Übertragungswagen quasi bis vor die Tür fahren“, sagt Schiebusch, der im Kulturzentrum für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.

Hinzu kommt ein hilfreicher Pool von Ehrenamtlichen, die sich unter anderem ums Catering kümmern – auch für das zwanglose Come together mit den Musikern danach. „Das ist ein großes Erlebnis, wenn weltberühmte Künstler danach vollkommen entspannt sind, mit den Helfern plaudern und Anekdoten erzählen.“

Bad Oldesloe: Marzipan für die Künstler

SHMF-Beirat Wolfgang Gerstand vor der Peter-Paul-Kirche in Bad Oldesloe
SHMF-Beirat Wolfgang Gerstand vor der Peter-Paul-Kirche in Bad Oldesloe © HA | Lutz Wendler

Wer mit Wolfgang Gerstand auf einer Bank am Kirchberg sitzt, hat den Eindruck, dass der CDU-Kreistagsabgeordnete in Bad Oldesloe bekannt wie ein bunter Hund ist. Kaum ein Passant, der nicht freundlich grüßt.

Gerstand ist begeisterter Ehrenamtler, auch in Sachen Kultur. Dem lokalen dreiköpfigen SHMF-Beirat gehört er an, seit die Peter-Paul-Kirche 2007 zum Festspielort wurde. Zu dritt organisieren sie Jahr für Jahr das Oldesloer Konzert. Das beginnt im Vorfeld mit einem Schaufensterwettbewerb der örtlichen Geschäfte, setzt sich mit der Organisation des Caterings durch die Freunde der Kirchenmusik auf dem Vorplatz fort und endet mit Künstlerbetreuung und Einführungsrede. Und schließlich wird „German Marzipan“ den Künstlern nach dem Konzert statt Blumen überreicht. „Das ist bei allen sehr beliebt“, sagt Gerstand. Ebenso wie die besonderen geistigen Getränke aus der Region, die beim abschließenden kleinen Nachtessen im Pastorat angeboten werden. „Besonders die Amerikaner sind fasziniert vom Bier in Bügelflaschen und fragen nicht selten, ob sie die Flasche als Souvenir mitnehmen dürfen.“

Gerstand selbst ist fasziniert davon, wie das SHMF mit so ungewöhnlichen Programmen wie chinesischer Musik verzaubert. „Mich überrascht immer wieder, wie es Musik gelingt, Menschen in andere Welten zu entführen.“

Großhansdorf: Auferstehung nach dem großen Regen

SHMF-Beirätin Gabriele Krey in Großhansdorf in der Auferstehungskirche
SHMF-Beirätin Gabriele Krey in Großhansdorf in der Auferstehungskirche © HA | Lutz Wendler

Gabriele Krey lebt in diesem Jahr exemplarisch vor, was echte Hingabe einer ehrenamtlichen SHMF-Beirätin bedeutet. Am 22. Juli feiert sie ihren 60. Geburtstag – beim SHMF-Konzert in der Auferstehungskirche. „Pech, dass unser Konzert ausgerechnet an diesem Tag ist, aber es war klar, dass ich dabeisein muss“, sagt sie. In ihren Geburtstag feiert sie hinein. Unter den Gästen werden einige SHMF-Helfer sein. Es könnte also sein, dass die Macher in Großhansdorf diesmal übernächtigt wirken. Gabriele Krey erspart das eine Erfahrung vom Vorjahr zu wiederholen, als sie nachts mehrmals aufwachte und sich fragte, ob sie auch wirklich an alles gedacht habe.

2016 war Großhansdorfs Festivalpremiere. „Diesmal können wir es ruhiger angehen, im Vorjahr haben wir es etwas übertrieben“, sagt Krey. Dennoch haben die fünf Beiräte genug zu tun mit der Koordination von 20 Ehrenamtlichen, der Logistik von Künstlerbetreuung im Gemeindehaus, der Infrastruktur fürs Catering - mit dem Ristorante Grappolo als neuem Partner – und dem Parkplatz-Service. Schwieriger als im Vorjahr kann’s nicht werden, denn damals gab es ein Fest im Dauerregen. Gabriele Krey sieht das als Belastungsprobe, die bravourös bewältigt wurde, und zitiert eine Helferin: „Veranstaltungen bei schönem Wetter kann doch jeder.“

Reinbek: Vielfalt des Saals im Schloss hörbar machen

Beirätin Susanne Busch im Hof des Reinbeker Schlosses
Beirätin Susanne Busch im Hof des Reinbeker Schlosses © Michael Rauhe | Michael Rauhe

Es sind nicht nur große Namen, die für nachhaltige Erinnerungen sorgen. Susanne Busch fällt als besonderes Erlebnis im Festsaal des Reinbeker Schlosses ein Konzert von zwölf jungen Musikern ein. „Das waren Absolventen eines Meisterkurses Gesang, Klavier und Cello, die an einem Abend aufs Vielfältigste hörbar machten, welche Qualitäten unser Saal hat.“ Susanne Busch ist seit 2008 eine von sieben SHMF-Beiräten in Reinbek. Sie betreut mit Kollegen Künstler, begrüßt die Gäste und hat die Haspa als Hauptsponsor gewonnen. Deren Engagement macht möglich, dass das Publikum in der Pause mit kostenlosen Getränken versorgt wird – „eine Besonderheit beim SHMF“, sagt sie und freut sich darüber, dass die Künstler es schätzen, in Reinbek dicht am Publikum zu sein und Reaktionen unmittelbar mitzubekommen.

Bargteheide: Große Werbung für das Kleine Theater

Hans-Peter Jansen (r.) mit dem Schauspieler David Kross
Hans-Peter Jansen (r.) mit dem Schauspieler David Kross © HA | Christina Schlie

Hans-Peter Jansen hat ein Gespür für Orte. Sieben Programmkinos betreibt er in Hamburg und Schleswig-Holstein. Stets ist er beim Einstieg seinem Bauchgefühl gefolgt, der Erfolg gab ihm immer recht. Auch in Bargteheide, wo er 2005 im Kleinen Theater sein Cinema Paradiso eröffnete. Jansen sah das Potenzial des vielfältig genutzten Hauses und fragte sich, warum noch niemand dieses Kleinod dem SHMF als Spielstätte angeboten habe – nicht zuletzt als überregional wirksame Bargteheide-Werbung. Lübeck war angetan, und seit neun Jahren ist das Kleine Theater dabei. Jansen war immer Mitglied des dreiköpfigen Beirats, der Sponsoren besorgt und mit Hilfe der Theatergastronomie fast schon routiniert das SHMF-Gastspiel abwickelt. Er sagt: „Mir geht’s nicht nur ums Kino. Es ist wichtig, dass das ganze Haus lebt.“