GROSSHANSDORF. Nemanja Radulovic und Pianistin Laure Fave-Kahn geben beim Schleswig-Holstein Musik Festival ein mitreißendes Gastspiel.
Ein „Teufelsgeiger“ mit einem „Teufelswerk“ in der Kirche? Wie passt das zusammen? Wunderbar, denn tatsächlich ist Nemanja Radulovic (31) eine Lichtgestalt unter den jungen Violinisten. Zwar hat das Schleswig-Holstein Musik Festival ihn mit Maurice Ravels „Tzigane“ als „diabolisch-schwierigem Stück“ werbewirksam angekündigt. Und Radulovic – in wirkungsvollem Kontrast zu seiner engelsgleich blonden, weiß gewandeten Duo-Partnerin Laure Favre-Kahn (Klavier) ganz in Schwarz, die dunkle Mähne im Haarknoten gebändigt – scheint das auf den ersten Blick auch zu bedienen.
Doch das Spiel des jungen Serben, der seit seinem 14. Lebensjahr in Paris lebt und dort seine Ausbildung fortsetzte, spricht eine andere Sprache. Denn Radulovic, dem 2006 als Ersatz für Maxim Vengerov mit Beethovens Violinkonzert der Durchbruch gelang, ist ein temperamentvoller und dabei sehr sensibler, zudem vielseitiger Geiger.
Die Violinsonate A-Dur ist Höhepunkt des Abends
Sein reiches Repertoire – auf einer Geige von Jean Baptiste Vuillaume aus dem Jahr 1843 gespielt – eröffnete er in der Auferstehungskirche mit dem Schlusssatz der 2. Partita für Violine solo von Johann Sebastian Bach (auch auf seinem 2016 bei der Deutschen Grammophon veröffentlichten Bach-Album zu hören, seiner neuesten Erkundung von Barockmusik). Die Variationen des formstrengen Werks wurden nicht einfach durchexerziert, sondern im weiten Spannungsbogen transparent gestaltet.
Ein passender Übergang von Formstrenge zu kantablen Melodien war Sergej Prokofieffs für Violine und Klavier Nr. 2 D-Dur (irrtümlich im Programmheft in der Reihenfolge mit der folgenden Sonate Francks vertauscht), ein überraschend lichtes Werk, das 1943 entstand. Danach der Höhepunkt des Abends: die Violinsonate A-Dur, ein Hauptwerk von César Franck, das um ein bezauberndes Thema mit der Qualität eines Ohrwurms kreist und dem man sich nicht entziehen kann. Schließlich Ravels teuflisch schwierige „Tzigane“, der dem Geiger technisch alles abverlangt und die Pianistin Laure Favre-Kahn in aberwitzige rhythmische Wettläufe mit Radulovic zwang.
Zwei Zugaben: Vittorio Montis mitreißender „Csárdás“ und zum Runterkommen „Songs My Mother Taught Me“ von Dvorák. Standing Ovations, Bravo-Rufe und begeistertes rhythmisches Getrampel. Am Ende ließ Radulovic alle vergessen, dass sie in einer Kirche saßen. Ein Teufelskerl.