Reinbek. Reinbek und Bad Oldesloe streben längeres Lernen für das Abitur an. Schulkonferenzen im Kreis entscheiden noch 2017 über Systemwechsel.

Am Reinbeker Gymnasium stehen die Zeichen auf Abschied vom Turbo-Abi. Ab dem Sommer 2019 wird die Sachsenwaldschule höchstwahrscheinlich wieder zu G9 zurückkehren und damit dem flächendeckenden Vorhaben der Regierungs-Koalition in Kiel aus CDU, FDP und Grünen entsprechen. Das bedeutet, dass Jungen und Mädchen die allgemeine Hochschulreife erst nach neun Jahren auf der weiterführenden Bildungseinrichtung erlangen. Genauso sieht es auch in Bad Oldesloe aus. „Diesen Schritt werden alle Gymnasien in Stormarn gehen“, prognostiziert Martin Habersaat, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion in Kiel. Davon gibt es neun.

Martin Habersaat, SPD-Landtagsabgeordneter im Kieler Landtam, hält Dreiviertelmehrheit für G8 an den Gymnasien für unwahrscheinlich
Martin Habersaat, SPD-Landtagsabgeordneter im Kieler Landtam, hält Dreiviertelmehrheit für G8 an den Gymnasien für unwahrscheinlich © HA | Lutz Wendler

Will eines von ihnen beim jetzigen System mit acht Jahren bleiben, müssen sich in der Schulkonferenz 75 Prozent dafür aussprechen. Diese besteht zu gleichen Teilen aus Lehrern, Eltern und Schülern. Dementsprechend ist auch der Stimmenanteil. Habersaat: „Eine Dreiviertel-Mehrheit für G8 ist überall unwahrscheinlich.“ Der Sozialdemokrat hat durch seine vielen Gespräche an den Schulen einen guten Einblick und weiß, was die Menschen bewegt. Das Abendblatt wollte es genauer wissen, hat an allen Stormarner Gymnasien nachgefragt.

Sachsenwaldschule benötigt rund 10.000 neue Bücher

Intensiv mit dem Thema hat sich bereits die Sachsenwaldschule in Reinbek beschäftigt, die von rund 1250 Jungen sowie Mädchen besucht wird und damit zu den größten Gymnasien in Schleswig-Holstein zählt. „Wir haben im Juni ein Meinungsbild erstellt. Es zeichnet sich bei Lehrern, Eltern und Schülern eine Mehrheit für G9 ab“, sagt Direktorin Helga Scheller-Schiewek. Für Dezember sei die Entscheidung geplant. Die Leiterin ist eine Befürworterin des Abiturs nach 13 Schuljahren: „Wir haben G8 ausprobiert und es nicht schlecht gemacht, sehen darin aber Probleme im Entwicklungsprozess der Kinder.“ Es sei sinnvoll, ihnen mehr Zeit zu geben.

Helga Scheller-Schieweg, Schlleiterin am Gymnasium Reinbek
Helga Scheller-Schieweg, Schlleiterin am Gymnasium Reinbek © Anne Müller

Eine Rückkehr zum alten System ist mit viel Aufwand in mehrfacher Hinsicht verbunden. Laut Scheller-Schiewek bedeutet das zum einen Mehrarbeit für die Pädagogen, „weil sich die Fachschaften natürlich zusammensetzen müssen, um zum Beispiel die Lehrpläne zu gestalten“. Denselben Stoff in einem größeren Zeitfenster zu vermitteln – dieser Umstand geht zudem mit der Beschaffung von neuen Büchern einher. „Als wir auf G8 umgestiegen sind, haben wir alle Lehrwerke erneuert“, sagt die Schulleiterin. Davon gehe sie auch bei einem erneuten Wechsel aus, spricht von einer Größenordnung um die 10.000 Bücher. Außerdem müsse die Stadt als Schulträger bei gleichbleibenden Anmeldungen sechs bis sieben zusätzliche Räume schaffen. Es wird also teuer. Nach den Sommerferien besuchen 173 neue Schüler in Reinbek den fünften Jahrgang, der sich auf sieben Klassen verteilt.

Am Glinder Gymnasium gibt es noch keine Präferenz

Dass es an der Theodor-Mommsen-Schule in Bad Oldesloe auf G9 hinausläuft, ist sicher. „Unser Meinungsbild ist so, dass wir klar für eine Rückkehr sind“, sagt die Elternbeiratsvorsitzende Sabine Braasch. Die Kinder stünden unter Zeitdruck, ein Jahr mehr Schule sei wesentlich entspannter. Der Kreisvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Heiko Winkel-Rienhoff, ist auch kein Freund vom Turbo-Abi. Er sagt: „Die Menschen kommen früh genug auf den Arbeitsmarkt. Bei dem System ist viel Druck in der Mittelstufe entstanden.

Am Glinder Gymnasium gibt es noch keine Präferenz. Der Schulelternbeiratsvorsitzende Michael Costa Melzer kann sich noch gut an die Zeit erinnern, als auf G8 umgestellt wurde: „Da haben die Kinder mit Büchern gearbeitet, die ihren Namen nicht verdienen.“ So etwas dürfe sich nicht wiederholen. Dem Gremium fehle eine Entscheidungsgrundlage, weil zu viele Details noch offen seien.

Kontakt zu Schulen in den ersten 100 Tagen der Regierung

Bisher haben die Schulen noch nichts Offizielles aus dem Bildungsministerium in Kiel erhalten. Lange warten müssen sie nicht mehr. Pressesprecher Thomas Schunck sagte dem Abendblatt: „Die ersten 100 Tage der Regierung werden genutzt, um die Kommunikation mit allen an Schule beteiligten Akteuren aufzubauen und die Inhalte des Koalitionsvertrages zu erklären.“

Johannes Ratzek, Lehrer in Glinde, berichtet von „regen Diskussionen im Kollegium mit unterschiedlichen Meinungen“. Das Kopernikus-Gymnasium in Bargteheide hat ebenfalls noch keine Richtung eingeschlagen. Leiterin Brigitte Menell: „Aus den Gremien ist mir bislang keine Initiative bekannt.“ Das gilt auch für die Schulen in Trittau und Großhansdorf. Rainer Kuske, Leiter des Emil-von-Behring-Gymnasiums, sagt aber: „Meine private Meinung geht zu G9.“ Im Herbst soll in der Waldgemeinde darüber entschieden werden. Trittau hat die Schulkonferenz für November terminiert.

Schulleiter: Ahrensburg kann zwei Varianten anbieten

Das Abendblatt sprach auch mit einem halben Dutzend Lehrern des Bargteheider Gymnasiums Eckhorst, die namentlich nicht genannt werden wollen. Alle möchten weg von G8.

„Wir sind der Meinung, dass manche Jungen und Mädchen mit 17 Jahren die Schule zu früh verlassen“, sagt Gerd Burmeister, Leiter des Eric-Kandel-Gymnasiums in Ahrensburg. Er hat noch kein Stimmungsbild ermitteln lassen, wartet auf Vorgaben des Ministeriums. Der Pädagoge regt an, zu diskutieren, ob sich die beiden Ahrensburger Gymnasien aufteilen und jeweils eine Variante anbieten. Die Leitung der Stormarnschule in Ahrensburg war telefonisch nicht erreichbar. Auch eine E-Mail des Abendblatts mit Fragen zu einem Systemwechsel blieb unbeantwortet.