Kreis Pinneberg. Auch Elternvertreter und Schulleiter diskutieren das Wahlkampfthema 2017 kontrovers. Noch können Schüler selbst wählen.

Die Elternvertreter an den Gymnasien sind sich uneinig. Wie die Parteien nehmen auch sie in der den Landtagswahlkampf 2017 bestimmenden Debatte über eine Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren am Gymnasium (G9) unterschiedliche Positionen ein.

„Wir Elternvertreter der Bismarckschule Elmshorn waren nie für die flächendeckende Einführung des Abiturs nach acht Jahren. Auch heute sind wir noch immer nicht begeistert davon“, sagt der Vorsitzende Ralf Lohse. Jörg Dittmer, Elternvertreter des Barmstedter Weizsäcker-Gymnasiums, ist anderer Meinung: „Ich halte die Abgrenzung zu Gemeinschaftsschulen durch G8 für wichtig. Wir dürfen unser Meta-Ziel, junge Menschen zeitnah ins Studium zu bringen, nicht vergessen.“

Im persönlichen Fall seiner drei Kinder, von denen zwei bereits ihr Abitur in acht Jahren erreicht haben, habe er keine erhebliche Mehrbelastung erkennen können. Vielmehr hätten die beiden Abiturienten es nach der Schule „genossen, ein Jahr im Ausland zu verbringen, um anschließend mit der nötigen Reife und gleichzeitigen Gelassenheit ins Studium zu starten“.

Elternvertreter Florian Ende vom Uetersener Ludwig-Meyn-Gymnasium wiederum meint: „Ob die Umstellung erfolgreich im Sinne der damaligen Ziele war und unserem Bildungssystem guttut, kann noch nicht auf seriöse Weise bewertet werden“.

Im vergangenen Sommer schien das gymnasiale Abitur nach neun Jahren in Schleswig-Holstein Geschichte zu sein: Im Doppeljahrgang verließ der letzte G9-Jahrgang mit den ersten G8-Abiturienten die Gymnasien. 2007 hatte der Landtag als letzter den Wechsel zum Turbo-Abi beschlossen. Dies sei ein Fehler gewesen, meint nun die CDU, die ihn im Falle einer Regierungsbeteiligung rückgängig machen möchte. Vor allem die SPD und Grünen kritisieren diese Forderung.

Kerstin Bendt, Elternvertreterin am Schenefelder Gymnasium, plädiert für ein bundesweit einheitliches System: „Wenn Eltern arbeitsplatzbedingt zunehmend umzugsbereit sein müssen, muss es auch den Kindern möglich sein, das Bundesland zu wechseln, ohne völlig anderen Anforderungen gegenüberzustehen.“ Das aber erscheint unrealistischer denn je: Mit Niedersachsen und Bayern haben zwei Bundesländer die Rückkehr zu G9 beschlossen. Schulpolitik ist Ländersache.

Das sind die Positionen der Parteien

AfD und FDP wollen den Schulen selbst Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 lassen, die Schulkonferenz soll entscheiden. Sie fordern bundesweit einheitliche Bildungsziele und darauf abgestimmte Abschlussprüfungen.

Die CDU will landesweit zum Abitur an Gymnasien in neun Jahren zurückehren (G9). Umsetzbar sei dies unter Einbindung aller Beteiligten innerhalb der kommenden Legislaturperiode.

SPD und Grüne fordern eine Qualitäts- statt einer Strukturdebatte. Ihr Ziel ist eine Unterrichtsversorgung von 100 Prozent und ein dauerhafter Schulfrieden. Schulfrieden heißt für beide, dass es jetzt beim Abitur nach acht Jahren an Gymnasien bleibt.

Die Linke möchte sämtliche Schulen im Land zu Gemeinschaftsschulen machen. Während der Umstellung soll G8 durch das G9-System ersetzt werden.

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Für Kinder aus dem Kreis Pinneberg, die derzeit eine Grundschule besuchen, geht es um ein zusätzliches Schuljahr bis zum Abitur. In Quickborn können die Erziehungsberechtigten seit Jahren zwischen drei Modellen entscheiden: Mit dem Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium, der Comenius-Schule und dem Elsensee-Gymnasium hat die Stadt ein reines G8-Gymnasium, eine Gemeinschaftsschule (Abitur in neun Jahren) sowie ein Gymnasium mit dem sogenannten Y-Modell. Dieses lässt G8- und G9-Klassen zu.

Beide Quickborner Gymnasien waren ursprünglich Modellschulen gewesen, an denen das Land G8 getestet hatte. Nach einheitlicher Einführung der verkürzten Schulzeit stand es ihnen offen, das Y-Modell fortzusetzen. Bedingung: keine Mehrkosten zur Regelform. Während die Bonhoeffer-Schule 2010 G9 abschaffte, behielt die Schwesterschule an der Heidkampstraße die Dualität – als eine von nur vier Schulen in Schleswig-Holstein, darunter auch das Barmstedter Gymnasium. Bei den Anmeldezahlen an den Quickborner Gymnasien gibt es über die letzten Jahre starke Schwankungen: „Sie sind offensichtlich stark von Gefühlen und Besorgnissen bei den Grundschuleltern geprägt, die wir zwar wahrnehmen, die aber oft wenig mit der Wirklichkeit an unseren Schulen zu tun haben“, sagt Angelika Lahrs, Schulleiterin des Bonhoeffer-Gymnasiums. Während sich in den beiden Jahren zuvor bis zu 50 Schüler mehr am G9-Gymnasium angemeldet hatten, scheint dieser Trend gestoppt; für 2017/2018 zählt die Elsensee-Schule 98 Anmeldungen, bei der Bonhoeffer-Schule sind es 87. „Wir bemühen uns, den Eltern deutlich zu machen, dass ihre Kinder keine Überflieger sein müssen, um an unserer Schule ein gutes Abitur machen zu können“, sagt Lahrs. „Unsere Schüler haben die gleiche Lernzeit. Sie ist nur auf ein Jahr weniger konzentriert. Als Unterstützung gibt es beispielsweise Intensivierungsstunden in den Kernfächern.“

Am Elsensee-Gymnasium konzentriert sich die Nachfrage zunehmend auf G9, in den letzten drei Jahren sind keine G8-Klassen mehr zustande gekommen. Schulleiter Michael Bülck hofft, dass sich dies wieder ändert: „Unser Wunsch ist weiterhin das Y-Modell, das uns auch als Förderzentrum für hochbegabte Schüler mehr Möglichkeiten gibt.“ Alle drei weiterführenden Schulen in Quickborn werden im nächsten Jahr erstmals gemeinsam eine Informationsveranstaltung für Eltern von Viertklässlern anbieten, um die Unterschiede aufzuzeigen.

Derartige Auswahlmöglichkeiten sind im Kreis die Ausnahme, eine zentrale Frage bleibt: Ist G8 langfristig ein Erfolgsmodell? Trotz aller Uneinigkeit in der Beantwortung herrscht bei Schulleitern und Elternvertretern über einen Punkt Konsens: Eine Rückkehr zu G9 ginge weder zeitnah noch reibungslos. „Ich denke, gerade die sich langsam entwickelnde Kontinuität im Schulalltag ist es, die wir uns für unsere Kinder wünschen“, meint Ralf Lohse. Uwe Lorenzen, Direktor der Elmshorner Elsa-Brändström-Schule, ergänzt: „Ich hätte mir die jetzige Debatte 2007 gewünscht. Nun sollten wir lieber überlegen, wie wir G8 besser gestalten können.“