Glinde/Bargteheide. Politiker beauftragen die Verwaltung, einen Entwicklungsplan in Auftrag zu geben. Auch andere Friedhöfe in Stormarn haben Probleme.
Der Glinder Friedhof verzeichnet Jahr für Jahr ein Minus von rund 45.000 Euro und muss mit Steuern subventioniert werden. Hauptgrund: Eine wachsende Zahl von Menschen entscheidet sich gegen Erdbestattungen und für kostengünstigere Urnenbestattungen. Nun soll auf Beschluss der Mitglieder des Bauausschusses die Verwaltung einen Entwicklungsplan in Auftrag geben und die Kosten dafür in den Haushalt 2018 einstellen. So soll der Friedhof für die Zukunft fit gemacht werden. Auch andere Begräbnisstätten in Stormarn arbeiten unwirtschaftlich und haben Pläne.
Eine kleine Kapelle, umringt von hochgewachsenen Bäumen, schmückt den Eingang des Glinder Friedhofes. Davor stehen zwei Sitzbänke. Links und rechts daneben sauber angelegte Blumenbeete. Es geht vorbei an einem Informationskasten, in dem verblichene Zettel hängen. Dann fällt der Blick auf unterschiedlich große Grabstätten. Auf einem Schild steht geschrieben: Mustergräber. Friedhofsverwalterin Nicole Skrivanek (28) sagt: „Die dienen zur Veranschaulichung für unsere Kunden.“ Manch einer kenne die unterschiedlichen Bestattungsarten nicht. „Wir müssen daran denken, dass der Friedhof ein Wirtschaftsbetrieb ist und bleibt“, sagt die Verwaltungsmitarbeiterin. Momentan laufe das Geschäft nicht so gut.
Konzept muss auf mindestens 70 bis 80 Jahre angelegt sein
Ihr Kollege Andreas Gostomczyk fügt hinzu: „Die Zahl der Erdbestattungen sinkt, die der Urnenbestattungen nimmt zu. Wir müssen mit dem Trend gehen.“ So gab es vor zwei Jahren noch 40 Erdbestattungen in Glinde, 2016 waren es nur 20. Die Zahl der Urnenbegräbnisse liegt hingegen bei knapp 200. Hinzu kommen die auf den anonymen Grabfeldern. Der Haken an der Sache: Die Grabmiete bei einer Bestattung im Sarg schlägt bei 25 Jahren mit 1540 Euro zu Buche. Bei einer Urnenbestattung auf einem anonymen Grabfeld sind es bei gleicher Dauer nur 145 Euro.
Die schlechte finanzielle Lage des Friedhofes stört Marlies Kröpke (SPD) schon seit Jahren. Deswegen stellte sie nun den entsprechenden Antrag für ein Friedhofsentwicklungskonzept. Die Sozialdemokratin sagt: „Wir müssen etwas Neues schaffen, um wieder mehr Kundschaft anzulocken.“ Bisher habe es nur „flickenteppichartige“ Sanierungen gegeben. Das Konzept müsse mindestens auf die nächsten 70 bis 80 Jahre ausgelegt sein, damit es tragfähig ist. „Schließlich müssen die langen Ruhezeiten der Gräber mit eingeplant werden“, sagt Marlies Kröpke.
Unbekannte entsorgen Kompost in Friedhofs Gitterboxen
Auch Jan Schwartz von den Grünen hält ein solches Konzept für sinnvoll. Ebenso der Fraktionsvorsitzende der CDU, Rainer Neumann. Sie schließen sich Marlies Kröpkes Meinung an, dass der Verkauf von Grabstätten allein nicht ausreiche.Vielmehr müsse der Friedhof auch zu einem Ort des Verweilens werden. Schwartz: „Der Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf ist zwar viel größer, der Ansatz aber übertragbar.“ Somit solle das Grabfeld auch als eine Art Erholungsgebiet genutzt werden können und den Besuchern einen Rückzugsraum bieten. Bei der Planung sei es zudem wichtig, dass die Bürger einbezogen werden. Und: „Es sollte über eine mögliche Kooperation mit Nachbargemeinden nachgedacht werden.“
Gostomczyk und seine Kollegin gehen auf den etwas unebenen Plattenwegen weiter voran. Je weiter sie auf den Friedhof hineinführen, desto mehr fallen die leeren Grabfelder ins Auge. Auf den Pfaden zwischen den Gräbern wächst Unkraut. Der Fachdienstleiter sagt: „Hier gibt es jede Menge zu tun.“ Er selbst befürworte den Waldcharakter der Ruhestätte. Allerdings machen die Bäume und Büsche sehr viel Arbeit für gerade einmal zwei Vollzeit-Kräfte. „Auch das Thema Vandalismus ist akut“, sagt die 28-jährige Skrivanek und zeigt auf einen demolierten Wegweiser, von dem ein Unbekannter eine Ecke herausgebrochen hat. Andere bringen ihren Kompost von Zuhause mit am Willinghusener Weg und verstopfen damit die Gitterboxen für natürliche Abfälle. „Den müssen unsere Mitarbeiter zusätzlich wegfahren.“
Der Bargteheider Friedhof bietet einen Fahrservice an
Gostomczyk: „Wir hätten gern mehr am Friedhof gemacht, aber ohne Geld ist das nicht möglich.“ Das soll sich mit großer Wahrscheinlichkeit bald ändern. Beide wünschen sich einen schöneren Friedhofsvorplatz und ein Columbarium in der Kapelle – eine Wand mit Nischen, in der Urnen aufbewahrt werden.
Kai Passow ist Verwalter des evangelischen Friedhofs in Bargteheide. Er kennt Probleme wie die in Glinde, sagt: „Vor drei Jahren hatten wir ein jährliches Defizit von rund 50.000 Euro.“ Arbeitsplätze wurden abgebaut. Also strengten die Verantwortlichen Überlegungen an. Fragten sich, wie wieder mehr Kunden angeworben werden konnten. Was den Friedhof schöner machen könnte. Das hat zur Folge, dass noch heute Teile des 7,5 Hektar großen Areals umgestaltet werden. Auch gibt es neue Bestattungsformen. So gibt es zum Beispiel die sogenannte himmlische Stadt der Kinder. Einen Ort für Kinder, die vor oder kurz nach der Geburt verstorben sind. Und einen kostenlosen Fahrdienst für Besucher. Heute arbeite der Friedhof wieder kostendeckend.
Der Ahrensburger Friedhof arbeitet kostendeckend
Finanzielle Sorgen gibt es auch auf dem Barsbütteler Friedhof. Einen Entwicklungsplan hingegen nicht. Auf Anfrage heißt es aus der Verwaltung: „Wir versuchen, uns den Veränderungen in der Bestattungskultur anzupassen.“
Wie es funktionieren kann, wird bei einem Blick nach Reinfeld deutlich. Britt Pecher vom evangelischen Friedhof sagt auf Abendblatt-Anfrage: „Vor drei Jahren haben wir uns Friedhöfe in Stormarn und Umgebung angeschaut und unseren umstrukturiert.“ Wer sich zum Beispiel für eine Urnenbeisetzung entscheidet, kann jetzt zwischen einem sogenannten Staudengrab und einer Obstbaumwiese wählen. Mit Blick auf die Finanzen sagt Pecher: „Das war die richtige Entscheidung.“
In Ahrensburg arbeiten der alte und der neue Friedhof mit einer Fläche von etwa 20 Hektar und rund 12.000 Grabstätten gemeinsam so effizient, dass er kostendeckend ist. Die Nachfrage nach Naturbeisetzungen steigt weiter an.