Reinbek. Nach Streit um Reduzierung auf Teilzeit in Ahrensburg: Wir stellen die Arbeit von Marie de Graaff-Willemsen in Reinbek vor.
Maria de Graaff-Willemsen ist es gewohnt, dass sie mal als Radikalfeministin und mal als Antifeministin bezeichnet wird. Und irgendwie ist das für sie ja auch eine Bestätigung. „Ich lass mich nicht so gern einordnen“, sagt sie. Die eindeutige Bezeichnung, zumindest von Berufs wegen, ist Gleichstellungsbeauftragte. Die steht neben der Tür zu ihrem Büro im Reinbeker Rathaus. Und die stand auf der Stellenausschreibung auf die sie sich 2002 beworben hatte.
Allein, wie die Stelle auszufüllen ist, sei dann zunächst gar nicht so klar gewesen. „Der Tätigkeitskatalog ist sehr unkonkret“, sagt die 52-Jährige. „Ich fand das am Anfang gar nicht so einfach.“ Mittlerweile hat sie 15 Jahre Gleichstellungsarbeit in der Verwaltung hinter sich und einen guten Überblick.
Gleichstellungsbeauftragte sucht sich viele Themen selbst
Grob gliedere sich ihre Arbeit in zwei Teile. Innerhalb der Verwaltung und im öffentlichen Dienst hat sie ein Auge darauf, dass bei Personalangelegenheiten das Thema Gleichstellung berücksichtigt wird. „Das kann man sich wie einen Personalrat vorstellen“, sagt Graaff-Willemsen. Das sei ein klar beschriebener Aufgabenbereich, aber nur ein kleiner Teil ihrer Arbeit.
Der zweite Bereich ist verwaltungsextern, betrifft Politik, Bürger und Vereine und ist wiederum nicht ganz so scharf konturiert. „Hier gilt es, nach den Themen zu suchen, von denen Frauen betroffen sind und bei denen sie möglicherweise benachteiligt werden“, so Graaff-Willemsen. Solche Themen können ebenso in der Verwaltungsvorlage zum Sportplatzneubau stecken, wie in einem Nahverkehrsplan. Oder sie betreffen die Bürgerinnen direkt.
Besonders gefragt bei der Flüchtlingsarbeit
Die Gleichstellungsbeauftragte hat nämlich qua Tätigkeitskatalog auch ein Ohr für die Belange der Bürgerinnen zu haben. Dafür ist eine Sprechstunde im Reinbeker Rathaus eingerichtet, am besten erreicht man die umtriebige Gleichstellungsbeauftragte indes per Telefon. „Bei den meisten Anliegen kann ich dann an die richtige Stellen weitervermitteln“, so Graaff-Willemsen. Zudem berät die Verwaltungsmitarbeiterin derzeit die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer in Reinbek bei kulturellen Konflikten, die unterschiedliche Geschlechterbilder betreffen.
„Mit diesem Teil der Arbeit ließe sich ohne Probleme eine Vollzeitstelle ausfüllen“, sagt Graaff-Willemsen mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen im Kreis Stormarn, die Posten nur noch in Teilzeit zu besetzen. „Es ist aber auch kein Problem, noch mehr damit auszufüllen.“ Wie berichtet, hatten sich Ahrensburg und Bargteheide jüngst gegen eine Gleichstellungsbeauftragte in Vollzeit ausgesprochen. Besonders heftig diskutiert wurde dieser Schritt in Ahrensburg, wo Gabriele Fricke nach 25 Dienstjahren kürzlich in den Ruhestand ging. Eine Vollzeitstelle sei nicht mehr notwendig, hieß es aus den Städten. Und das, obwohl seit Ende März ein Landesgesetz Städten mit mehr als 15.000 Einwohnern „grundsätzlich“ eine Vollzeitstelle vorschreibt.
Langfristiges Ziel: keine Gleichstellungsbeauftragte mehr
„Bei unserer Arbeit fällt immer etwas unter den Tisch“, sagt Graaff-Willemsen, mit einer halben Stelle werde das dann eben noch mehr. Langfristig sei zwar auch ihr Ziel, dass es keine Gleichstellungsbeauftragte mehr geben muss. Nur dafür brauche es eine „Verwaltung mit Gender-Blick“, so Graaff-Willemsen. Also Mitarbeiter mit einem ausgeprägtem Bewusstsein dafür, dass es unterschiedliche Geschlechter mit unterschiedlichen Belangen gibt.
In der Praxis läuft es dagegen häufig noch anders. Eine der letzten Verwaltungsvorlagen, an der Graaff-Willemsen mitgearbeitet hat, war der Sportstätten-Entwicklungsplan in Reinbek. „Bei der Analyse des Bedarfs wurde nur nach dem Alter geguckt, aber nicht nach dem Geschlecht.“ Dabei sei jedoch klar, dass es geschlechterspezifische Unterschiede geb. „Männer tendieren häufiger zu Mannschaftssportarten, Frauen machen typischerweise Gymnastik“, so Graaff-Willemsen, die gleich erklärend hinterherschickt: „Das heißt natürlich nicht, das Frauen nicht Fußballspielen und Männer keine Gymnastik machen.“
Je höher Position, desto geringer Frauenanteil
Studiert hat die Rheinländerin, die des Berufs wegen nach Reinbek kam, Soziologie. In einer Zeit, in der explizit formulierte Frauenbelange auch an Hochschulen noch kaum mehr als ein zartes Pflänzchen waren. „Heute reden viele über Gender, als ich studierte, gab’s das alles noch gar nicht“, sagt sie.
Seitdem habe sich einiges getan. Das Problem sei aber, dass viele jetzt denken, dass es schon laufe. „Wir haben ja schließlich eine Kanzlerin“, sagt Graaff-Willemsen. Die Gleichstellungsbeauftragte ist da eher verhalten optimistisch. Egal ob in der Uni oder in der Wirtschaft – es gelte: Je höher die Position, desto geringer der Frauenanteil. „Die Geschlechter sind bei Weitem nicht gleichgestellt.“ Sie habe kürzlich einen guten Satz gelesen. „Wenn ein Mann auf den Tisch haut, ist er dynamisch, wenn eine Frau das tut, ist sie hysterisch. Genau das ist das Problem.“
Ihr Credo: Immer kritisch bleiben
Um sich ihr Aufgabenfeld zu strukturieren, müsse sie Schwerpunkte setzen. Einer davon, für den derzeit nur wenig Zeit bleibt, ist ihr Anliegen, mehr Frauen in die Kommunalpolitik zu integrieren. „Nur ein Viertel der Politiker in Reinbek ist weiblich“, sagt sie. Ob das so sein muss? Eine Quotenregelung könnte helfen. „Das sollte aber die letzte Möglichkeit sein.“ Irgendwo zwischen Radikalfeministin und Antifeministin versucht de Graaff-Willemsen sich für die Belange der Frauen einzusetzen. So ganz klar ist ihre Aufgabenstellung nicht immer, sie folgt aber einem einfachen Credo: „Man muss immer kritisch bleiben.“