Ahrensburg. Stormarns dienstälteste Frauenbeauftragte Gabriele Fricke geht nach mehr als 25 Jahren in Pension. Stichwort-Interview zum Abschied.

Für Gabriele Fricke ist die Fremde zur Heimat geworden. Als die Diplom-Pädagogin im Januar 1992 ihre Stelle als Gleichstellungsbeauftragte in Ahrensburg antrat, kannte sie gerade mal den Namen der Stadt. „In der Stellenanzeige stand Hamburgs schöne Nachbarin, das war ein gutes Argument für mich“, sagt Fricke. Ende dieses Monats geht Stormarns dienstälteste Frauenbeauftragte in Pension – und bleibt mit Ehemann Ahrensburg treu: „Hier wohnen wir ruhig und trotzdem in der Nähe von Großstadt und Meer“, sagt Fricke, die im September 65 wird.

Mehr als 100 Wegbegleiter kommen heute zum Abend „25 Jahre Gleichstellungsbeauftragte Stadt Ahrensburg“ in den Marstall. Zum Abschied ärgert sie sich noch mal: Die Stadt will die Vollzeitstelle halbieren. „Mit 19,5 Wochenstunden wären die Aufgaben nicht mehr zu schaffen“, sagt sie. Und der Landtag habe Ende Februar ein Gesetz verabschiedet, das für Orte mit mehr als 15.000 Einwohnern „grundsätzlich“ eine volle Stelle verlange. Im Abendblatt lässt Gabriele Fricke ein Vierteljahrhundert Einsatz für Gleichberechtigung in Stichworten Revue passieren.


Erster Arbeitstag
Ich stamme aus Osnabrück und wohnte 1991 in Wesel am Niederrhein. In Ahrensburg kannte ich niemanden. Mein Büro im Holzpavillon hatte einen Schreibtisch, ein Telefon, eine Schreibmaschine und ein Regal. Die Stadt war neu, die Kollegen waren neu, die Aufgaben waren neu. Dann hab ich angefangen, mich überall bekannt zu machen.


Vorurteile
Ich selbst war ganz offen, vom ersten Eindruck her war die Stadt ein wenig konservativ. Auf der anderen Seite wusste niemand so recht etwas mit dem Wortungetüm Gleichstellungsbeauftragte anzufangen. Frauenbeauftragte trifft es besser. Ich bin ja für die Gleichstellung der Frau zuständig, so steht es auch im Gesetz. Man war am Anfang unsicher, was die neue Kollegin im Hause macht und wie sie in der Öffentlichkeit auftritt. Da gab es auch Ratschläge aus der Politik, die nicht so nett waren. Andere haben das nicht so offen gemacht. Es war mir wichtig, über die ganzen Jahre meine Persönlichkeit zu bewahren und mir treu zu bleiben. Ich fand viele weiße Flecken vor, zum Beispiel waren die Themen Kinderbetreuung, Alleinerziehende und Gewalt noch gar nicht in der Stadt angekommen. Ich habe sie in die Diskussion eingebracht und ich fand immer Mitstreiterinnen.


Erfolge
Der größte Erfolg war sicher in den 90er-Jahren das Frauenhaus. Und unsere erste krippenähnliche Einrichtung um die Jahrtausendwende. Die Initiatorinnen, eine Gruppe schwangerer Frauen, hatten zwar nichts mehr davon, weil ihre Kinder beim Start älter als drei Jahre waren, aber das war der Durchbruch in Richtung Krippenplätze. Das Dritte sind die festen Grundschulzeiten, ein Landesprojekt. Über ABM-Stellen wurden Betreuerinnen ausgebildet, später kamen die Horte hinzu. Jetzt ist der Bedarf so groß, dass wir betreute Ganztagsschulen brauchen. Die Gesellschaft muss bei der Vereinbarung von Familie und Beruf mehr tun.


Rückschläge
Ich hatte die Idee, ein Frauen-Nachttaxi auf den Weg zu bringen. In dem Punkt habe ich schnell gemerkt, dass die Unterstützung fehlt. Die Frauen hier sind sehr mobil, Ahrensburg ist im Unterschied zu ländlichen Regionen sehr gut angebunden. Grundsätzlich muss man immer mit Rückschlägen leben, wenn man sich für Dinge einsetzt. Das gilt auch intern für die Verwaltung: Ich kann etwas vorantreiben, aber letztlich nicht entscheiden.


Rathaus
Unter den drei Bürgermeistern in meiner Laufbahn war auch Ursula Pepper, die kreisweit erste Frau in diesem Amt. Das war eine gute Zeit. In vielen Dingen wie dem Frauenhaus hat sie mich wie auch ihr Nachfolger unterstützt. Aber wir hatten durchaus auch unterschiedliche Positionen.


Politik
Ich habe viele interessante Stadtverordnete kennengelernt, die meine Arbeit unterstützt haben. Leider ist der Frauenanteil im Parlament zuletzt deutlich gesunken. Hoffentlich ändert sich das wieder. Ich komme aus einer Generation, in der Frauen kaum Rechte hatten. Es ist vielen Jüngeren heute gar nicht klar, dass alle Sachen, die man sich erkämpft, auch wieder verloren gehen können. Man muss einen langen Atem haben. Das zeigt mein Frauenförderplan für die Verwaltung, der 1994 erst nach zweijähriger Diskussion verabschiedet wurde.


Freundschaften
Über die Jahre hat sich zu vielen Menschen im Haus und im Frauennetzwerk eine Verbundenheit entwickelt. Ich habe aber auch immer auf berufliche Distanz geachtet.


Frauenfeindliche Witze

Die waren in den 90ern verbreiteter als jetzt. Wir haben in der Verwaltung eine Dienstvereinbarung gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und Mobbing. Dazu gehört auch, dass Kalender und Fotos mit leicht bekleideten Frauen nicht zugelassen sind. Das fanden manche am Anfang schon komisch, aber da muss eine Gleichstellungsbeauftragte hart auftreten.


Zukunftspläne
Ich habe das Gefühl, mir tut jetzt ein Sabbatjahr gut. Was andere während der Berufszeit nehmen, werde ich jetzt im Anschluss machen. Es gibt auch bereits Anfragen von ehrenamtlichen Einrichtungen. Interesse ist da bei mir, aber es ist noch keine Entscheidung gefallen. In den USA ist ja eine Art neue Frauenbewegung zu beobachten, in Deutschland gibt es auch Frauenmärsche. Das sind junge und aktive Frauen, die mitten im Leben stehen. Das als Ratgeberin zu unterstützen, finde ich gut. Ich muss aber künftig nicht mehr in der ersten Reihe laufen.