Bargteheide. Am Wochenende wird Stormarns erstes Anbaugebiet bepflanzt. Mit 3,3 Hektar das größte im Land. Abendblatt übernimmt Reben-Patenschaft.
Kein noch so fieser Graupelschauer kann derzeit drei Männern aus Stormarn die Stimmung verhageln. Für Leon Zijlstra, Jörn Andresen und Sven Dohrendorf verwirklicht sich gerade ein Traum, der buchstäblich aus einer Weinlaune heraus geboren wurde: Die drei Freunde wollen Winzer werden. Und das mitten in ihrem norddeutschen Heimatkreis. Jetzt nehmen die Pläne, die bislang nur in den Köpfen und auf Papier existierten, auch in der Praxis Gestalt an. Nachdem der Acker vorbereitet und das sogenannte Erziehungssystem errichtet wurde, kommen an diesem Wochenende die ersten 5450 Weinreben in die Erde.
Doch von Anfang an. Vor etwas mehr als einem Jahr schickten Zijlstra, Andresen und Dohrendorf eine Bewerbung an die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Sie ist für die Prüfung und Vergabe von Weinanbauflächen zuständig. Sechs Monate später hielten die Männer die Zusage in ihren Händen. Von insgesamt fünf Hektar Anbaufläche, die die Bundesanstalt in Schleswig-Holstein zu vergeben hatte, bekamen die Stormarner Bewerber 3,3 Hektar zugewiesen – und sind seitdem Herren über das größte Weinanbaugebiet des Landes.
Kann Stormarn mit dem Süden mithalten?
„Unsere Ausführungen haben sie wohl sehr überzeugt“, sagt Sven Dohrendorf. Das dürfte unter anderem daran liegen, dass sie von Fachmännern verfasst wurden. Dohrendorf ist Weinhändler, Andresen Garten- und Landschaftsbauer und Zijlstra Absolvent des Studiengangs der Internationalen Weinwirtschaft. „Natürlich waren wir von unserer Idee von Anfang an überzeugt“, sagt Jörn Andresen. Trotzdem sei die Zusage „vor allem in dieser Größenordnung“ eine Überraschung gewesen. „Eine ziemlich freudige“, fügt Andresen hinzu. Auf dem Gelände seiner Bargteheider Baumschule soll nun das erste Stormarner Weingut entstehen. Die Böden seien dafür wie geschaffen. „Sie speichern hervorragend Wasser und Nährstoffe. Außerdem ist der Humusgehalt sehr hoch“, so Gartenexperte Andresen. Ein wahres Paradies für Rebstöcke.
Doch kann das flache Stormarner Land als Anbaugebiet mit den meist sonnenverwöhnten Weinbergen im Süden wirklich mithalten? „Natürlich wächst hier nicht jede Traube optimal“, sagt Leon Zijlstra. Nach seinem Studium im rheinischen Geisenheim arbeitet der 27-Jährige als Markenbotschafter für renommierte, spanische Weingüter. „Deren Rotwein Konkurrenz machen zu wollen, wäre tatsächlich irre“, sagt Zijlstra. Dem Stormarner Pendant fehle „die Dichte“. Heißt: Der Wein würde nicht schmecken. Von Anfang an war den Jungwinzern daher klar, dass der Stormarner Wein weiß sein würde. Und dass die Rebstöcke mit Frost und vergleichsweise wenig Sonnenstunden klarkommen müssen.
Mit Vollertrag ist erst im dritten Jahr zu rechnen
„Wir haben uns beraten lassen und uns neben den Rebsorten Riesel und Johanniter für die Solaris als Hauptsorte entschieden“, sagt Sven Dohrendorf. Deren mittelgroße, bernsteinfarbene Trauben werden früh reif, haben einen hohen Zuckergehalt und geben dem Wein seinen Geschmack. „Er wird Aromen von gelben Früchten wie Mirabelle und Quitte haben“, sagt Leon Zijlstra. Noch wirken die jungen Rebstöcke, die von einer Rebschule aus Neustadt an der Weinstraße nach Bargteheide geliefert wurden, ganz unscheinbar. Sie werden in diesem Jahr auch noch keine Früchte tragen. „Erst im dritten Jahr ist mit Vollertrag zu rechnen“, erklärt Jörn Andresen. Und dann im besten Fall mehr als 30 Jahre lang. Andresen hatte übrigens mit dem wohl größten Skeptiker zu kämpfen. Seinem Vater. „Als ich ihm erzählte, dass wir ein Weingut gründen wollen, hielt er mich für komplett verrückt“, berichtet der 53-Jährige.
Er habe nicht glauben wollen, dass so ein Vorhaben in Schleswig-Holstein Erfolg haben kann. „Ich habe ihm von einem Winzer in Eutin erzählt. Zu dem ist er gleich am nächsten Tag hingefahren, um ihm auf den Zahn zu fühlen und den Wein zu probieren.“ Jörn Andresens Vater ist 89 Jahre alt. Er ließ sich überzeugen. „Wir hoffen, dass wir noch vielen Menschen beweisen können, dass Stormarn auch Wein kann“, sagt Dohrendorf. Mit seinen beiden Kollegen sorgt der Ahrensburger Kaufmann für die Grundlagen – immer mit regionalem Bezug. Deshalb trägt das Weingut auch den Namen „Schatoh Feldmark“.
Regionalausgabe hat Patenschaft übernommen
Sven Dohrendorf erklärt dazu: „Als Schatoh bezeichneten Schleswig-Holsteiner früher alle Weine, die über Lübeck importiert und in Norddeutschland verbreitet wurden.“ Die naturnahe Feldmark zwischen Bargteheide und Delingsdorf sei für sie alle schon zu Kinderzeiten ein beliebtes Ausflugsziel gewesen. Das wird sie nun auch an diesem Wochenende: Für diesen Sonnabend lädt das Winzergespann zum „historischen Pflanz-Event“ an die Straße Langenhorst in Bargteheide ein.
Aufgeteilt in Dreierteams wird gebuddelt, gepflanzt und bewässert. „Wir wurden von Anmeldungen überrannt“, sagt Leon Zijlstra. Er lacht und ergänzt: „Manche waren sogar überrascht, dass das gar nichts kostet.“ Am Sonntagmittag wird das Weingutes Schatoh Feldmark ab 12 Uhr offizielle eingeweiht. Mit dem Segen von ganz oben, den der Bargteheider Pastor Jan Roßmanek aussprechen wird. „Wir freuen uns auf viele Besucher, Freunde ebenso wie geladene Ehrengäste“, sagt Sven Dohrendorf. „Bestimmt können wir auch den ein oder anderen Zweifler beim Rundgang über unser Land davon überzeugen, dass unsere Idee mittlerweile Hand und Fuß hat.“
Übrigens: Eine der 5450 Reben wird die Abendblatt-Regionalausgabe für ihre Leserinnen und Leser künftig besonders im Auge behalten und ihr Gedeihen genau verfolgen. Die Redaktion hat eine Patenschaft für einen Weinstock übernommen und ist damit ein kleiner, aber feiner Teil des größten Weingutes in Schleswig-Holstein.
Die Einweihung des Weinguts Schatoh Feldmark ist am Sonntag, 30. April, ab 12 Uhr an der Straße Langenhorst 4 in Bargteheide