Bargteheide. Ein Ahrensburger Weinhändler und ein Bargteheider Gärtnerei-Besitzer wollen das Projekt umsetzen. Im Juli wird darüber entschieden.

So ein bisschen wirken die beiden Männer beim Schildern ihrer Pläne wie kleine Jungs, die ein großes Abenteuer vor sich haben. Und irgendwie ist es auch genau so. Obwohl Jörn Andresen, Inhaber der gleichnamigen Bargteheider Baumschule, und Sven Dohrendorf, Chef des Weingroßhandels ,20 Wines’ in Ahrensburg, die 50 bereits überschritten haben – sie verspüren eine kindliche Vorfreude auf das, was da kommen könnte: Die Geschäftsmänner wollen das erste Weingut Stormarns gründen.

Doch es „einfach zu tun“ ist gar nicht so einfach. Es gibt in Deutschland nämlich das 42 Seiten umfassende Weingesetz, das unter anderem genau regelt, auf welchen Flächen Reben gepflanzt werden dürfen, wie der Wein verarbeitet und auf welchem Weg er in den Handel gebracht werden darf. Zwar ist jedem Bundesbürger erlaubt, auf seinem Grund und Boden ohne offizielle Genehmigung bis zu 99 Reben anzupflanzen und daraus Wein zu machen. „Den muss er dann aber selbst trinken oder verschenken“ sagt Weinhändler Sven Dohrendorf. Verkauft werden darf das selbst gezogene gute Tröpfchen nicht. Freie Flächen für kommerziellen Weinanbau gab es nicht mehr, seit die Pflanzrechte für Schleswig-Holstein vor sechs Jahren auf das Gut Deutsch-Nienhof bei Westensee, den Ingenhof in Malente, den Hof Aumühlen bei Grebin sowie auf je einen Betrieb auf den Inseln Sylt und Föhr verteilt wurden.

Der ursprüngliche Plan wurde immer größer

Schon damals hätte sich Sven Dohrendorf gerne um eine Fläche beworben. Er sagt: „Ich war jahrelang ständig in Betrieben und Messen im In- und Ausland unterwegs. Und immer öfter erwischte ich mich dabei, wie ich neidisch auf die Hände der Winzer schaute, die meist noch Erde aus ihrem Weinberg unter den Fingernägeln hatten.“ Das wollte Sven Dohrendorf auch: Nicht mehr nur mit Wein handeln, sondern ihn auch erschaffen. Raus aus Büro und Anzug, weg vom Telefon, rein in die Natur. „Als 2010 alle Anbauflächen vergeben waren, entstand die Idee, zusammen mit anderen Weinliebhabern auf einer gemeinschaftlichen Pflanzfläche ein sogenanntes Wir-Weingut zu betreiben“ erzählt der Stormarner. Ohne Vermarktung, dafür mit gemeinsamem Ackern und Fachsimpeln. Eine nette Idee, die den einen oder anderen Weintrinker zum Freizeitwinzer machen würde. Als kompetenten Partner hatte Dohrendorf sich Jörn Andresen ausgesucht. Dem diplomierten Landespfleger gehört eine der größten Gartenbaumschulen Stormarns. „Er weiß alles über Pflanzen, Erde und Klima und ich Vieles über Wein – eine gute Kombination“, so Dohrendorf.

Seit den ersten Planungen für das Stormarner Weingut hat Sven Dohrendorf alle Unterlagen akribisch gesammelt.
Seit den ersten Planungen für das Stormarner Weingut hat Sven Dohrendorf alle Unterlagen akribisch gesammelt. © HA | Verena Künstner

Dass ihr gemeinsamer Plan nun eine Nummer größer ausfällt und statt des reinen Privatvergnügens tatsächlich ein gewerbliches Weingut entstehen kann, ist dem „Neunten Gesetz zur Änderung des Weingesetzes“ zu verdanken. Es wurde im Juli 2015 verkündet. Demnach gilt seit Anfang 2016 das neue EU-Genehmigungssystem für Rebpflanzungen. Hier heißt es in einer Sonderregelung: „Um eine ausgewogene Verteilung der Neuanpflanzungen im Bundesgebiet sicherzustellen, sollen fünf Hektar (…) auf alle Flächenländer (…) verteilt werden.“ Das bedeutet: Neues Land für frische Reben. Auch in Schleswig-Holstein.

Für Sven Dohrendorf und Jörn Andresen rückte damit der Traum vom eigenen, „richtigen“ Weingut wieder in greifbare Nähe. Die beiden wollten auf Nummer Sicher gehen und holten sich noch einen Fachmann mit ins Boot: den 26-jährigen Leon Zijlstra. Er studiert Internationale Weinwirtschaft an der Fachhochschule im rheinischen Geisenheim. In Dohrendorfs Fachhandlung ,20 Wines’ hat Leon vor Beginn des Studiums sein Praktikum absolviert. Das Thema seiner kürzlich abgegebenen Bachelorarbeit lautet: „Businessplan zur Gründung eines Weingutes in Schleswig-Holstein“. Darin belegt Zijlstra unter anderem, dass sich norddeutscher Wein hinter Rebensaft aus südlichen Gefilden längst nicht mehr verstecken muss. Die Studienarbeit ist nun Teil der umfangreichen Bewerbung, die Dohrendorf, Andresen und Zijlstra im Februar 2016 bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in Bonn abgegeben haben. Die BLE ist für die Durchführung des Genehmigungsverfahrens für Neuanpflanzungen zuständig. Sie überprüft die Anträge, berechnet die pro Antrag zu vergebenen Pflanzrechte und erteilt die Bescheide. „Am 31. Juli ist Stichtag. Dann erfahren wir, ob wir eine Fläche erhalten“, sagt Andresen.

Leon Zijlstra (l.) und Sven Dohrendorf
Leon Zijlstra (l.) und Sven Dohrendorf © HA | Birgit Schücking

Die Weinbauern in spe hoffen auf mindestens zwei Hektar. Beworben haben sie sich auf die gesamten fünf. Platz ist auf dem Bargteheider Baumschulgelände der Andresens genügend vorhanden. „Wenn, dann richtig“, sagt Sven Dohrendorf, der gerne groß und optimistisch denkt. Weil er von dem Projekt überzeugt ist – und weiß, dass Weinanbau in Stormarn klappen kann. Mit einer pilzresistenten, robusten weißen Traube, die früh reift und voller Geschmack ist. Der Bargteheider Boden wurde analysiert und für sehr geeignet befunden. Gartenprofi Andresen sagt: „Er speichert hervorragend Wasser und Nährstoffe. Die Rebwurzeln können also aus den Vollen schöpfen.“

Der spätere Stormarner Wein, der in einem befreundeten Weingut im Rheingau abgefüllt werden könnte, soll laut Sven Dohrendorf vor allem „ehrlich“ sein. „Ein bodenständiger, lustiger, knackiger Weißwein. Ohne viel Schischi.“ Einen Namen gibt es noch nicht. „Der entwickelt sich sicherlich im Lauf der Zeit“, sagt Dohrendorf. „So, wie die Reben eben auch nicht von heute auf morgen Früchte tragen.“ Kommt im Juli die Zusage, wollen die Stormarner im Frühjahr 2017 mit der Pflanzung beginnen. Läuft dann alles wie geplant, gibt es frühestens im Jahr 2020 die erste offizielle Weinprobe. Mit Wein vom ersten Weingut Stormarns.