Barsbüttel. Ein 13-Jähriger steht unter Verdacht, das Pfefferspray versprüht zu haben. Sechs Kinder müssen in der Klinik behandelt werden.
Ausgerechnet der letzte Schultag vor den Osterferien – für die Schüler der Erich-Kästner-Gemeinschaftsschule in Barsbüttel endete er mit dramatischen Szenen und einem Großeinsatz der Feuerwehr. Nachdem ein 13-Jähriger, vermutlich im Bereich der Pausenhalle, Reizgas versprüht haben soll, klagten Schüler über Atemwegsreizungen und tränende Augen. 74 mussten untersucht werden, sechs kamen ins Krankenhaus. Dort erhielten sie Sauerstoff und Medikamente.
Donnerstagmorgen, gegen 10.30 Uhr: Auf dem Rasen vor der Schule sitzen hustende Kinder, gehüllt in blaue Rettungsdecken. Viele weinen, wirken geschockt. Lehrer und Sanitäter sprechen beruhigend auf sie ein, reichen ihnen Becher mit Wasser. „Ich bin durch die Pausenhalle gelaufen und musste plötzlich husten, alle haben gehustet; und dann kam auch schon die Durchsage ,alle raus‘“, erzählt Luca Moldenhauer (15). Lehrerin Conny Texdorf reicht ihm eine Rettungsdecke. „Die Evakuierung der Schule mit 800 Schülern hat reibungslos geklappt“, sagt sie.
Rettungskräfte aus Schleswig-Holstein und Hamburg im Einsatz
Fünf Feuerwehren sind im Einsatz, auch ihre Kollegen aus Hamburg sind mit einem Notarzt dabei. Auf dem großen Parkplatz gegenüber stehen die Rettungswagen dicht an dicht. Wer untersucht wurde und weitgehend beschwerdefrei ist, darf in die benachbarte Sporthalle. Dort treffen auch die ersten Eltern ein.
„Ich war gerade mit meiner Tochter beim Kinderarzt, da rief meine Freundin an, und ich bin sofort los“, erzählt Monique Windheuser, die Sohn Jaden (12) abholt. „Er hat ein bisschen Husten und Augenreizungen, aber ihm geht es so weit ganz gut“, sagt sie. Ein anderer Junge ist dagegen kreidebleich, sein Vater stützt ihn beim Gehen. Auch Jonas Berglöw (15) und sein Bruder Peer (11) warten darauf, abgeholt zu werden. „Ich musste erst husten und hatte Bauchweh. Jetzt geht es mir super, aber mein Freund ist ins Krankenhaus gekommen“, sagt Jonas.
Ein 13-Jähriger soll mit Pfefferspray gesprüht haben
Was alle ahnten, ist kurz nach elf Uhr Gewissheit: Jemand hat in der Schule mit Pfefferspray gesprüht. Die Beamten haben eine Sprühdose gefunden. Im Mittelpunkt der Ermittlungen steht ein 13 Jahre alter Schüler, den Zeugen beobachtet hatten. „Das war ein dummer Jungenstreich“, sagt Barsbüttels Polizeichef Andre Lutz. Um 11.40 Uhr geben Polizei und Feuerwehr Entwarnung: Die Schüler dürfen zurück in ihre Klassen.
Gas-Alarm an Barsbütteler Schule
Während die Lehrer den Zwischenfall dort mit ihnen aufarbeiten, kümmert sich im Sekretariat Schulleiter Thorsten Schöß-Marquardt darum, dass die Eltern der verletzten Schüler informiert werden. Es ist der zweite Alarm an seiner Schule in diesem Jahr. Im März war per E-Mail eine Bombendrohung eingegangen. Bereits im Dezember 2015 hatte es an der EKG sowie am Gymnasium und an der Sönke-Nissen-Gemeinschaftsschule in Glinde eine Amokdrohung gegeben.
Wenige Stunden später ein weiterer Reizgas-Alarm
Am Donnerstag rückt die Feuerwehr wenige Stunden später erneut aus – diesmal zur Comenius-Schule in Quickborn. Mehrere Schüler klagen über Atemwegsreizungen. Der Verdacht, dass auch hier Reizgas versprüht wurde, bestätigte sich nach Angaben der Polizei Bad Segeberg jedoch nicht.
Dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der leichten Verfügbarkeit von Pfefferspray und der auffällig hohen Zahl von Reizgas-Alarmen in den vergangenen Wochen, liegt nahe, ist aber nicht belegt. Fest steht: Selbst Kinder kommen inzwischen problemlos an Pfefferspray. Reizstoffsprühgeräte fallen zwar grundsätzlich unter das deutsche Waffengesetz. Dient das Spray – zumindest vordergründig – dazu, gefährliche Tiere abzuwehren und trägt die Dose den Aufdruck „Tierabwehrspray“, wie es im Handel üblicherweise der Fall ist, unterliegt die Abgabe jedoch keinen Beschränkungen mehr.
Sogar in der Drogerie gibt es Pfefferspray zu kaufen
So gekennzeichnet verkauft seit Juni 2016 eine Drogeriekette Pfefferspray für 5,95 Euro je Dose. In Hamburg setzt sich die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Karin Prien dafür ein, dass die Abgabe an Kinder verboten wird.
Allein in Hamburg musste die Feuerwehr seit Mitte Dezember mindestens achtmal ausrücken, weil vorsätzlich oder unabsichtlich Reizgas ausgetreten war. Ähnliche Vorfälle gab es auch im Hamburger Umland. Erst am Dienstag musste die Polizei in Hitzacker nach einem Reizgas-Austritt eine Schule räumen.
Am 26. Februar sperrten Beamte in Bad Oldesloe vorübergehend die Eingangshalle des Bahnhofs. Am Tag darauf mussten am Wilhelm-Gymnasium am Klosterstieg in Hamburg drei Erwachsene rettungsdienstlich versorgt werden.