Hamburg. Nach Reizgas-Attacken will CDU-Politikerin Karin Prien die Abgabe reglementieren – dafür müsste das Waffengesetz geändert werden.
Nach der Serie von Reizgas-Angriffen in Hamburg fordert die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Karien Prien, dass Pfefferspray nicht mehr frei verkauft werden darf. Erst am Freitagabend hatten Jugendliche in einer S-Bahn Pfefferspray versprüht. Die Feuerwehr löste den Alarm „Massenanfall von mehr als zehn Verletzten“ aus und rückte mit einem Großaufgebot zum Bahnhof Sternschanze aus.
Fluchtartig verließen 50 Menschen den Waggon
Fluchtartig verließen mehr als 50 Menschen den Waggon, sechs klagten über Atemwegs- und Augenreizungen, darunter auch ein Kind. Bei den Tätern handele es sich vermutlich um Jugendliche, die in dem Waggon saßen und durch laute Rufe und aggressives Gebaren aufgefallen waren. „Wir werten jetzt die Kameraaufzeichnungen aus“, sagte Rüdiger Carstens, Sprecher der Bundespolizei.
Reizstoffsprühgeräte fallen zwar grundsätzlich unter das deutsche Waffengesetz. Dient das Spray – zumindest vordergründig – dazu, gefährliche Tiere abzuwehren und trägt die Dose den Aufdruck „Tierabwehrspray“, wie es im Handel üblicherweise der Fall ist, unterliegt die Abgabe jedoch keinen Beschränkungen mehr: Das Reizgas darf also auch an Kinder verkauft werden. „Es geht schlicht nicht an, dass Pfefferspray an Kinder abgegeben wird, die jünger als 14 Jahre sind“, sagt Prien. Fehlt der Zusatz Tierabwehrspray hingegen, fallen die Reizstoffsprühgeräte unter das deutsche Waffengesetz – sie dürfen dann nur im Fachhandel an Jugendliche ab 14 Jahren verkauft werden. An dieser Regelung wolle sie auch gar nicht rütteln, sagt Prien.
Inzwischen wird Pfefferspray in der Drogerie verkauft
Seit den Silvesterübergriffen 2016 verkauft sich Pfefferspray besser denn je. Auf die stark gestiegene Nachfrage hat inzwischen auch der Handel reagiert. So hat die Drogeriekette dm Ende Juni 2016 Pfefferspray in ihr Filial-Sortiment aufgenommen. Neben Taschentüchern, Windeln und Putzmitteln gibt es nun dort „KO Fog“ zum Preis von 5,95 Euro (40 Milliliter). Darüber hinaus bieten auch Versandhäuser im Internet Kartuschen ab 2,95 Euro an. Experten bezweifeln allerdings, dass die Abwehr gefährlicher Tiere der primäre Kaufgrund für die Dosen ist.
Seit Dezember gab es acht Reizgas-Alarme
„Im Grunde handelt es sich um den gleichen Stoff, der unter das Waffengesetz fällt, er hat nur ein anderes Etikett“, sagt ein Polizeibeamter. Der problemlose Erwerb von Pfefferspray könnte jedenfalls eine Erklärung sein für die zuletzt stark gestiegene Zahl der Reizgas-Alarme. Allein seit Dezember mussten Feuerwehr und Polizei deshalb mindestens achtmal ausrücken.
Am 15. Dezember waren 17 Schüler der staatlichen Handelsschule an der Kellinghusenstraße (Eppendorf) betroffen. Acht kamen ins Krankenhaus.
Am 20. Dezember wurden zehn Schüler der Stadtteilschule am Heidberg mit Atemwegsreizungen behandelt; am selben Tag klagten elf Schüler der Handelsschule am Göhlbachtal über ähnliche Symptome.
Am 11. Januar wurden am Luisen-Gymnasium in Bergedorf zehn Menschen verletzt.
Am 13. Januar klagten 13 Schüler des Gymnasiums Rahlstedt über Atembeschwerden. Offenbar war auf der Toilette Reizgas versprüht worden.
Am 12. Februar rückte die Feuerwehr zu einem Großeinsatz am Flughafen aus. 68 Menschen wurden verletzt. In einem Container entdeckte die Feuerwehr eine Reizgas-Kartusche. Die Polizei geht nicht davon aus, dass das Pfefferspray vorsätzlich versprüht wurde.
Am 27. Februar mussten am Wilhelm-Gymnasium am Klosterstieg drei Erwachsene rettungsdienstlich versorgt werden, nachdem vermutlich im Verwaltungsgebäude Pfefferspray versprüht worden war.
Prien kritisiert: Schulsenator bei dem Thema „viel zu lax“
Wird Reizgas versprüht, folgen Großeinsätze von Polizei und Feuerwehr auf dem Fuß. Jeder einzelne davon dürfte einige Tausend Euro kosten. Doch Täter, die für die Einsätze aufkommen müssten, werden nur selten ermittelt.
CDU-Politikerin Prien will in ihrer Fraktion nun für eine Änderung des Waffengesetzes (Bundesrecht) werben. „Es muss um entsprechende Bestimmungen ergänzt werden, damit auch als Tierabwehrspray gekennzeichnetes Reizgas nicht mehr frei an Kinder verkauft werden darf.“ Sie habe zwar Verständnis dafür, dass Jugendliche zum Eigenschutz Pfefferspray mit sich führen dürfen; die Abgabe müsse aber zwingend kontrolliert werden. Zudem obliege es den Eltern, mit ihren Kindern über einen verantwortungsbewussten Umgang mit Reizgas zu sprechen. Weil häufig Schulen Schauplatz von Pfefferspray-Attacken werden, plädiert Prien zudem für die Einführung einer Meldepflicht. Bisher jedenfalls sei Schulsenator Ties Rabe (SPD) mit dem brisanten Thema „viel zu lax“ umgegangen.