Hamberge. Gemeinde fordert Erhöhung des Walls parallel zum Bau der Elektro-Teststrecke für Lastwagen an der A1. Ministerium hat anderen Zeitplan.

Ob Ministerpräsident Torsten Albig, Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (beide SPD) oder auch Stormarns Landrat Henning Görtz – sie alle sind von dem Projekt begeistert, mit dem die Tür aufgestoßen werden soll zur Verbindung von Mobilität und Energiewende: der Bau einer Oberleitung zur Stromversorgung von Elektro-Lastwagen auf der Autobahn 1 zwischen der Anschlussstelle Reinfeld und dem Kreuz Lübeck bei Hamberge. Die Finanzierung ist gesichert, Anfang 2019 soll der E-Highway befahrbar sein. Also alles paletti? Mitnichten. Es bahnt sich gewaltiger Ärger an. Die Gemeinde Hamberge prüft eine Klage gegen das Land Schleswig-Holstein.

Dabei richtet sich ihr Groll nicht gegen die technische Innovation. Vielmehr fordert sie im Zuge der Arbeiten, den Lärmschutz an der A 1 zu verbessern. Möchte, dass der drei Meter hohe Sandwall Richtung Lübeck auf einem rund 954-Meter-Abschnitt mit Wänden aufgestockt wird, sodass fünf bis sechs Meter erreicht werden. „Wir kämpfen seit Jahren für Lärmschutz und haben einen Rechtsanspruch darauf“, sagt Hamberges Bürgermeister Paul Friedrich Beeck (CDU). Er beziehe sich auf die Planfeststellung von 1988 und den dazugehörigen Ausbau der Autobahn von zwei auf drei Spuren. „Der vorhandene Schutz entspricht den Richtlinien von vor 30 Jahren und ist nicht mehr zeitgemäß“, sagt Beeck.

Hamberges Politiker haben die Warterei satt

Demnächst verjährt laut dem Christdemokraten der Rechtsanspruch. „Deshalb nehmen wir uns einen Anwalt und erwägen eine Klage gegen das Land.“ Dieses Szenario möchte Stormarns Landrat verhindern. Henning Görtz sagt: „Alles was quer läuft, zum Beispiel eine Klage, könnte für Verzögerungen beim E-Highway sorgen.“ Für ihn sei das ein Leuchtturmprojekt. Und er habe großes Interesse daran, dass es umgesetzt werde. Der Landrat hat den Hambergern versprochen, sich für den Ausbau des Lärmschutzes beim Land einzusetzen. In vertraulicher Runde sprach Görtz darüber jetzt mit Staatssekretär Frank Nägele und Stefan Wulf, Direktor des Amtes Nordstormarn, zu dem Hamberge gehört.

„Laut dem Ministerium besteht kein technischer Zusammenhang zwischen den beiden Maßnahmen, man kann den Lärmschutz auch nach der Stromleitung machen“, so Görtz. Hamberges Politiker haben die Warterei satt. „Der Schutz wurde uns in den vergangenen Jahren immer wieder versprochen, auch von der früheren Ministerpräsidentin Heidi Simonis“, klagt Beeck.

Bund gab Ende 2015 grünes Licht für besseren Lärmschutz

Dabei hatten die Hamberger insbesondere 2010 große Hoffnungen, dass ihr Wunsch in Erfüllung geht. Der Bürgermeister der 1600-Einwohner-Gemeinde berichtet von einer Umweltverträglichkeitsstudie, deren Gültigkeit nach zwei Jahren jedoch abgelaufen sei. Pläne für den Lärmschutz, die das Land hat anfertigen lassen, liegen dem Abendblatt vor. Ende 2015 gab der Bund grünes Licht. Er ist für die Finanzierung zuständig.

„Die weitaus größere Herausforderung bestand und besteht seither aber vor allem in der abschnittsweisen Sanierung auf diesem Abschnitt. Darum hat das Land die Priorität zunächst darauf gesetzt“, sagt Ministeriumssprecher Harald Haase. In vier bis fünf Jahren soll Hamberge eine eigene Autobahn-1-Anschlussstelle bekommen. „Ich rechne damit, dass der Lärmschutz etwas früher kommen könnte“, sagt Staatssekretär Frank Nägele.

Eine der zwei Teststrecken entsteht in Stormarn

Wesentlich schneller soll es beim E-Highway vorangehen, bis Ende 2018 die rechte Fahrspur auf rund sechs Kilometern in beiden Richtungen umgebaut werden. Die Kosten in Höhe von rund 14 Millionen Euro übernimmt der Bund. Einen Förderbescheid für das Pilotprojekt bekam Ministerpräsident Albig Anfang Februar überreicht. Er ist Voraussetzung, damit die Arbeiten ausgeschrieben werden können.

In Stormarn entsteht damit eine von zwei Teststrecken in Deutschland. Das Bundesumweltministerium fördert das Projekt mit dem Ziel, Güter umweltfreundlich auf der Straße zu transportieren. So kommen die Lastwagen abgasfrei vorwärts, wenn der Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wind- oder Wasserkraft stammt. Außerdem machen sie deutlich weniger Lärm als Fahrzeuge mit Dieselmotoren.

Geplant ist, dass bis zu fünf Lastwagen mit Stromabnehmern zwischen Reinfeld und dem Lübecker Hafen hin- und herpendeln. Als Partner hat das Ministerium die Reinfelder Spedition Bode ausgewählt. Das Logistikunternehmen ist unter anderem für den Discounter Lidl unterwegs, der seine skandinavischen Filialen über Lübeck beliefert. Am dortigen Hafen kann die Ware auf Züge umgeladen und ebenfalls elektrisch weiterbefördert werden. Das Kieler Ministerium rechnet mit Bauarbeiten „im überschaubaren Rahmen“, um die Masten am Fahrbahnrand aufzustellen und die Stromleitungen zu ziehen. Zeitweise müssen laut Haase auch Spuren gesperrt werden.