Reinfeld. Bund baut zwischen Reinfeld und Kreuz Lübeck bei Hamberge Oberleitungen an Teststrecke für Lastwagen. Betrieb soll Ende 2018 beginnen.
Die A 1 bekommt in Stormarn eine Oberleitung zur Stromversorgung von Elektro-Lastwagen. Das Bundesumweltministerium richtet eine von zwei Teststrecken in Deutschland zwischen der Anschlussstelle Reinfeld und dem Kreuz Lübeck bei Hamberge ein. Die rechte Fahrspur muss auf rund sechs Kilometern in beiden Richtungen umgebaut werden. Die Gesamtkosten von schätzungsweise 14,2 Millionen Euro übernimmt der Bund.
Schon Ende 2018 sollen die ersten Oberleitungs-Lkw durch Stormarn rollen. „Mit dem Projekt E-Highway stoßen wir die Tür auf zur Verbindung von Mobilität und Energiewende“, sagt Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD). Der Praxistest soll zeigen, ob es sich lohnt, Straßen zu elektrifizieren.
Reinfelder Spedition setzt bis zu fünf Spezial-Lkw ein
Die Autofahrer auf der Strecke Hamburg–Lübeck müssen für die neue Strom-Autobahn erst einmal Beeinträchtigungen in Kauf nehmen. Das Kieler Ministerium rechnet mit Bauarbeiten „im überschaubaren Rahmen“, um die Masten am Fahrbahnrand aufzustellen und die Stromleitungen zu ziehen. „Aber sich müssen zeitweise auch Spuren gesperrt werden, da die Baufahrzeuge Platz brauchen“, sagt Ministeriumssprecher Harald Haase.
Bisher liege eine mündliche Zusage für das Millionenprojekt von der Bundesregierung vor. „Wir warten jetzt auf den schriftlichen Förderbescheid“, sagt Haase. Danach können die Arbeiten ausgeschrieben werden.
Geplant ist, dass bis zu fünf Lastwagen mit Stromabnehmern zwischen Reinfeld und dem Lübecker Hafen hin- und herpendeln. Als wichtiger Partner hat das Ministerium die Reinfelder Spedition Bode ausgewählt. Das Logistikunternehmen hat rund 24 Mitarbeiter und ist unter anderem für den Discounter Lidl unterwegs, der seine skandinavischen Filialen über Lübeck beliefert. Am dortigen Hafen kann die Ware auf Züge umgeladen und ebenfalls elek-trisch weiterbefördert werden.
Stormarns Kreisverwaltung steht dem Projekt positiv gegenüber
Im Gegensatz zu Akkus sind mit den Stromleitungen grundsätzlich auch Fahrten über lange Strecken möglich. Das Bundesumweltministerium fördert das Projekt mit dem Ziel, Güter umweltfreundlich auf der Straße zu transportieren. So kommen die Lastwagen abgasfrei vorwärts, wenn der Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wind- oder Wasserkraft stammt. Außerdem machen sie deutlich weniger Lärm als die konventionellen Fahrzeuge mit Dieselmotoren.
Die Stormarner Kreisverwaltung steht dem Pilotprojekt positiv gegenüber. „Wir sind vom Staatssekretär aus Kiel informiert worden“, sagt Landrat Henning Görtz, „und werden in die Umsetzung mit eingebunden.“ Das Vorhaben klinge sehr interessant. Görtz: „Ob es der Weg in eine umweltfreundliche Zukunft ist, wird sich dann ja zeigen.“
In Deutschland erprobt aktuell einzig der Siemens-Konzern die sogenannte Hybridfahrzeuge auf dem abgesperrten ehemaligen Flugplatz Templin/Groß Dölln in Brandenburg. Sensoren auf dem Dach sorgen dafür, dass der Stromabnehmer die Oberleitung bei Geschwindigkeiten bis zu 90 Kilometern pro Stunde trifft, ohne sie zu zerstören. Bis zu zwei Kilometer lange Teststrecken gibt es in Schweden (E 16 nördlich von Stockholm) und Kalifornien. In der Schweiz sind zudem Oberleitungsbusse verbreitet, zum Beispiel in der Innenstadt von Zürich.
Alle Autofahrer können die Spur wie gewohnt nutzen
Für den Praxistest zur Bewältigung des wachsenden Güterverkehrs ohne steigende Umweltbelastung hatte das Bundesumweltministerium jetzt „reale Lieferstrecken“ von Speditionen gesucht. Die zweite Route liegt in Hessen. Für alle anderen Autofahrer ändert sich auf den Autobahnabschnitten voraussichtlich nichts. Sie können alle Fahrspuren wie bisher nutzen.
Dass Schleswig-Holstein den Zuschlag bekommen hat, erfreut den Ahrensburger Landtagsabgeordneten Tobias von Pein. „Eine Innovation, die im Energiewendeland Nummer eins nicht besser aufgehoben sein könnte und dazu beiträgt, dass wir unser Ziel erreichen, Atomenergie und fossilen Energieträger vollständig zu ersetzen“, sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der Landtagsfraktion. Stormarn bekomme eine gute Chance zu zeigen, „dass wir auch im Bereich von Innovationsförderung ganz weit vorn sind“.
Nach Berechnungen von Siemens senkt ein 40-Tonner auf einer E-Highway-Strecke von 100.000 Kilometern seine Kraftstoffkosten um 20.000 Euro. Würden 30 Prozent des Lkw-Verkehrs auf deutschen Autobahnen elektrifiziert, könnten sechs Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO2) im Jahr gespart werden. Das ist in etwa so viel, wie 600.000 Menschen in Deutschland verursachen.