Ahrensburg. Die Deutsche Bahn legt Planung für Gleisquerung im Tunnteltal vor – die Stadt muss mit hohen Investitions- und Folgekosten rechnen.
Der Bauausschuss in Ahrensburg wird sich am 5. April mit einer Beschlussvorlage beschäftigen, die zwiespältige Gefühle auslösen dürfte. Einerseits könnte der neue Entwurf für eine Brücke als Bahnquerung am Braunen Hirsch die Stadt wunschlos glücklich machen, denn es wurden die Bedenken Ahrensburgs berücksichtigt und das Bauwerk scheint allen Vorstellungen zu entsprechen. Trotzdem hat die Stadt gute Gründe, sich Sorgen zu machen. Die Vorlage zeigt nämlich auch, dass die Stadt nichts geschenkt bekommt, sondern in Zusammenhang mit dem Jahrhundertprojekt Fehmarnbeltquerung und Bau der S 4 erhebliche finanzielle Lasten wird tragen müssen.
Die Bahn hatte 2015 in ihrer ersten Planung die kostengünstigste Lösung gewählt, um an Stelle des schon jetzt hemmenden und künftig nicht mehr praktikablen beschrankten Bahnübergangs am Braunen Hirsch eine Brücke zu bauen: Zwei Erddämme sollten bis an die Bahnlinie heranführen, um nur noch eine kurze Distanz zu überbrücken. Die Planer sahen jedoch rasch ein, dass dieser massive Baukörper nicht durchsetzbar sein würde, weil er nicht nur vehementen Widerstand in Ahrensburg provozierte, sondern auch unvereinbar war mit den Anforderungen, die Archäologie und Naturschutz im Tunneltal stellen.
Ideale Lösung fürs Tunneltal ist eine Netzwerkbogenbrücke
Die Bahn hat danach im Eilzugtempo vier Brückenvarianten durchgespielt, die den Wünschen Ahrensburgs und den Anforderungen von Grabungsstätten und Naturschutz entsprechen. Die Abwägung brachte ein eindeutiges Ergebnis: Nur eine sogenannte Netzwerkbogenbrücke soll in Frage kommen, weil sie die kostengünstigste Alternative wäre und wegen ihrer lichten Struktur die mit dem Landschaftsbild verträglichste. Eine Visualisierung dieser Idee gibt es zwar noch nicht, jedoch viele bekannte Netzwerkbogenbrücken. Ein Beispiel im großen Maßstab wäre die Fehmarnsundbrücke.
Entsprechend der aktuellen Planung hätte die Brücke am Braunen Hirsch eine Länge von 117,40 Meter, am höchsten Punkt des Bogens wäre die Konstruktion 16,93 Meter hoch, die Widerlager an den Enden des Bogens wären 9,39 Meter beziehungsweise 5,99 Meter hoch. Der Anpassungsbereich, in dem die Straße auf das Höhenniveau der Brücke gebracht wird, könnte etwa 660 Meter betragen.
Die Brücke soll rund 10,4 Millionen Euro kosten
In der Aufzählung der Vorteile dieser Konstruktion nennen die Planer die geringe Bauhöhe, kaum Beeinträchtigung der archäologischen Fundplätze und sensiblen Naturbereiche, das filigrane Hängenetz, das nahezu uneingeschränkten Blick bei der Überquerung erlaubt, und – last not least – die im Vergleich niedrigsten Baukosten.
Niedrig ist allerdings ein relativer Begriff. Erste Kostenschätzungen gehen davon aus, dass die Brücke selbst rund 10,4 Millionen Euro kosten wird und der Bau der Straße weitere 7,9 Millionen Euro. Was den meisten Ahrensburgern vermutlich noch nicht bewusst ist: Ihre Stadt wird ein Drittel der insgesamt 18,3 Millionen Euro tragen müssen. Bund und Land übernehmen die anderen beiden Drittel.
Investitionen würde Ahrensburgs Haushalt überfordern
Auf Entlastung seines zurzeit auf 6,1 Millionen Euro geschätzten Anteils wird Ahrensburg wahrscheinlich nicht hoffen können. In der Beschlussvorlage der Verwaltung für den Bauausschuss am 5. April heißt es: „In früheren Eisenbahnkreuzungsmaßnahmen konnten Fördermittel nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz für den städtischen Anteil beantragt werden (bis zu 75 Prozent). Diese Förderung wird es bei Abschluss der Eisenbahnkreuzungsvereinbarung aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr geben; eine kurzfristige Lösung wurde nicht in Aussicht gestellt.“
Allein schon der Anteil an den Investitionen, der kaum vor 2027 fällig würde, dürfte Ahrensburgs Haushalt überfordern. Noch schwerer wiegen allerdings die Folgekosten für Unterhaltung und Sanierung der Anlagen, die von der Stadt allein getragen werden müssten. „Man kann davon ausgehen, dass alle 15 Jahre für die Instandhaltung der Brücke ein neuer Anstrich nötig ist. Das Einrüsten und Anstreichen mit all den Vorschriften und Restriktionen, die dafür bei einem solchen Bauwerk gelten, kann locker einige Hunderttausend Euro kosten“, sagt Stephan Schott. Der Leiter des Tiefbauamtes in Ahrensburg fügt hinzu: „Das ist eine Hypothek für künftige Generationen.“
Projekt birgt eine Drohkulisse für den Haushalt der Stadt
Wohlgemerkt: Die Brücke am Braunen Hirsch ist nur eine von sieben Bahnquerungen auf Ahrensburger Gebiet. Die anderen sind zwar weniger aufwendig und zum Teil nur für Fußgänger gedacht, doch Kosten und Folgekosten werden auch sie verursachen. Das gleiche Problem stellt sich übrigens beim Lärmschutz. Ahrensburgs Investitionsanteile und Folgekosten werden sich also summieren. Berechenbar sind die Lasten noch nicht, sie erscheinen aber als gewaltige Drohkulisse für den Haushalt der Stadt.
Ahrensburg scheint jedoch keine Wahl zu haben. Der Bahnausbau folgt übergeordneten Interessen der Länder, so dass den Kommunen nichts anderes übrig bleibt als mitzumachen. Verständlich, dass die Stadt in den Details mitsprechen will, um sie in ihrem Sinne zu gestalten. Doch das kann die einzelnen Bauprojekte für sie erheblich verteuern. Denn auch beim Bahnausbau gilt: Wer bestellt, der muss auch dafür zahlen. Bürgermeister Michael Sarach empfiehlt den Fraktionen in Ahrensburg bei der Brücke am Braunen Hirsch, den Bahn-Entwurf zu beschließen. „Es ist wichtig, dass wir als Stadt klar sagen, was wir wollen. Und der vorgelegte Brückenentwurf entspricht unseren Vorstellungen. Ein klares Votum der Politik wäre also wichtig.“
Herbst 2017: Bahn gibt Planungsunterlagen weiter
Ein solcher Beschluss würde das weitere Verfahren erleichtern. Im Herbst 2017 wird die Bahn ihre Planungsunterlagen an die Landesbehörde weitergeben, in diesem Fall an den Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBVSH). Bis die Vollständigkeitsprüfung dort abgeschlossen sei, könne durchaus ein halbes Jahr vergehen, sagt Maja Weihgold, Sprecherin Großprojekte Kommunikation Infrastruktur der Deutschen Bahn AG. Danach würde der Plan ausgelegt und die Träger öffentlicher Belange, darunter die Stadt Ahrensburg, werden etwa einen Monat lang Zeit haben, ihre Einwände zu formulieren.
Stephan Schott vom Tiefbauamt der Stadt weiß schon jetzt, dass die Verwaltung in Ahrensburg im Frühjahr 2018 gut zu tun haben wird: „Wir werden eine halbe Schrankwand an Unterlagen sichten müssen.“