Trittau. Bei einer Podiumsdiskussion in Trittau nahmen Gymnasiasten sechs Politiker in die Pflicht. Auch danach gab es großen Redebedarf.

„Eigenverantwortlicher Unterricht ist kein Ersatz für ausgefallene Stunden.“ Diese Kritik äußert ein Schüler in Richtung Podium. „Frontalunterricht will aber auch niemand mehr“, entgegnet der SPD-Landtagsabgeordnete Tobias von Pein diskussionsfreudig. Er ist mit den Politikern Lukas Kilian (CDU), Anita Klahn (FDP), Malte Harlapp (Grüne), Heidi Beutin (Linke) und Christoph Andresen (SSW) zu einer Diskussionsrunde ins Gymnasium Trittau gekommen.

Es geht hoch her zwischen den 200 Schülern und sechs Politikern. Das zeigt sich besonders bei den Themen Unterrichtsausfall und Verkürzung der Gymnasialzeit (G8). „Es fallen mehr Stunden aus, als durch die Verkürzung auf G8 dazugekommen sind“, meint ein Schüler. Allerdings fällt der Unterricht, zum Beispiel wegen Krankheit eines Lehrers, nicht formal aus, sondern die Schüler sollen eigenverantwortlich arbeiten – genannt EVA. „Da bekommen wir ohne Einführung in das Thema Aufgaben, die häufig hinterher gar nicht kontrolliert werden“, beschreibt ein Gymnasiast seine Erfahrung.

Schulleiter fordert Lehrkräfte als Springer

Von Pein hört das zum ersten Mal, ihm werde von guten Erfahrungen an anderen Schulen berichtet. Die Schüler quitteren das mit einem Lachen. Lukas Kilian, der für die CDU im Kreistag sitzt, nennt EVA einen „Taschenspielertrick der Regierung.“ In diesen Stunden hätte er auch nicht „eigenverantwortlich gearbeitet“.

Fast gleich alt (v.l.): Grünen Politiker Malte Harlapp (20) mit Leonard Arndt und Christopher Harndtke (beide 18)
Fast gleich alt (v.l.): Grünen Politiker Malte Harlapp (20) mit Leonard Arndt und Christopher Harndtke (beide 18) © HA | Marc R. Hofmann

Schulleiter Edgar Schwenke fordert: „Wir brauchen Lehrkräfte als Springer, um Krankheitsfälle kompensieren zu können.“ Dazu müsste die Anzahl der Lehrer so hoch sein, dass fünf Prozent der Stunden in Reserve vorgehalten werden könnten. „Doch dazu reicht unser Budget nicht.“ Malte Harlapp, dessen Grüne Partei in Kiel mit den Sozialdemokraten und dem Südschleswigschen Wählerverband regiert, verteidigt die Schulpolitik der Koalition. Er sagt: „Der Lehrerberuf hat im Moment keinen guten Ruf. Gerade in den technisch-naturwissenschaftlichen Fächern suchen wir Personal.“ Außerdem könnten die Politiker den Schulen „nicht bis ins Detail vorschreiben, wie sie ihren Unterricht zu machen haben“.

Schülerin beklagt Nachteile der verkürzten Schulzeit

Andresen vom SSW tritt ebenfalls für die Reform ein, durch die Gemeinschaftsschulen in neun und Gymnasien in acht Jahren zum Abitur führen. „Das System läuft jetzt, das Umstellungschaos wollen wir nicht wieder“. Die FDP fordere eine Wahlfreiheit auch an Gemeinschaftsschulen, so Anita Klahn.

Für die Jugendlichen bringe die kurze Schulzeit Nachteile, moniert eine Schülerin. „Viele von uns können nicht ins Ausland gehen, weil sie dafür einfach zu jung sind.“ Ihr Eindruck sei eher, dass die Politik sie zügig aus der teuren Schule in den Arbeitsmarkt schicken wolle. Während Harlapp in Angeboten wie dem Bundesfreiwilligendienst, den er gerade selbst absolviert, eine Alternative zum Sammeln von Erfahrung sieht, ist die Aussage eine Steilvorlage für Linken-Politikerin Beutin: „Wir setzen uns für eine längere Schulzeit für alle und eine Rücknahme der Bologna-Reform ein“. Mit dieser waren die stärker verschulten Bachelor-Studiengänge eingeführt worden.

Lob der Schüler: Klare Worte der Konservativen

Nach der Podiumsdiskussion besteht immer noch Redebedarf. Schüler umzingeln die Politiker. Leonard Arndt und Christopher Harndtke, mit ihren 18 gerade mal zwei Jahre jünger als Malte Harlapp und Christopher Andresen, wollen über Energiepolitik sprechen. „Bundespolitik interessiert mich mehr“, meint Arndt. Beide sympathisieren mit den Grünen, während Melina Vorwald (19) und Leonie Cortnomme (18) der CDU zuneigen: „Ich habe mich bei den Beispielen aus seiner eigenen Schulzeit von Lukas Kilian angesprochen gefühlt“, sagt Leonie.

Freundin Melina findet die Diskussion „aktuell und facettenreich“. Sie gesteht, sich bisher kaum für Politik interessiert zu haben. Die Position und die klaren Worte des Konservativen hätten ihr gefallen, „Unterrichtsausfall und die Debatte um Rückkehr zu G9 sind Themen, die uns angehen“. Wie eine Politikerin formulieren kann sie jedenfalls schon.