Hamburg. Bislang profitierte die Gemeinde aus Südstormarn von einer Sonderregelung. Doch jetzt sind Kinder durch neues Abkommen im Nachteil.

Das im Sommer 2016 geschlossene Gastschulabkommen zwischen Hamburg und Schleswig Holstein sollte für eine freie Schulwahl im Speckgürtel rund um die Hansestadt sorgen. Doch nun werden Schulkinder aus Barsbüttel (Schleswig-Holstein) durch die zum 1. Januar in Kraft getretene Vereinbarung benachteiligt. Fünf Familien aus der Südstormarner Gemeinde haben wegen zu hoher Anmeldezahlen eine Ablehnung vom Hamburger Charlotte-Paulsen-Gymnasium bekommen. In allen Fällen sind Geschwisterkinder betroffen.

Für die Barsbütteler Kinder galt zuvor eine Sonderregelung, da die Gymnasien in Hamburg für sie besser zu erreichen sind als die in den Nachbarkommunen Glinde oder Reinbek. „Mit dieser ,Lex Barsbüttel‘ wurden sie den Hamburger Kindern gleichgestellt. Für sie galt deshalb auch das Hamburger Schulgesetz“, sagt der Rechtsanwalt Thomas Uebach, selbst von der Ablehnung betroffener Vater aus der Südstormarner Gemeinde.

Zuerst sind Härtefälle zu berücksichtigen

Sein Vorwurf: Wird eine Schule besonders stark von Hamburger Kindern angewählt, dann kommen die schleswig-holsteinischen Schüler nicht mehr zum Zug, auch wenn sie ältere Geschwister dort haben. Denn im Gastschulabkommen ist nun festgeschrieben, dass Hamburger Kinder stets Vorrang bei der Platzvergabe haben.

Eine Anweisung der Schulbehörde an die Schulleitungen regelt, wie im Falle nicht ausreichender Plätze in Klassenstufe 5 eigentlich vorzugehen ist: Zuerst sind Härtefälle zu berücksichtigen, zweite Priorität haben Geschwisterkinder und als drittes Kriterium gilt die Länge des Schulwegs. Doch diese Anweisung greift in Falle der Barsbütteler Geschwister nicht. Peter Albrecht, Sprecher der Hamburger Schulbehörde, bestätigt das.

„Für unsere Jüngste bricht eine Welt zusammen“

Er sagt: „Da nun grundsätzlich eine Aufnahme für Kinder aus Schleswig-Holstein in Jahrgang fünf und Jahrgang elf möglich ist, entfällt die bisherige Sonderregelung für Barsbüttel.“ Nur wenn nach der Aufnahme aller Hamburger Schüler noch freie Plätze vorhanden sind, dann gelten für die Annahme oder Ablehnung von Gastschülerkindern die Kriterien des Hamburgischen Schulgesetzes wie Härtefall, Geschwisterkind und Entfernung.

Für Birgit und Olaf Schulz ist die Absage ein Schock. Beide sind berufstätig und fragen sich, wie sie die unterschiedlichen Ferienzeiten künftig mit ihrer Arbeit vereinbaren sollen. „Für unsere Jüngste bricht eine Welt zusammen. Es ist für uns unverständlich, wie es zu solch einer Entscheidung kommen kann, die das ganze Familienleben in Mitleidenschaft zieht“, sagt die Mutter von drei Töchtern.

Erweiterung der Kapazitäten sei nicht vorgesehen

Die beiden Älteren, 15 und 13 Jahre alt, gehen in die 10. und 7. Klasse des Charlotte-Paulsen-Gymnasiums. Die Jüngste ist zehn und sollte im Sommer folgen. Zum „Tag der offenen Tür“ hatte sie, wie die anderen Geschwisterkinder aus Barsbüttel, noch eine persönliche Einladung der Schule erhalten, in der diese mit der Aufnahmesicherheit warb. „Wir sind davon ausgegangen, dass das mit dem neuen Gastschulabkommen kein Problem sein würde“, sagt der Vater.

„Wir bedauern es außerordentlich, falls es im Rahmen der Anmeldung offenbar an Schulen zu Irritationen gekommen sein sollte“, sagt Peter Al­brecht. Insbesondere an drei Wandsbeker Gymnasien (Charlotte-Paulsen-Gymnasium, Matthias-Claudius-Gym­-nasium und Gymnasium Marienthal) würden aufgrund der traditionell hohen Anmeldezahl auch Hamburger Schüler abgewiesen. Dementsprechend können Schüler aus Schleswig-Holstein auch keine Aufnahme finden. Eine Erweiterung der Kapazitäten sei nicht vorgesehen.

Geschwisterkinder abgewiesen

„Keine Hamburger Schule kann gezwungen werden, wegen Barsbütteler Kindern anzubauen“, sagt Martin Habersaat, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein. Die Eltern müssten allerdings dennoch nicht auf einen Platz in Hamburg verzichten. Es sei möglich, eine andere Schule als das Wunschgymnasium auszuwählen.

Würde bei knappen Schulkapazitäten nicht das Wohnortprinzip gelten, hätten auch Schüler aus dem Barsbütteler Ortsteil Stellau Nachteile gegenüber jenen aus Hamburg-Jenfeld, wenn es etwa um den Besuch der Barsbütteler Erich-Kästner-Gemeinschaftsschule ginge. Dass Geschwisterkinder abgewiesen werden, wundere aber auch ihn. Habersaat hat das Bildungsministerium gebeten, „in diesen Fällen nach einer Lösung zu suchen“.

Größten Zulauf am Luisen-Gymnasium

Nicht nur in Barsbüttel, auch in Norderstedt, Schenefeld oder Wentorf ist der Anteil an Gastschülern, die in Hamburg zur Schule gehen, hoch. Beliebt sind Schulen im Stadtstaat vor allem dann, wenn sie näher am Wohnort der Umlandkinder liegen als die dortigen. Nach Angaben der Hamburger Schulbehörde haben sich 217 Kinder aus dem nördlichen Nachbarland in der laufenden Anmelderunde für die fünfte Klasse einer weiterführenden Schule in der Metropole angemeldet. Damit haben knapp zwei Prozent der 13.700 angehenden Fünftklässler ihren Wohnsitz in Schleswig-Holstein. Den größten Zulauf von Gastschülern gibt es am Luisen-Gymnasium (23) in Bergedorf.