Reinbek. Helfer halten Beschluss der Politik, die Hilfsfristen an alternativen Wachen-Standorten erneut zu überprüfen, für „unverantwortlich“.
Die Reinbeker Feuerwehrleute haben im jahrelangen Streit um den Neubau einer Wache die Füße still gehalten, nach außen immer mit Bedacht kommuniziert. Doch allmählich scheint die Geduld der Helfer am Ende zu sein. Ortswehrführer Andreas Wollny wird seine Kameraden jedenfalls nicht dazu ermuntern, einer Vorgabe der Politik zu folgen.
Konkret geht es um sogenannte Alarmfahrten zu Testzwecken. Das ist der Auftrag, der in der vergangenen Stadtverordnetenversammlung an die Verwaltung ging. Die Mehrheit der Politiker hatte dafür gestimmt, den Beschluss, am Mühlenredder ein neues Gerätehaus zu bauen, bis zum 31. März 2017 auszusetzen. Jetzt sollen ein großer Fakten-Check gemacht und wieder Alternativstandorte geprüft werden, die schon einmal durchgefallen sind.
Forderung nach Test-Alarmfahrten sei „unverantwortlich“
Dazu gehören auch Test-Alarmfahrten, die bereits vor drei Jahren von der Wehr organisiert wurden. „Ich sehe keine rechtliche Grundlage für Zeitmessfahrten mit Sonder- und Wegerecht“, sagt Wollny. „Ich würde nie einem Ehrenamtlichen raten, diese zu machen“, so der Ortswehrführer. Das sei zu gefährlich, fahrlässig und unverantwortlich von der Politik, so etwas zu fordern. „Wenn es bei den Tests zu einem Unfall kommt, wird der Fahrer zur Verantwortung gezogen“, sagt Andreas Wollny. Dieser Gefahr will er seine Kollegen nicht aussetzen.
Konkret soll bei den Alarmfahrten geprüft werden, ob die Hilfsfrist eingehalten wird. Zehn Minuten nach Alarmierung muss die Wehr jeden Teil von Alt-Reinbek erreichen können. „Das ist eine bindende Verwaltungsvorschrift und in einem Organisationserlass des Landes Schleswig-Holstein festgeschrieben“, sagt Jörg Reimann, bei der Kreisverwaltung in Bad Oldesloe für die Feuerwehraufsicht zuständig.
Neue Erkenntnisse bringen die Tests laut Reimann nicht
Er war auch dabei, als die Feuerwehr 2013 die Strecken testete. Unter anderem von den Standorten Kampsredder und dem Betriebshof an der Hermann-Körner-Straße, die von der Politik jetzt wieder ins Auge gefasst werden. „Diesmal werde ich es ablehnen, mich in ein Feuerwehrauto zu setzen“, so Reimann. „Ich sehe nicht ein, meine Schulaufgaben noch einmal zu machen.“ Es werde nichts anderes herauskommen als damals, die Hilfsfrist sei von dort aus nicht einzuhalten. „Für die jetzt angeforderten Alarmfahrten zu Testzwecken habe ich null Verständnis.“ Reimann verweist auf ein Modul auf der Internetseite der Landesfeuerwehrschule, mit dessen Hilfe der Faktor Hilfsfrist berechnet wird. Auch dort sei kein anderes Ergebnis herausgekommen. Teile der Politik liebäugeln jedoch damit, Veränderungen an den Straßen vorzunehmen, damit die Wehr schneller ist.
Die Hilfsfrist gliedert sich in drei Bereiche: die Gesprächs- und Dispositionszeit in der Feuerwehreinsatzstelle, wofür ein Zeitaufwand von zwei Minuten kalkuliert wird. Dabei wird entschieden, wie viele Helfer, die durch einen Pieper in Kenntnis gesetzt werden, ausrücken. Für die Fahrt von Wohnung oder Arbeitsstätte zur Wache inklusive Umziehen bleiben den Ehrenamtlichen vier Minuten – genauso wie für den Weg von dort zur Einsatzstelle.
Reinbeks Ortswehr zählt derzeit 78 Mitglieder
Sowohl beim Kampsredder als auch dem Betriebshof ist laut Wollny schon die Anfahrt der Feuerwehrleute vom Wohnort aus ein Grund, weshalb die Zehn-Minuten-Vorgabe nicht einzuhalten ist. „Ich benötige bis zum Kampsredder sechs Minuten, wäre damit wie viele meiner Kollegen raus.“ Die Wehr hat 78 Mitglieder. Zum Betriebshof im Gewerbegebiet liefert Reimann entsprechende Zahlen: „Im Umkreis von 900 Metern lebt kein Feuerwehrmann.“ Zwar sind die Helfer ob ihrer beruflichen Verpflichtungen nicht dauerhaft von zu Hause aus für Feuerwehreinsätze abrufbar, wohl aber für die Mehrzahl der Stunden eines Tages.
Die Möglichkeit, dass viele Kameraden einer Wache hinterherziehen, schließt Wollny aus: „Wir sind kein Zoo, wo man überschüssige Tiere von A nach B verfrachtet.“ Außerdem hätten Feuerwehrleute auch Wohneigentum. Die Helfer halten den Mühlenredder für den idealen Standort. Nicht nur, weil viele von ihnen in unmittelbarer Nähe wohnen. „Sondern auch, weil die Chancen, dort eine Bleibe zu finden, vorhanden sind“, sagt Wollny.
Standort am Mühlenredder war den Politikern zu teuer
Nach jahrelangem Gezanke hatten die Politiker im April 2014 den Grandplatz am Mühlenredder als Standort für den Wachenbau beschlossen. Auch für einen Gebäude-Entwurf stimmten sie. Jetzt distanzieren sich die meisten Entscheidungsträger wieder von der Fläche. Der Grund: Das Projekt ist ihnen dort zu teuer. Neben dem Gebäude für rund sieben Millionen Euro sollte die TSV Reinbek als Ausgleich einen Kunstrasenplatz für rund eine Million Euro bekommen. Auch die Straße müsste umgebaut werden. Einige Politiker rechnen mit mehr als zehn Millionen Euro.
Jetzt soll auch erneut untersucht werden, ob der aktuelle Standort an der Klosterbergenstraße – die Wache weist erhebliche Sicherheitsmängel auf – beibehalten werden kann. Für nun vier Standorte inklusive Mühlenredder soll die Verwaltung eine Übersicht erstellen, aus der hervorgeht, was der jeweilige Bau kostet. Diese Beträge sollen nach Kriterien wie „Kauf eines Grundstücks“ oder „Abriss vorhandener Gebäude“ aufgeschlüsselt werden.
Bauamtsleiter will noch einmal mit Politikern reden
Zudem sprachen sich die Politiker für mindestens drei Testfahrten zu unterschiedlichen Zeiten je Standort aus. „Optional sind alternative Fahrzeuge möglich“, heißt es im Beschlusstext. Und weiter: „Einsatz von GPS-Tracker und Frontkamera zur besseren Ermittlung von möglichen Hindernissen und zur Optimierung von verkehrlichen Maßnahmen.“
Reinbeks Bauamtsleiter Sven Noetzel sagt, der Beschluss sei kein klarer Arbeitsauftrag. Es gehe um Formulierungen. „Bei den Fahrten und dem GPS-Tracker gibt es noch Klärungsbedarf“, so Noetzel. In den kommenden zwei Wochen will er mit der Politik darüber reden. Vor Kurzem hatten sich Noetzel und Bürgermeister Björn Warmer mit Ortswehrführer Wollny sowie Gemeindewehrführer Karsten Hein zu diesem Thema zusammengesetzt.
SPD-Fraktionschef Volker Müller sagt über die erneute Prüfung der Standorte: „Wir wollen uns das alles neutral und wertfrei angucken.“ Der Sozialdemokrat ist ein Befürworter des Mühlenredders. Viele in seiner Partei denken anders. Müller: „Es wird Zeit, dass das Genörgel hinter verschlossenen Türen aufhört.“