Ahrensburg. Erkenntisse durch Ausgrabungen weisen auf Gewässer mit möglicher Verbindung zum Meer hin. Politik diskutiert Museum im Alten Speicher.
Das Gebiet um das Ahrensburger Tunneltal und Stellmoor ist ein archäologischer Hotspot. Das zeigte sich schon durch die Grabungen des bekannten deutschen Prähistorikers Alfred Rust in den 30er-Jahren. Damals hob der gebürtige Ahrensburger Rentierknochen aus – eine Sensation. Erneute Grabungen im vergangenen Jahr befeuern die Diskussionen um ein Tunneltal-Museum für Ahrensburg, das sich mit der steinzeitlichen Geschichte des heutigen Stadtgebietes befasst. Es könnte der Stadt ein weiteres Alleinstellungsmerkmal bescheren.
Positive Signale kommen nun auch vom Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein. „Wir können so etwas natürlich nicht entscheiden“, sagt Ingo Clausen, der in der Stadtbücherei die Zwischenergebnisse eines Grabungs-Teams vorstellte. „Aber das Tunneltal ist aus archäologischer Sicht ein ungeheurer Schatz, der eine Nachbearbeitung verdient hat“, so der Archäologe. Die Vermittlung der spannenden Geschichte könne natürlich in Form eines Museums geschehen. Dass dort auch originale Fundstücke ausgestellt werden, hält er für unnötig. „Es sollte nicht darum gehen, einmal ein altes Artefakt in der Hand zu haben. In einem Museum sollte die Geschichte vermittelt werden“, sagt der Experte. „Dazu brauche es keine alten Steine, sondern eher anschauliche, vielleicht multimediale Darstellungen.“
Ingo Clausen ist der archäologische Leiter der neuen Grabungen, die im vergangenen Jahr im Tunneltal im Rahmen der S-4-Planungen angestrengt wurden. Derzeit wertet das Landesamt die Bedeutung der gefundenen Artefakte aus und erstellt für die Deutsche Bahn einen Fachbeitrag, dessen Ergebnisse später bei der Erstellung der Baupläne berücksichtigt werden müssen. Schon während der Arbeiten zeichnete sich ein noch genaueres Bild der großen internationalen Bedeutung des unscheinbar wirkenden Areals im Ahrensburger Süden: Dicht an dicht liegen die Artefakte aus der Zeit um 12.000 vor Christus. Über Jahrhunderte hinweg stellten hier Rentierjäger ihrer Beute nach.
Doch nicht nur Rentieren könnte es hier „an den Kragen“ gegangen sein. Dort, wo jetzt ein Landwirt ein Feld bestellt, lag während des Wirkens der Ahrensburger Kultur – so der wissenschaftliche Name des Stammes von Rentierjägern – ein Gewässer. Es ist möglich, dass es eine Verbindung zum Meer gab. Bodenuntersuchungen könnten hier etwa Lachsvorkommen nachweisen. „Bislang ist das aber noch reine Spekulation“, sagt Ingo Clausen.
Das Vorkommen von Meerestieren – also einer weiteren Nahrungsressource – wäre eine Erklärung dafür, warum gerade hier über einen langen Zeitraum hinweg offenbar intensiv gejagt wurde. Auch Artefakte, die auf maritime Ausrüstungsgegenstände wie Speere hinweisen, wurden gefunden. Einen Beweis, der diese Theorie stützt, gebe es allerdings noch nicht: „Das müssen die weiteren Untersuchungen zeigen“, sagt Ingo Clausen.
Doch schon die bestimmten Funde erzählen eine relativ präzise Geschichte, die es wert wäre, in einem Museum vermittelt zu werden. Viele Rentierknochen, Werkzeuge, Speer- und Pfeilspitzen wurden bereits freigelegt, viele schlummern wohl noch in der Erde. Sogar Hinweise auf Lagerstätten entdeckte das Archäologen-Team.
Nur auf menschliche Überreste aus dieser Zeit dürften die Experten wohl vergeblich warten. An Fundstellen im Norden ist noch nie ein menschlicher Knochen entdeckt worden. Es gibt derzeit nur einen einzigen Fund 14.000 Jahre alter menschlicher Überreste bei Köln. Diese Entdeckung ist dem kalkhaltigen Boden zu verdanken. Hier ist die Beschaffenheit anders. Unter normalen Umständen ist von einem menschlichen Körper nach 300 Jahren nichts mehr übrig.
Derzeit wird in der Lokalpolitik die Idee diskutiert, ob im Alten Speicher am Ahrensburger Marstall ein Tunneltal-Museum eingerichtet werden könnte. Bürgermeister Michael Sarach steht dem offen gegenüber: „Das Museum ist eine Nutzungsmöglichkeit, die interessant ist und in Betracht kommen könnte.“ Doch das Projekt steht noch ganz am Anfang.