Bad Oldesloe. Tanja Ebhardt verteilt seit einem Jahr Strafzettel in Bad Oldesloe. Fast täglich wird sie beleidigt. Sie braucht ein dickes Fell.
Morgens um halb zehn in der Bußgeldstelle der Stadt Bad Oldesloe: Hans Budnick sitzt in seinem Büro im vierten Stock des Rathauses und schaut auf seinen Computer. Er kontrolliert, ob das Geld von Strafzetteln fristgerecht überwiesen wurde. Das Telefon klingelt. Ein Bürger beschwert sich lautstark über ein ausgestelltes Knöllchen. Solche Anrufe nimmt der Sachgebietsleiter mehrmals am Tag entgegen. Das bringt ihn aber nicht aus der Ruhe. Im Gegenteil. Als seine Kollegin, Politesse Tanja Ebhardt, den Raum betritt, lächelt er sie an. Sofort weiß sie, worum es geht.
Die 41 Jahre alte Verkehrsüberwacherin kommt soeben von ihrem ersten Rundgang durch die Stadt zurück. Sie möchte schnell ihre Jacke wechseln. Es sei doch wärmer als gedacht. Ihre Kleidung ist schlicht: dunkelblaue Hose und Jacke. Auf dem linken Oberarm ist ein rotes Abzeichen der Stadt Bad Oldesloe gestickt. Dann geht es wieder los in die Innenstadt. In der Hand hält sie ihre Geheimwaffe: das mobile Datenerfassungsgerät.
Nach nur drei Minuten ist der erste Falschparker gefunden. Direkt vor der Sparkasse hat ein Opel-Fahrer einen an dieser Stelle nicht gültigen Parkausweis hinter die Schiebe gelegt. Ebhardt nimmt ihr handyähnliches Gerät und tippt mit einem Stift auf dem Bildschirm herum. „Ich muss zuerst das Kennzeichen eingeben.“ Danach macht sie Fotos von Auto, Kennzeichen und der Ablagefläche ohne Parkticket. Plötzlich läuft ein junger Mann auf sie zu. „Na, haben Sie wieder jemanden gefunden?“ Die Politesse geht nicht darauf ein.
Ebhardt greift in ihre rechte Jackentasche. Sie holt ein weiteres kleines Gerät hervor. Es summt, als ein weißer Zettel ausgespuckt wird. Dieser sieht aus wie ein Kassenbon. Unten steht die Summe: 10 Euro. Bemerkung: Parkkarte keine Gültigkeit. Dann sagt Ebhardt: „Es ist ja gar nicht unsere Absicht, dass wir aus dem Falschparken Profit ziehen wollen.“ Doch es müsse zur Ordnung aufgerufen werden.
Weiter in Richtung Parkplatz Exer. Hier gibt es 280 Stellplätze und bis zu drei Stunden darf mit der Parkscheibe kostenfrei geparkt werden. Mittags ist hier immer besonders viel los. „Die meisten haben eine Dauerparkkarte“, sagt Ebhardt und läuft durch die Autoreihen. Sie schaut ganz genau in jede Frontschutzscheibe. Da entdeckt sie ein Fahrzeug ohne Parkscheibe. In weniger als fünf Minuten ist der Fall dokumentiert, der Kassenbon ausgespuckt. Das Knöllchen blitzt nun unter dem Scheibenwischer hervor.
Nicht immer läuft es so ruhig ab wie heute. Sehr häufig wird Tanja Ebhardt auch verbal angegriffen. Sätze wie „Ihr seid Abzocker!“ oder „Ihr wollt doch nur schön Essen gehen!“ sind nichts Besonderes mehr. Die Teilzeitkraft sagt: „Damit kann ich mittlerweile gut umgehen. Ich bleibe ruhig und versuche, der Konfrontation aus dem Weg zu gehen.“
In Reinbek ist die Situation ähnlich. Die beiden in Teilzeit angestellten Politessen erleben ebenfalls täglich verbale Attacken. Politesse Karin Gleu sagt: „,Na, braucht die Stadt Geld’, ist nur einer von vielen Sprüchen.“ Vor einigen Jahren habe eine Kollegin sogar vor Gericht gestanden. „Ihr wurde der Mittelfinger gezeigt sowie die Zunge herausgestreckt“, sagt Gleu.
In Bad Oldesloe ist Politesse Ebhardt mittlerweile in der Schützenstraße angekommen. Für das Parken am Seitenstreifen muss ein Ticket gezogen werden. Das nehmen nicht alle Autofahrer ernst. Eine etwa 50 Jahre alte Frau schaut die Kontrolleurin an, geht aber trotzdem über die Straße in Richtung Apotheke. Bestimmt, aber höflich sagt Ebhardt: „Bitte lösen Sie einen Parkschein.“ Mit grimmiger Miene läuft die Frau zurück und sagt: „Ich bin Hebamme und darf hier parken. Schauen Sie, mein Schild.“ Ebhardt sagt: „Danke, aber legen Sie den Ausweis bitte das nächstes Mal sichtbar in ihr Auto und nicht ins Handschuhfach.“
Solch eine Situation gibt es in Ahrensburg ziemlich oft. Nur scheinen die Gespräche mit den Autofahrer meist viel lauter abzulaufen. Die Fachdienstleiterin der Verkehrsaufsicht in Ahrensburg, Anette Kruse, sagt: „Der Ton auf den Ahrensburger Straßen wird immer schlimmer.“ Die drei Mitarbeiterinnen im Außendienst erzählten täglich von verbalen Attacken mit Beleidigungen. „Die pöbelnden Leute haben jedes Alter und kommen aus allen Gesellschaftsschichten“, sagt Kruse. Manche Auseinandersetzungen gingen sogar vor Gericht. In einem Fall darf sich der Autofahrer der Politesse jetzt nicht mehr nähern.
In Bad Oldesloe ist mittlerweile eine gute Stunde vorüber und Ebhardt hat drei weitere Knöllchen unter Scheibenwischer geklemmt. Gegen 12.30 Uhr wird sie Feierabend machen. Die gebürtige Dortmunderin grinst plötzlich: „Ich musste an meine erste Arbeitswoche denken.“ Da habe sie ihren Chef, den Bürgermeister, beim Falschparken erwischt und ihm einen Strafzettel verpasst. Hier werde eben jeder gleich behandelt.