Ahrensburg. Klaus Peter Dencker feiert heute in der Lübecker Werkschau. Heute ist die letzte Möglichkeit, seine Ausstellung Sehquenzen zu sehen.

Es ist ein bisschen wie das späte Einfahren einer reichen Ernte, was Klaus Peter Dencker zurzeit erlebt. Denn so viel öffentliche Anerkennung, wie sie der in Ahrensburg lebende Künstler in mehreren Ausstellungen hat, ist ungewohnt für den Dichter, der in den vergangenen 50 Jahren ein umfangreiches und vielgestaltiges Werk auf dem eher abgelegenen Feld der Visuellen Poesie erschaffen hat. Tatsächlich gibt es ein erhebliches Missverhältnis zwischen den vielen Menschen, die nicht wissen, worum es in der Visuellen Poesie geht, und der internationalen Wertschätzung von Kennern für einen Künstler und sein Werk, in dem Dichtung auf vielfältige Weise zum Bild wird.

Anlass für die geballte Aufmerksamkeit ist Denckers 75. Geburtstag am 22. März, der heute inmitten seiner Arbeiten im Günter-Grass-Haus gefeiert wird. Die Stadt Lübeck nimmt die Finissage der Ausstellung dort mit dem wortspielerischen Titel „Sehquenzen“ zum Anlass, Freunde und Wegbegleiter von Klaus Peter Dencker zum (nichtöffentlichen) abendlichen Geburtstagsfest ins Museum in der Glockengießerstraße einzuladen. Einer dieser Freunde ist Schleswig-Holsteins ehemaliger Ministerpräsident Björn Engholm, der ein Grußwort sprechen wird. Tagsüber haben Besucher die letzte Gelegenheit, sich die Ausstellung anzuschauen.

© HA | Klaus Peter Dencker

Die Lübecker Schau ist eine von insgesamt acht Veranstaltungen in Deutschland – unter anderem in Karlsruhe, Marbach, Berlin und Hamburg –, die sich mit verschiedenen Facetten in Denckers Werk beschäftigen – einem Werk, dem Vermittlung hilft. Denn die Visuelle Poesie ist ein sperriges Genre, das zwar viel fürs Auge bietet, aber nicht auf den ersten Blick verständlich wird, sondern den aufmerksamen Betrachter und Denker braucht, damit die anspielungsreiche Mehrdeutigkeit und der subtile Witz erfasst werden.

Klaus Peter Dencker ist Pionier dieser literarischen Avantgarde, die Wörtern, Texten und Typographien buchstäblich zu Leibe rückt, um Sprache kunstvoll zu dekonstruieren und Leser beziehungsweise Betrachter zu irritieren und Denkprozesse anzuregen. Es geht dabei auch darum, der Vorstellung zu misstrauen, dass Sprache ein zuverlässiges Medium sein könnte, die Welt zu erklären. Klaus Peter Dencker sagt: „Das Wort Haus ist kein Haus, sondern zunächst nur ein akustisches Ereignis und eine Ansammlung von Zeichen.“

Filmerfahrung inspirierte ihn, bewegte Bilder aufs Papier zu übertragen

Für Dencker selbst war der Weg zur Visuellen Poesie eine organische Entwicklung, bei der berufliche Erfahrungen halfen, die Grenzen der nebenbei betriebenen und dem Alltag abgetrotzten Kunst immer neu zu erweitern. Der promovierte Japanologe und Literaturwissenschaftler arbeitete in den 60er- und 70er-Jahren als Fernsehredakteur und entdeckte den experimentellen Dokumentarfilm für sich – was sich rasch in seiner Kunst niederschlug.

Literarisch hatte er sich schon früh gegen die textorientierte Poesie und für eine visuelle Spielart entschieden. In Plakatgedichten und Collagen verwendete er bildliche Fragmente, etwa aus Illustrierten, und nahm Buchstaben als Material für Anagramme. Die Filmerfahrung inspirierte ihn dazu, bewegte Bilder aufs Papier zu übertragen – als Sequenz. Er begann, Geschichten in Serien von Blättern zu erzählen. Über seine Technik der Collage und Montage sagt Dencker: „Es geht darum, aus Kontexten heraus etwas in neue Kontexte zu setzen und dadurch neue Inhalte zu gewinnen. Das ist wie ein Bilderrätsel. Und Rätselhaftigkeit ist der Grundfokus jeder Poesie.“ Und, frei nach Umberto Eco: „Das Kunstwerk spielt sich im Kopf des Betrachters ab. Was ich für eine fertige Arbeit halte, ist nach außen hin ein Materialangebot.“

Sehquenzen, nur noch 22. März, 11 – 17 Uhr, Günter Grass-Haus in Lübeck, Glockengießerstraße 21, Eintritt: 7 Euro, ermäßigt 3,50 Euro; Sehlektionen, bis 30. April, Mo – Fr 9 – 24 Uhr, Sa/So 10 – 24 Uhr, Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Von-Melle-Park 3, Eintritt frei