Ahrensburg. Glinde will für Sanierungen jährlich „wiederkehrende Beiträge“ einführen. Auch andere Stormarner Städte und Gemeinden sind dafür.

Wenn marode Straßen erneuert werden müssen, ist dies für Grundstückseigentümer häufig eine enorme finanzielle Belastung. Beträge in vier- oder fünfstelliger Höhe kommen auf die Anwohner zu, die an den Kosten beteiligt werden. Im Kommunalabgabengesetz ist diese sogenannte Straßenausbau-Umlage genau geregelt. Doch ist dieses Modell noch zeitgemäß und gerecht? Oder sind zweckgebundene Beiträge in zwei- oder dreistelliger Höhe, die Eigentümer jedes Jahr zahlen, die bessere Methode? Über eine solche Lösung wird derzeit in Glinde diskutiert (wir berichteten).

Jörg Bülow, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages (SHGT), bezeichnet das als „sehr interessantes Modell“. Auf Initiative des SHGT ist es im Kommunalabgabengesetz eingefügt worden. „Kommunen haben seitdem die Wahlfreiheit“, sagt Bülow, der keine generelle Empfehlung machen will. Jede Kommune müsse selbst entscheiden, was die bessere Variante sei. Laut Bülow seien derzeit wie in Glinde viele Städte und Gemeinden dabei, eine entsprechende Satzung zu erarbeiten.

Anhand eines Ausbauplanes werden Beiträge pro Quadratmeter und Nutzung ermittelt

Jörg Bülow erklärt, welche Möglichkeiten es dabei gibt: „Handelt es sich um ein überschaubares Dorf ohne Bahnstrecke oder Fluss, könnten alle Grundstückseigentümer jährlich gleich hoch belastet werden.“ Bei einer Stadt oder einer größeren Gemeinde mit mehreren Ortsteilen, wird die Kommune in mehrere Abschnitte geteilt. Wie hoch die Beiträge pro Quadratmeter und Nutzung dann sind, würde anhand eines Ausbauplans ermittelt, der für beispielsweise fünf Jahre festgelegt wird. Auch die Gemeinde muss ihren Anteil, wie schon beim alten Modell, zahlen. Bei einer Anliegerstraße zahlt derzeit die Gemeinde ein Viertel der Kosten.

Jörg Bülow sieht in dem neuen System mehrere Vorteile. Beispielsweise führe es zur Verstetigung von Investitionen. Auch glaubt er, dass die Akzeptanz bei der Bevölkerung höher werde.

Keine Kommune im Land hat die wiederkehrenden Beiträge bisher eingeführt

Auch viele Politiker in Stormarn sehen Vorteile darin, sind jedoch skeptisch wegen der Rechtsgrundlage. Dies kann Jörg Bülow nachvollziehen. „Das ganze ist relativ neu und es gibt noch keine Rechtsprechung.“ Zwar habe das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die wiederkehrenden Beiträge im Juni 2014 für verfassungsrechtlich zulässig erklärt, allerdings lag dem Gericht ein Verfahren aus Rheinland-Pfalz vor, dessen Kommunalabgabengesetz sich deutlich von dem in Schleswig-Holstein unterscheide.

„Eine Überprüfung eines hiesigen Verwaltungsgerichtes steht noch aus“, sagt Bülow und appelliert, dass es in Schleswig-Holstein Vorreiter geben muss. Denn erst, wenn eine Kommune die wiederkehrenden Beiträge eingeführt hat und dann jemand klagt, ist es gerichtlich überprüfbar. Bülow: „Wir sind aber überzeugt, dass in Schleswig-Holstein immer mehr Kommunen das neue Modell einführen werden.“

Wie sehen das die verantwortlichen Politiker in Stormarns Städten und Gemeinden? Das Abendblatt hat nachgefragt:

AHRENSBURG

In der Schlossstadt gehen die Meinungen beim Thema „Straßensteuer“ auseinander. Hartmut Möller (SPD) beschreibt die neue Methode als „interessant“ und als „eine Überlegung wert“. „Der Vorteil wäre, dass Anwohner nicht plötzlich Summen zahlen müssen, die beträchtlich sein können“, sagt der SPD-Politiker. Zudem geht Möller davon aus, dass mit den jährlichen Gebühren das mittlere Qualitätszentrum der Straßen erreicht werden könnte. „Dann steht uns nämlich ein festes Budget zur Verfügung. Heute ist es Willkür der Politik, den Straßenausbau zu verschieben.“ Somit habe sich auch der Zustand der Straßen in den vergangenen Jahren in Ahrensburg deutlich verschlechtert. Allerdings sagt der Fraktionsvorsitzende, dass bis zu einer Umstellung aufs neue System jede Menge Details geklärt werden müssten.

Die Grünen sehen im neuen Umlagesystem indes noch keine Vorteile. „Ich zahle beispielsweise Beiträge und verkaufe nach fünf Jahren mein Haus. Was ist dann? Ich hatte nichts davon“, sagt Jörg Hansen, der aber gleichzeitig bemängelt, dass der zeitliche Plan für Straßensanierungen in Ahrensburg nie eingehalten werde.

Für die CDU sind wiederkehrende Straßenausbau-Gebühren bisher noch kein Thema, deswegen könne die Partei laut Fraktionschef Tobias Koch dazu auch noch keine Stellungnahme abgeben. „Wichtiger wäre für Ahrensburg, überhaupt mit der Sanierung beziehungsweise dem Ausbau unserer Straßen zu beginnen, bevor wir darüber nachdenken, wie man den Bürger dafür am besten zur Kasse bitten kann.“ Die CDU möchte ferner erst einmal die Erfahrungen aus Glinde abwarten.

BARGTEHEIDE

In Bargteheide spricht sich die politische Mehrheit gegen jährliche Straßenausbau-Beiträge aus. „Die Umlage auf Anwohner ist ein altbewährtes System. Deswegen sind wir bei der neuen Variante eher zurückhaltend“, sagt Claus Christian Claussen (CDU) und fügt hinzu: „Wenn alle bezahlen müssen, werden auch die zur Kasse gebeten, die nichts von einer neuen Straße haben.“ Die CDU will ferner abwarten, welche Erfahrungen andere Gemeinden mit dem neuen System machen.

Auch Jürgen Weingärtner (SPD) sagt: Wir liebäugeln damit nicht. Es ist rechtlich sehr anfechtbar.“ Auch sieht er Probleme bei der Erfassung der Daten. Hinzu komme der finanzielle Auffand für die Umstellung. „Bisher hatten wir mit der Umlage auch noch keine Probleme in Bargteheide.“

Die Grünen-Fraktion hat sich laut Vize Michael Schröer noch keine Gedanken darüber gemacht.

GROSSHANSDORF

In der Waldgemeinde Großhansdorf wird über Straßenausbaugebühren nicht diskutiert. „Bisher sind noch keine Bürger bei uns belastet worden. Die Gemeinde hat alle Sanierungen bezahlt“, sagt Stefan Kehl von den Grünen, der betont, dass Großhansdorf gerade andere Sorgen habe, als sich mit Gebühren für den Straßenausbau zu beschäftigen. „Dennoch werden wir uns irgendwann damit beschäftigen müssen.“

Auch Jens Heinrich (CDU) sagt: „Wir haben uns noch keine Gedanken darüber gemacht, allerdings könnte der Vorstoß in Glinde dies jetzt ändern.“ Beide Fraktionen stehen den zwei Varianten offen gegenüber.

Reinhard Niegengerd (SPD) könnte sich indes „gut vorstellen, dass wir auch den Weg wie Glinde nehmen“. Denn auch die SPD gehe davon aus, dass über kurz oder lang Großhansdorf nicht mehr so großzügig mit den Anwohnern umgehen kann.

REINBEK

Die Politiker in Reinbek haben sich schon vor zwei Jahren mit dem Thema befasst und Abstand davon genommen. Volker Müller (SPD): „Wir haben uns damals von einem Fachanwalt beraten lassen, der uns davon abgeraten hat, weil es keine Rechtsprechung dazu gibt.“ Dennoch befürwortet seine Fraktion das neue Modell. „Es ist gerechter und die Stadt hat die Mittel, die Straßen besser in Schuss halten“, sagt Müller. Deswegen ist für seine Partei das Thema auch nicht vom Tisch.

Auch die Fraktion der Grünen spricht sich für jährliche Straßenausbau-Beiträge aus. „Es ist eine gerechte, transparente und praktikable Lösung“, sagt Günther Herder-Alpen und fügt hinzu: „Beiträge in fünfstelliger Höhe, wie sie jetzt vorkommen, können einige Rentner gar nicht zahlen und Kredite bekommen sie auch nicht.“

Hans Helmut Enk (CDU) sagt: „Wir lehnen das neue Modell im Augenblick noch ab.“ Die Umstellung sei für seine Partei das Problem. Enk: „Wer in den vergangenen zwei Jahren mehre Tausend Euro bezahlt hat und jetzt jährliche Beiträge zahlen soll, für den ist das furchtbar ungerecht.“

Dennoch werden sich die Politiker in Reinbek demnächst wieder mit dem Thema befassen. Denn im Mittelzentrum, eine Kooperation zwischen Glinde, Reinbek und Wentorf, stehen die Straßenausbau-Beiträge auf der Tagesordnung.

TRITTAU

In Trittau steht die Politik einer jährlichen Straßengebühr noch völlig offen gegenüber. „Sowohl das alte als auch das neue Systeme sind gangbare Wege“, sagt Christian Winter (SPD), der bei beiden Varianten Vor- und Nachteile sieht: „Beispielsweise könnten wir bei wiederkehrenden Beiträgen ein Rechtfertigungsproblem gegenüber den Bürgern haben, wenn es darum geht, welche kaputte Straße als erstes saniert wird.“ Die Grünen-Fraktion hat sich laut ihrer Vorsitzenden Sabine Paap noch keine Gedanken über das neue Abrechnungsmodell gemacht. „Deswegen haben wir auch noch keine Meinung dazu.“ Die CDU verwies bei der Frage auf ihren Fraktionsvorsitzenden Jens Hoffmann, der jedoch in den vergangen Tagen für eine Stellungnahme nicht erreichbar war.