Glinde. Alle Grundstücksbesitzer in Glinde sollen jährliche Beiträge zahlen. Jetzt sind es einmalig mehrere Tausend Euro beim Straßenausbau.

Am kommenden Donnerstag steht der Ausbau der Blockhorner Allee auf der Agenda in der Glinder Bauausschusssitzung. Nach dem Wunsch der Verwaltung soll die Straße zeitnah mit finanzieller Beteiligung der Grundstücksbesitzer auf Vordermann gebracht werden. Einige Anlieger müssten bis zu 20.000 Euro aus eigener Tasche zahlen. Doch einen entsprechenden Beschluss wird es nicht geben. Denn die Politik erwägt einen Systemwechsel von einmaligen hin zu regelmäßigen Beiträgen.

Das bedeutet: Anlieger zahlen keinen hohen Betrag, wenn ihre Straße angefasst wird, sondern alle Grundstückseigentümer der Kommune eine jährliche und wesentlich geringe Summe für sämtliche Ausbauarbeiten. Es ist eine Art Straßen-Steuer. Glinde wäre die erste Kommune im Kreis Stormarn, die sie umsetzt.

Fraktionschefs von CDU, SPD und Grünen sind für Systemwechsel

„Meine Fraktion ist mehrheitlich für wiederkehrende Beiträge“, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Rainer Neumann. Experten hätten sich dahingehend geäußert, dass es in Glinde einfach umzusetzen sei. „Bei den einmaligen Beiträgen sind die Kosten so hoch, dass es sich nicht jeder leisten kann.“ Die Blockhorner Allee sei das beste Beispiel dafür. Dort will der Zweckverband Südstormarn, der für die Oberflächenentwässerung zuständig ist, die Kanalisation ausbauen – auch dafür müssten die Bürger ins Porte­mon­naie greifen, wären mit bis zu 5000 Euro dabei.

Neumann hat in den vergangenen Wochen mehrere E-Mails von besorgten Bürgern erhalten, die jüngst für den Ausbau ihrer Straße gezahlt haben und es nicht einsehen, demnächst an einer Umlage beteiligt zu werden. Der Christdemokrat: „In solchen Fällen müssen wir mit Übergangsfristen arbeiten. Anwohner der Mühlenstraße, die im vergangenen Jahr fertiggestellt wurde, sollten dann zehn bis 20 Jahre von den Beiträgen freigestellt werden.“

Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank Lauterbach ist ein Befürworter der wiederkehrenden Beiträge. „Die Lasten werden gleichmäßig auf alle Schultern verteilt“, sagt er. „Das ist nur gerecht.“ Der Wechsel gehe aber nicht von heute auf morgen, es bestehe noch viel Klärungsbedarf. Seine Fraktion habe sich noch nicht entschieden, welchen Weg sie einschlagen wolle.

Ein Stück weiter sind da offenbar die Grünen. Deren Fraktionsvorsitzender Wolf Tank sagt: „Wir haben darüber gesprochen, die Tendenz geht zu einem Systemwechsel.“ Allerdings seien noch viele Fragen offen. „Hauseigentümer mit 3000 oder 4000 Euro zu beteiligen, finde ich in Ordnung, Beträge von 10.000 Euro oder mehr sind es nicht.“ Mit den wiederkehrenden Beiträgen würde mehr Gerechtigkeit herrschen.

Bei den Grünen gibt es aber auch Mitglieder, die noch nicht so wie der Fraktionschef vom Systemwechsel überzeugt sind. „Wir müssen auf jeden Fall sehen, was die Bevölkerung dazu sagt“, meint der Ortsvorsitzende Jan Schwartz. Er spricht von unterschiedlichen Meinungen in seiner Partei.

CDU-Fraktionschef Neumann hofft, „die Änderung noch in diesem Jahr durchzusetzen“.

Glindes Bürgermeister Rainhard Zug geht momentan davon aus, dass der Ausbau der Blockhorner Allee wegen der Diskussion um wiederkehrende Beiträge auf 2017 verschoben wird. Der Verwaltungschef ist kein Freund von einer möglichen Änderung: „Ich halte das jetzige System für absolut gerecht. Wo der Vorteil entsteht wird auch gezahlt.“ Er könne aber mit einer neuen Berechnung leben.

In Wentorf im Kreis Herzogtum Lauenburg an der Grenze zu Stormarn beschäftigen sich die Kommunalpolitiker schon seit zwei Jahren intensiv mit diesem Thema. „Es ist so umfangreich beleuchtet worden wie kein anderes in meiner Amtszeit“, sagt Bürgermeister Matthias Heidelberg. Einen Beschluss gibt es aber nicht. Der Verwaltungschef: „Es herrscht Skepsis.“

Bürgerinitiative aus Blockhorner Allee lässt sich vom Anwalt beraten

Dabei sind die Voraussetzungen juristisch klar geregelt. Seit 2011 können Schleswig-Holsteins Kommunen selbst entscheiden, ob sie das neue System einführen. 2014 urteilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, dass wiederkehrende Straßenausbaubeiträge zulässig sind. „Offen ist nur, ob sie auch auf Mieter umgelegt werden dürfen“, sagt Reimer Steenbock von der Gesellschaft für Kommunalberatung und -entwicklung (Gekom) in Reinbek. Er ist unter anderem Experte in Sachen wiederkehrende Beiträge.

Wie viel Geld Grundstücksbesitzer bei dieser Variante für den Straßenausbau beisteuern, richtet sich nach der Zahl der Projekte und was sie kosten. „Und nach der Grundstücksfläche sowie der Geschosshöhe des Gebäudes“, sagt Steenbock. An der Summe für alle Arbeiten würden die Bürger mit 65 bis 85 Prozent beteiligt, den Rest trage die Kommune. In der Regel seien die Anlieger mit einem zweistelligen oder sehr niedrigen dreistelligen Betrag pro Jahr dabei. Auch wichtig: Kommunen unterteilen ihr Gebiet in mehrere Abrechnungseinheiten.

Steenbock: „In Deutschland hat es mit den wiederkehrenden Beiträgen schon 1988 angefangen.“ Mehr als 600 Gemeinden und Städte in Rheinland-Pfalz hätten sich inzwischen dafür entschieden. Nach seiner Kenntnis habe kein Ort einen Rückzieher gemacht.

Ein Beispiel ist Pirmasens mit seinen 41.600 Einwohnern. Dort wurden wiederkehrende Beiträge 2001 eingeführt und haben eine hohe Akzeptanz bei der Bevölkerung. Von Verwaltungsseite heißt es, sie seien die Idealkon-stellation für die Stadt. Zuletzt gab es 2012 drei Widersprüche von Bürgern. Keiner von ihnen klagte jedoch vor Gericht. Binnen 15 Jahren wurden in Pirmasens 37 Millionen Euro in den Straßenausbau investiert. Dadurch habe es eine Aufwertung des Stadtbilds gegeben, schreibt die Verwaltung in einem Resümee.

Die Glinderin Carmen Boldt begrüßt die Idee von wiederkehrenden Beiträgen in ihrer Stadt. Sie wohnt an der Blockhorner Allee in zweiter Reihe und ist in einer Bürgerinitiative organisiert, die gegen eine ihrer Meinung nach zu hohe Beteiligung der Anlieger kämpft. Boldt sagt: „Einer Umlage für alle würde ich zustimmen.“ Die Initiative lässt sich von einem Anwalt beraten. Er wird die Mitglieder auf die Bauausschusssitzung begleiten.