Ahrensburg. Der österreichische Ahrensburger Hans Peter Weiß kam wegen der Liebe und legte nebenbei den Grundstein für eine Integrationsarbeit.
Wenn es einen Menschen in Ahrensburg gibt, der als Pionier auf dem Gebiet der Integrationsarbeit bezeichnet werden darf, dann hat dieser Mensch ein freundliches Gesicht, kluge Augen und heißt Hans Peter Weiß. Der Mann weiß, wovon er spricht. Auch er musste sich einst „selbst integrieren“, wie Weiß sagt und schmunzelt. Nun ist der Olof-Palme-Friedenpreisträger 75 Jahre alt geworden. Und das „Thema seines Lebens“ ist plötzlich aktueller denn je.
Er half Menschen, für die Norddeutschland und seine Einwohner fremdartig waren
Seine „Selbstintegration“ begann 1970. Wegen der Liebe zu seiner ersten Ehefrau Christiane, zog der Österreicher nach dem Studienabschluss von Wien in die Schlossstadt. Und noch während er daran arbeitete, sich an die Abwesenheit der Berge zu gewöhnen („die Berge geben beim Betrachten der Landschaft dem Auge Halt“), half er Menschen, für die Norddeutschland und seine Einwohner noch fremdartig waren. „Ich fing in Hamburg als Deutschlehrer für Zuwanderer an.“ Sechs Jahre später wurde der junge Germanist und Literaturwissenschaftler beauftragt, ein Bildungszentrum für Zuwanderer aufzubauen.
Zeitweise mehr als 1000 Schüler besuchten das Zentrum, das erst in Hamburg-Harvestehude, dann in Hamburg-Billbrook angesiedelt war. Weiß: „Das waren alles Akademiker, die für Deutschkurse kamen, und die wir zudem bei der Integration in das Berufsleben unterstützten.“ Bis zu 100 Mitarbeiter hatte Weiß zeitweise und viel Spaß an der Arbeit – bis er in Rente ging. Doch von der Integrationsarbeit konnte er die Finger nicht lassen. Früher sei Integration dennoch ein Thema gewesen, das kaum wirklich gelebt wurde, sagt Weiß. Er hat unterdessen schon lange eine feste Vorstellung davon, wie Integration funktionieren kann. „Sie gelingt denjenigen, die sich ihre kulturelle Identität erhalten.“ Kein Widerspruch, sagt er und fügt an: „Man darf den Menschen niemals ihre Wurzeln nehmen, sie gehören zum Charakter.“
Der interkulturelle Gesprächskreis ist eine Erfindung des Ahrensburgers
Weiß´ Wurzel ist seine Sprache, die er sich erhalten hat. Ein melodisches, weiches Österreichisch spricht er. Er würde sicher Jänner sagen, würde er nach dem nächsten Monat gefragt. Die Abwesenheit der Berge habe er über seine „gelungene Integration“ verkraftet. Ganz einfach. „Man muss etwas Neues finden, was dem eigenen Charakter entspricht“, sagt er und lächelt. Bei Hans Peter Weiß ist das die Geschichte des Ahrensburger Tunneltals, einem der bedeutendsten Gebiete für die Eiszeitforschung.
Nicht ge- sondern erfunden hat Hans Peter Weiß den interkulturellen Gesprächskreis, mit dem Ziel, das Zusammenleben von deutschen und nichtdeutschen Ahrensburgern zu verbessern. Das war kurz nach dem 11. September 2001. „Ich habe beobachtet, wie nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York Muslime diskriminiert wurden.“ Bis vor einem Jahr hat Weiß den Gesprächskreis geleitet, Referenten für Vorträge eingeladen und im 2008 von ihm gegründeten Netzwerk Integration & Migration den Austausch zwischen Gruppen organisiert. Und Weiß hat den Engel der Kulturen nach Ahrensburg geholt. Eine Intarsie, die in den Boden vor der Bücherei eingelassen ist, welche die Symbole des Judentums, Christentums und des Islam zeigt. „Kulturen, die Europa historisch geprägt haben“, sagt er. Es sei einer seiner Lieblingsorte in der Schlossstadt. Seine liebste Entdeckung, die er dem multikulturellen Austausch verdankt, kommt unterdessen aus Asien: Klangschalen. Aber eigentlich ist es vielmehr sein Adoptiv-Enkel, drei Jahre alt, der aus Thailand stammt und es großartig findet, wenn der Opa auf den Schalen musiziert.
„Sabbatjahr“ nennt er die Auszeit
Seit einem Jahr hat sich Weiß aus der ehrenamtlichen Arbeit zurückgezogen. Sein „Sabbatjahr“ nennt er die Auszeit. Er glaube, Ahrensburg brauche ihn nicht mehr für die Integrationsarbeit, trotz der großen Zahl von Flüchtlingen. „Ich habe den Boden bereitet, nun haben andere die Aufgaben übernommen und sind erfolgreich.“ In der Tat: Zu seinem Netzwerk gehört unter anderem der Freundeskreis für Flüchtlinge. Das sind rund 240 Ehrenamtler, die als Paten und Deutschlehrer den Menschen helfen, sich in Ahrensburg selbst zu intergrieren.