Barsbüttel. Wie eine ehemalige Barsbütteler Gaststätte Willinghus zum Vorzeigeprojekt wird. Sieben Auszubildende arbeiten dort in Eigenregie.

Noch stehen Leitern, Tapeziertisch und halb volle Eimer in den Zimmern herum. Es riecht nach frischer Farbe. Doch es kann schon erahnt werden, wie heimelig die Wohnungen im Obergeschoss des Willinghus, der ehemaligen Gaststätte im Barsbütteler Ortsteil Willinghusen, bald aussehen werden. Ab Januar dienen sie als Unterkunft für Flüchtlinge.

Seit einer Woche sind auf rund 70 Quadratmetern – aufgeteilt in eine Ein- und eine Zweizimmerwohnung – sieben Lehrlinge mit Klebeband, Pinsel und Spachtel zu Gange. Sie alle erlernen das Maler- und Lackiererhandwerk und arbeiten normalerweise in vier unterschiedlichen Betrieben in Schleswig-Holstein.

Auf der sogenannten Lehrlingsbaustelle in Barsbüttel sind die 17- bis 20-Jährigen nun ausnahmsweise ihr eigener Chef. In dem Projekt der Aktionsgemeinschaft „Ausgezeichneter Ausbildungsbetrieb“ vom Landesinnungsverband soll den sieben Nachwuchsmalern die Möglichkeit gegeben werden, in den Arbeitsalltag ihres künftigen Berufes abzutauchen.

Und zwar mit allem, was dazugehört. Ausbildungstrainer Jochen Meier: „Ich bin zwar vor Ort und stehe den jungen Leuten als Ansprechpartner beratend zur Seite. Aber sie sollen weitestgehend allein planen und die Abläufe auf der Baustelle selbst organisieren.“ Dazu gehöre, so der Malermeister mit eigenem Betrieb in Neverstaven bei Travenbrück, das Festlegen der Material- und Werkzeuglisten und die Farbauswahl für die einzelnen Räume.

Einer der Lehrlinge kam selbst mit zwei Jahren als Flüchtling aus dem Irak

Bei der Gestaltungsfrage einer Wand der Einzimmerwohnung haben sich die beiden jungen Frauen auf der Lehrlingsbaustelle durchgesetzt: Celina Nitsch und Marie Therese Petersen, beide im ersten Lehrjahr, haben abgesetzte Streifen in einem hellen Blaugrün gewählt. Um ein gutes Ergebnis zu erzielen, muss akkurat vorgearbeitet, abgeklebt und gestrichen werden.

Die 19-jährige Marie Therese Petersen, die in einem Betrieb in Kiel ihre Ausbildung absolviert, sagt: „Wir geben uns bei unserer Arbeit natürlich immer Mühe.“ Und trotzdem sei die Baustelle in dem Barsbütteler Ortsteil eine ganz besondere Herausforderung für sie und ihre Azubi-Kollegen. „Da hier Flüchtlinge einziehen, wollen wir die Zimmer vor allem einladend gestalten. Die Menschen sollen sich hier nach ihrer langen und beschwerlichen Reise wohlfühlen, um gut in ihr neues Leben starten zu können.“

Für Osama Mussa, der in demselben Kieler Betrieb wie Marie Therese lernt, ist die Arbeit in Barsbüttel eine Herzensangelegenheit. Als Zweijähriger kam er mit seiner Familie aus dem Irak nach Deutschland. „Da ich das selbst miterlebt habe, macht diese Aufgabe für mich hier richtig Sinn“, so der 19-Jährige.

Im Januar sollen die ersten Menschenin ihrem neuen Zuhause einziehen

Je sinnvoller die Arbeit sei, desto größer seien Motivation und Lerneffekt, sagt Jochen Meier. Der Malermeister ist als Trainer der AG „Ausgezeichneter Ausbildungsbetrieb“, zu der 25 Innungsfachbetriebe in Schleswig-Holstein gehören, unter anderem für die Auswahl der Lehrlingsbaustellen zuständig. Die jungen Handwerker waren beispielsweise schon bei der Renovierung von Kindergärten tätig. „Eine schöne Aufgabe war auch die Arbeit im Molfseer Freilichtmuseum“, so Meier.

„Mit dem Herrichten einer Unterkunft für Flüchtlinge tragen wir einen kleinen, aber sinnvollen Teil zur Hilfe bei“, sagt Meier. Sein Kollege, Malermeister Markus Petrat aus Barsbüttel, hatte die beiden Wohnungen im Haus der ehemaligen Gaststätte Willinghus vermittelt.

In eine herkömmliche Renovierung der teils stark verwohnten Räume hätte die Gemeinde kein Geld investiert. Sie übernimmt jetzt ausschließlich Kost und Logis für die Lehrlinge. „Wir wollen mit dem Projekt der Lehrlingsbaustelle schließlich keinem Betrieb die Arbeit wegnehmen“, sagt Jochen Meier. Die entstehenden Kosten trägt die Arbeitsgemeinschaft der Landesinnung, die vom Kieler Bildungsministerium gefördert wird.

Staatssekretär Dirk Loßack (SPD) hat die Baustelle in Barsbüttel in der vergangenen Woche besucht, sich einen Überblick verschafft und den Bewilligungsbescheid über Fördermittel von 11.000 Euro überreicht. „Ich glaube, er war mit unserer Arbeit sehr zufrieden“, sagt der 17 Jahre alte Lehrling Sören Schulz. Und seine Kollegen ergänzen, dass der Gast aus dem Ministerium „irgendwie gar nicht so politikermäßig“ gewesen sei.

In wenigen Tagen ist das Haus an der Alten Dorfstraße bezugsfertig. Im Januar treffen dann die ersten Flüchtlinge in ihrem neuen Zuhause ein, das für insgesamt 32 Personen ausgelegt ist. Wer genau einziehen wird, steht noch nicht fest. Stefanie Graupmann, die in der Gemeinde Barsbüttel für Flüchtlingsangelegenheiten zuständig ist, sagt: „Für Familien bietet sich das Haus am ehesten an. Deswegen wollen wir versuchen, diese dort unterzubringen.“

Am liebsten würden die sieben angehenden Maler und Lackierer die Gesichter derjenigen sehen, die in „ihre“ Wohnungen einziehen. Doch zu diesem Zeitpunkt sind die Lehrlinge längst wieder in ihren Ausbildungsbetrieben. „Das ist zwar schade“, so Osama Mussa. „Aber wir sind uns sicher, dass sich unsere Arbeit gelohnt hat und die Neuankömmlinge sich hier wohlfühlen werden.“