Brunsbek. Im Brunsbeker Ortsteil Langelohe steht seit Freitag ein Milchautomat. Rund um die Uhr können sich die Kunden hier selbst bedienen.

Sie steht noch nicht einmal eine Woche – und ist bereits ein voller Erfolg: Die Milchtankstelle im Brunsbeker Ortsteil Langelohe. Allein am gestrigen Mittwochvormittag gaben sich die Kunden quasi die Kanne in die Hand. „Es ist so schön einfach: Kanne drunter stellen, Knopf drücken, und schon plätschert die Milch aus dem Zapfhahn“, sagt Horst Evers aus dem Brunsbeker Ortsteil Papendorf. Er hat die Tankstelle erst einen Tag zuvor entdeckt. Jetzt hat er seine Frau Heidi mitgebracht. „Wir sind beide total begeistert“, sagt die 69-Jährige. „Die Milch schmeckt einfach viel besser als die aus dem Supermarkt. Und der Geschmack erinnert mich an meine Kindheit.“

Die Idee zur Milchtankstelle hatte Stephanie Fischer. Die 43-Jährige und ihr Mann Christian bewirtschaften den Bauernhof an der Hauptstraße 14 in Langelohe. „Ich hatte Anfang des Jahres zufällig von einer Milchtankstelle in Süddeutschland gehört. Und da sagte ich zu meinem Mann: ,So etwas brauchen wir auch!’“, sagt Fischer und lacht.

Seit vergangenem Freitag steht nun ein kleines Holzhäuschen am Straßenrand, die beiden Flügeltüren weit geöffnet, darin der begehrte Milchautomat. Einen Euro kostet der Liter Milch. Wer kein Gefäß dabei hat, kann für 3,50 Euro eine große Glasflasche kaufen oder für einen Euro die Variante aus Plastik. Die Halbliterflasche kostet 50 Cent. Die Behälter stehen in einem Wandschrank bereit.

Die Landwirte Stephanie und Christian Fischer sind die Betreiber der Milchtankstelle. Die Milch stammt von den Kühen ihres Bauernhofs
Die Landwirte Stephanie und Christian Fischer sind die Betreiber der Milchtankstelle. Die Milch stammt von den Kühen ihres Bauernhofs © HA | Julia Sextl

Die Milchtankstelle in Langelohe ist nicht die erste in Stormarn. Seit April dieses Jahres gibt es bereits eine in Bargteheide an der Jersbeker Straße 80. Die Milch, die Bauer Hauke Ruge verkauft, ist Biomilch und kostet 1,20 Euro pro Liter. „Wir hatten schon immer Leute, die Milch direkt vom Hof geholt hatten. Jetzt können sich die Kunden selbstständig bedienen“, sagt Ruge. Seine Tankstelle ist täglich von 7 bis 19 Uhr geöffnet.

In Langelohe hingegen können sich die Kunden auch nachts bedienen. „Ich habe so gelacht gestern Abend“, sagt Stephanie Fischer. „Da standen um 23.15 Uhr drei Jungs aus dem Dorf hier an der Tankstelle. Jeder mit einer Flasche am Hals, und es machte nur noch gluck, gluck, gluck.“ Die 43-Jährige ist froh, dass der Milchautomat gut angenommen wird. „Es ist ja doch eine große Investition. Allein der Automat hat 13.000 Euro gekostet. Zusammen mit dem Häuschen und allem drumherum haben wir 25.000 Euro bezahlt.“ Sie hofft, dass sich die Kosten in drei bis vier Jahren amortisiert haben.

Dann nämlich könnte die Milchtankstelle ein weiteres Standbein bilden, um als landwirtschaftlicher Betrieb zu überleben. Und das sei wichtig, betont Christian Fischer. Denn die Preise, die Landwirte für ihre Milch bekommen, befinden sich im stetigen Sinkflug. Vor genau einem Jahr habe er pro Kilogramm Milch 36,5 Cent erhalten. „Aber allein die Herstellungskosten liegen in Schleswig-Holstein bei 36 Cent pro Kilogramm. Und wenn wir jetzt unsere Milch an die Meierei liefern, bekommen wir dafür nur noch 26,5 Cent pro Kilogramm bezahlt“, sagt Christian Fischer.

Mit dem Verkauf von Milch an die Meierei macht der Bauer derzeit Verluste

Im Klartext: Mit jedem Liter Milch – ein Liter entspricht 1,02 Kilogramm –, den Bauer Fischer an die Meierei verkauft, macht er einen Verlust von rund zehn Cent. „Für uns heißt das, dass wir ungefähr 80.000 Euro im Jahr verlieren. Ich bezahle das aus meinem Privatvermögen“, sagt Fischer.

Die Milch nicht zu verkaufen, sei aber auch keine Lösung. Denn dann müsste er seinen gesamten Betrieb umstellen. Wenn diese Niedrigpreis-Phase noch lange andauere, würden einige Bauern zwangsläufig Pleite gehen, glaubt Fischer. Auch er mache sich Sorgen – selbst wenn die Lage noch nicht akut ist: Seine Familie betreibt seit vielen Jahren eine Rinderzucht, die Herde hat Fischers Vater aufgebaut. Das ist ein bislang verlässliches Standbein für die Existenz der vierköpfigen Familie.

Um den Milchpreisverfall finanziell auffangen zu können, müsste Fischer seinen Betrieb vergrößern. Nur so könnte er billiger produzieren: „Wer mehr Tiere hat, braucht mehr Futter, und bekommt dann beim Kauf größerer Mengen auch größere Rabatte“, sagt Fischer. Und auch die Personalkosten würden nur unmerklich teurer. „Ob der jetzt 80 oder 200 Kühe melkt, macht zeitlich keinen so großen Unterschied.“

© HA | Julia Sextl

Trotzdem wolle er nicht gezwungen sein, den Einnahmenrückgang über mehr Wachstum zu kompensieren, betont der 41-Jährige. „Mein Vater hat immer gesagt: Wir leben nicht für die Kühe und nicht von den Kühen, sondern wir leben mit den Kühen.“ Dieses Lebensmotto habe er übernommen. Und dafür sei die Größe seines Hofes genau richtig.

Wie Fischer geht es vielen Milchviehbetrieben. Kürzlich hatten Landwirte bundesweit gegen den Preisverfall demonstriert. Als Ursache sehen sie unter anderem das derzeitige Überangebot an Milch nach dem Wegfall der Milchquote. Sie fordern ein vorübergehendes Verbot der Überproduktion durch die Europäische Union und einen Mindestpreis von 40 Cent. Fischer: „Von der EU gibt es nur eine Milliarde an Subventionen für die gesamte Landwirtschaft, von Ackerbau bis Viehzucht. Davon kriegen allein die Obstbauern 280 Millionen, wegen des Russland-Embargos. Selbst wenn der Preis für ein Kilogramm Milch um nur einen Cent durch EU-Subventionen erhöht würde, würde das bereitgestellte Geld niemals ausreichen.“

Durch die Milchtankstelle will der Landwirt die Zwischenhändler ausschalten

Fischers Alternative: Durch die Milchtankstelle die Zwischenhändler ausschalten. Und das kommt in Lan­gelohe gut an: „Ich finde das super, weil der Erlös direkt an den Erzeuger geht“, sagt etwa Kundin Jana Despotovic. „Ich halte den Milchpreis für absolut gerechtfertigt. Im Supermarkt zahle ich das doch auch.“ Die 28-Jährige lebt erst seit zwei Wochen in Langelohe und ist zum ersten Mal am Milchautomaten. Probiert hat sie aber schon Mal: „Bei meiner Nichte. Sie hatte sich schon einen Liter geholt – und die war viel besser als die aus dem Supermarkt.“

Möglicherweise liegt das daran, dass aus dem Automaten reine Rohmilch fließt: Also frisch gemolkene, völlig unbehandelte Milch. „Die Milch aus dem Supermarkt ist normalerweise pasteurisiert und in der Regel auch homogenisiert“, erklärt Fischer. Beim Homogenisieren werden die in der Milch enthaltenen Fettkügelchen gleichmäßig verkleinert, sodass sie sich nicht mehr als Rahm an der Oberfläche der Milch absetzen können. Beim Pasteurisieren wird die Milch durch kurzes Erhitzen haltbarer gemacht. Mögliche Keime in der Milch werden so abgetötet.

Wenn Milch frisch aus dem Euter kommt, ist sie zwar ebenfalls so gut wie keimfrei. Doch schon beim Melken gesellen sich einige Keime, wie beispielsweise Milchsäurebakterien, dazu. Im Lauf der Zeit vermehren sie sich, die Milch wird sauer. „Unsere Milch hält sich nach dem Zapfen im Kühlschrank ungefähr zwei bis drei Tage“, sagt Stephanie Fischer. Wer sicher gehen will, dass keine Keime darin enthalten sind, kann sie abkochen. Rund 20 bis 25 Liter pro Tag haben die Fischers seit Freitag schon verkauft. Nach oben ist aber noch Luft: Der große Edelstahltank im Inneren fasst 150 Liter. Dort steht die Milch bei einer Temperatur von 3,8 Grad für den Kunden bereit.