Hammoor. Landgericht verurteilt 24 Jahre alten Feuerwehrmann wegen sieben Taten mit 260.000 Euro Schaden zu dreieinhalb Jahren Gefängnis.
Der Mann, der in Hammoor sieben Brände gelegt und die Menschen über zwei Jahre in Angst und Schrecken versetzt hat, muss ins Gefängnis. Das Landgericht Lübeck verurteilte den 24 Jahre alten Sebastian K. (Name geändert), der selbst in der Freiwilligen Feuerwehr war, zu dreieinhalb Jahren Haft.
Auf der Anklagebank im Gerichtssaal wirkt K., der ein umfassende Geständnis ablegte, wie ein schüchterner Junge. Zuletzt hatte er Mitte Juni eine 300 Jahre alte Bauernkate angezündet. Eine Polizistin sah ihn kurz nach Ausbrechen des Feuers wegrennen. Noch während der Löscharbeiten befragten Kripo-Beamte aus Lübeck die Feuerwehrleute. Am nächsten Tag kam K. in Untersuchungshaft.
Ein Reetdachhaus, einen Pferdestall und fünfmal Strohballen
Fünfmal musste die Feuerwehr von K. gelegte Strohballenbrände löschen Christoph Leimig
Die Anklage lautete auf Brandstiftung und Sachbeschädigung. Neben dem Reetdachhaus hatte K. einen Pferdestall und fünfmal Strohballen entflammt. Gesamtschaden: 260.000 Euro. K. achtete darauf, dass weder Menschen noch Tiere zu Schaden kamen. Beim letzten Feuer wurde eine Nachbarin sogar gewarnt. „Ich habe Sirenen gehört, dachte, es wäre wieder etwas auf der Autobahn passiert. Auf einmal klingelte jemand Sturm an der Tür. Ein Unbekannter rief: ,Schnell raus, es brennt’. Es war wie ein Spuk. Plötzlich war er wieder weg“, sagte die Zeugin.
Sie sei dazu noch am Abend von der Polizei befragt worden, später ein weiteres Mal auf dem Revier. Wer der „gut angezogene und gepflegt wirkende Mann“, so die Beschreibung der Zeugin, an der Tür war, ist bis heute ungeklärt.
Auch Zeuge Detlef A., 71, beschreibt eine Begegnung mit dem Brandstifter: „Ich war in der Küche und schaute aus dem Fenster. Da sah ich einen Mann auf einem Fahrrad vorbeifahren, in der linken Hand einen Benzinkanister“, sagt der Rentner. „Eine halbe Stunde später brannten dann die Strohballen.“ Das war am Donnerstag, 31. Januar 2012, der Auftakt der Brandserie. Doch auch A. konnte keine genaue Personenbeschreibung liefern.
Die Gutachterin Dr. Christine Heisterkamp bringt Licht in die Frage nach dem Motiv: Er habe den Leuten im Dorf zeigen wollen, dass er da sei und helfe und eben nicht der sei, der nichts auf die Reihe bekomme. „Er wollte als Held gesehen werden“, so Heisterkamp über den Angeklagten, der seit früher Kindheit unter einer Lernbehinderung leidet. Sein IQ von 62 sei unterdurchschnittlich.
Laut Staatsanwaltschaft habe der Angeklagte eine ausgeprägte Fantasie
In der Schule wurde Sebastian K. offenbar häufig gehänselt, gedemütigt und ausgenutzt. 2008 beschuldigte er in einer Anzeige zwei Mitschüler, ihn systematisch erpresst zu haben. Den Polizeibericht legte Staatsanwalt Christian Braunwarth dem Gericht vor. Mit seinen Eltern erschien der Jugendliche damals auf der Polizeiwache in Bargteheide und gab zu Protokoll, dass er bis zu 150 Euro habe zahlen müssen. Die Mitschüler hätten ihn mehrfach verprügelt und mit einem dunklen Minivan auf dem Fahrrad abgedrängt. Später widerrief Sebastian K. seine Aussage. „In der Begründung gab er an, er habe die Geschichte ausgeschmückt, um sie für die Polizei interessanter zu machen“, so Braunwarth. „Da sehe ich eine gewisse Parallele.“
Der Angeklagte habe eine ausgeprägte Fantasie, so der Staatsanwalt. K. hatte entgegen seiner Aussage bei der Polizei in der Verhandlung behauptet, sein ältester Bruder habe von ihm Geld gefordert, was er jedoch nicht auftreiben konnte. Als Ersatzleistung sollte er dann die Brände legen. „Ich halte die Geschichte für eine Erfindung und glaube sie nicht. Die geschilderte Motivlage ist abwegig“, so der Staatsanwalt, der eine Haftstrafe von drei Jahren und zehn Monaten forderte. Zwar habe der Angeklagte sofort gestanden, aber die materiellen und immateriellen Schäden seien zu hoch, als dass eine mindere Schwere in Frage komme.
Entschuldigung vor Urteilsverkündung
Verteidigerin Vera Hocke sah das anders: „Die alleinige Täterschaft ist nicht plausibel. Es ist mir klar, dass wir dem Bruder eine Mittäterschaft nicht beweisen können, aber es gibt einfach zu viele Ungereimtheiten“, so die Rechtsanwältin. Sie erklärte die späte Änderung der Aussage von K. so: Er habe seine Familie schützen wollen. Auch seinen Bruder, trotz dessen „Nötigungsherrschaft“. „Meiner Überzeugung nach ist das die Wahrheit, die er hier in der Hauptverhandlung erzählt hat“, so Vera Hocke. Sie forderte eine Bewährungsstrafe: „Ich weiß nicht, was mit jemandem wie Herrn K. in der Haft passiert, und möchte es auch nicht.“ Während ihres Plädoyers brach der Angeklagte in Tränen aus.
Das Gericht sah dagegen keinen Wahrheitsgehalt in der Bruder-Mittäter-Theorie. Verminderte Schuldfähigkeit bestehe nicht. Es sei ein langer Zeitraum mit Brandstiftungen gewesen und ein immenser Sachschaden entstanden. „Er hat gewusst, dass es sich um Straftaten handelt“, so der Richter.
Vor der Urteilsverkündung bat Sebastian K. die Geschädigten mit Tränen in den Augen um Entschuldigung. Mit vielen der ehemaligen Feuerwehrkollegen bestand auch während der mehrmonatigen Untersuchungshaft Kontakt. Ein Opfer beschrieb F. als „eigentlich guten Jungen“. Gegen das Urteil kann noch Revision eingelegt werden.