Reinbek . Private und öffentliche Einrichtungen stellen Internetzugänge zur Verfügung. Auch Flüchtlingsunterkünfte sollen jetzt profitieren.

Die Idee klingt eigentlich zu einfach, um umsetzbar zu sein: Ein flächendeckendes, freies Internet, ohne Ausfälle – und für alle zugänglich. Etwas, das all diejenigen Menschen zu schätzen wissen, die regelmäßig mit dem Wieder-kein-Empfang-Teufel zu kämpfen haben. Die bundesweite Initiative Freifunk bietet seinen Nutzern genau diesen Dienst schon seit einigen Jahren. Seit April 2015 existiert diese nicht kommerzielle Initiative nun auch in Stormarn.

Heute, nur knapp ein halbes Jahr nach dem Start, gibt es hier bereits mehr als 100 sogenannte Knotenpunkte in privaten Haushalten und öffentlichen Einrichtungen. Täglich greifen rund 200 Personen, Clients genannt, im Kreis Stormarn auf das freie WLAN zu. Der kostenlose Dienst findet also Anklang. Nun wollen die Initiatoren Marc Swenningshon, 44, und Kaj-Simon Töde, 27, auch Flüchtlingsunterkünfte mit Freifunk ausstatten.

Gehört, recherchiert, umgesetzt: Marc Swenningshon empfand die Idee einer eigenen Internet-Infrastruktur als so verlockend, dass er schnell mitmachen wollte. „Anfang 2015 habe ich von der bundesweiten Initiative erfahren – auf einem Kongress“, sagt er. Anschließend hat sich der Reinbeker zunächst dem Hamburger Freifunk angeschlossen. In Stormarn gab es noch nichts Vergleichbares. „Über die Freifunk-Community habe ich Kaj-Simon kennengelernt“, sagt der Freifunker. „Wir waren uns schnell einig.“ Beide Schirmherren engagieren sich ehrenamtlich für die Initiative. Neben ihrem richtigen Beruf. Marc Swenningshon ist als Unternehmensberater tätig, Kaj-Simon Töde als IT-Spezialist.

Über Knotenpunkte loggen sich die Nutzer ins Netzwerk ein

Wie genau funktioniert Freifunk? Die freien Netze laufen auf WLAN-Basis. Das Projekt funktioniert am besten, wenn viele Menschen mitmachen und Dienste innerhalb des Netzwerkes anbieten. Das gelingt über das Errichten eines neuen Knotenpunktes mit einem eigenen Freifunk-Router. Über den Knotenpunkt können sich die Nutzer ins freie Netzwerk einloggen, ohne Passwort und die Bestätigung jeglicher AGB. „Und das kann im Prinzip jeder“, sagt Swenningshon. Und so geht’s: Zunächst muss sich der potenzielle Teilnehmer einen Router kaufen. Es gibt etwa 20 mögliche Modelle, die alle um die 20 Euro kosten. „Dann muss man nur noch unsere Firmware, das Betriebssystem, herunterladen und installieren. Sobald der Freifunk-Router an den heimischen Router angeschlossen ist, kann es losgehen“, sagt Marc Swenningshon.

Wenn es hakt, ist das kein Problem. Bei Netzausfällen, sucht sich das System selbstständig neue Verbindungen. „Die Signale werden quasi von Gebäude zu Gebäude weitergeleitet“, sagt Swenningshon. Auf diese Weise könnte eine richtige Infrastruktur für Wohnhäuser, Wohnblocks und die ganze Stadt entstehen. „Derzeit sind 50 Prozent unserer Teilnehmer Privatpersonen und 50 Prozent öffentliche Einrichtungen“, sagt er. In Bad Oldesloe bietet etwa die Stadtbibliothek seit zwei Wochen freien Funk. Länger dabei sind unter anderem die Theodor-Storm-Schule und das Kinder- und Jugendhaus St. Josef, das als großes Vorbild dient. In dem mehrstöckigen Gebäude verteilen sich 30 Router. „Zum Verständnis: Auf einen Router können bis zu 5 Leute zugreifen“, erklärt Swenningshon.

Freifunker müssen noch die Stadt überzeugen

In Reinbek stellen zum Beispiel die Kinder- und Jugend-Begegnungsstätte (KJB) Neuschönningstedt, der Treff Reinbek sowie das Jugendzentrum Freifunk bereit. Als Marc Swenningshon im September das erste Mal die Veranstaltung „Flüchtlings-Café“ im Jugendzentrum Reinbek besuchte und sich dort mit Asylbewerbern und Initiatoren austauschte, entstand die Idee, auch Flüchtlingsunterkünfte mit Freifunk auszustatten. „Im Café, dort wo regelmäßig Austausch mit den Flüchtlingen stattfindet, gibt es bereits Freifunk – und die Flüchtlinge freuen sich sehr darüber.“ Die Menschen kommunizierten schließlich mit ihren Verwandten oder beschafften sich Informationen via Internet. Im Visier haben die Freifunker aus Stormarn derzeit zum Beispiel die Reinbeker Flüchtlingsunterkünfte am Krabbenkamp, an der Schönningstedter Mühle oder hinter dem Schwimmbad. „Die Awo würde mitmachen, wir müssen nur noch die Stadt von unserem Vorhaben überzeugen“, sagt er.

Die städtischen Verantwortlichen haben allerdings noch Bedenken. Unter anderem aufgrund der Finanzierung, welche die Stadt übernehmen müsste. Ein weiterer Punkt sei die Störerhaftung. Was steckt dahinter? Vereinfacht gesagt geht es darum, dass jemand, der in irgendeiner Weise dazu beiträgt, dass rechtlich geschützte Inhalt verbreitet werden können, dafür belangt werden könnte. Damit der kostenlose Internetzugang nicht von Raubkopierern oder sonstigen Internetbetrügern, die urheberrechtlich geschützte Daten illegal herunterladen oder verbreiten, missbraucht werden kann, haben sich Stormarns Freifunker abgesichert. „Die Teilnehmer haben nichts zu befürchten“, sagt der Reinbeker. Die Daten werden über einen Server im Ausland geleitet. „In unserem Fall sitzt dieser in Holland, wo es keine vergleichbaren Gesetze gibt“, sagt er.

Wofür benötigt der kostenlose Dienst Spenden?

Warum benötigt ein kostenloser Dienst Spenden? „Wegen der Störerhaftung, benötigen wir Server und Netzwerke, um den Traffic über das Ausland zu leiten“, sagt Swenningshon. Das koste Geld. Hinzu komme noch der finanzielle Aufwand für die benötigten Server, um die Router miteinander zu verbinden. „Da es auch im Hinblick auf die Ausstattung der Flüchtlingsunterkünfte oftmals an der Angst vor der Störerhaftung scheitert, sind wir auf Spenden angewiesen.“ Informationen dazu gibt es im Internet auf der Seite www.stormarn.freifunk.net.

Die Ziele für die nächsten Monate und Jahre sind definiert. „Wir wollen die Stormarner für unser Projekt begeistern“, sagt Swenningshon. Daher findet an jedem zweiten Freitag ein informatives Freifunk-Treffen im Reinbeker Jugendzentrum statt. Weitere Visionen: Freifunk-WLAN auf allen öffentlichen Plätzen, etwa Rathausplätze, Bibliotheken oder Einkaufsstraßen.

Besonders am Herzen liegen den beiden Initiatoren jedoch zunächst die Flüchtlinge. Die Gespräche mit der Stadt laufen. Genauso wie die Räder ihrer gedanklichen Ideenschmiede.