Ahrensburg. Der Einsatz in Erstaufnahmeeinrichtungen verschärft die Personalnot, kritisiert die Gewerkschaft. Andere Arbeit bleibe liegen.

„Ich erwarte von der Politik, dass sie der Bevölkerung reinen Wein einschenkt.“ Mit diesem deutlichen Appell in Richtung Kiel fordert die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Regierung auf, die Probleme zu benennen, die durch die Zuwanderung von Flüchtlingen unmittelbare Auswirkungen auf die Menschen in Schleswig-Holstein haben. Denn immer mehr Polizisten würden von ihren eigentlichen Aufgaben abgezogen, um in Erstaufnahmeeinrichtungen Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten zu schützen.

Gut 500 Mitarbeiter der Landespolizei seien derzeit in einer sogenannten „Besonderen Aufbauorganisation Flüchtlinge“ eingebunden. „Das reißt natürlich Löcher an anderer Stelle“, sagt Manfred Börner, Landesvorsitzender der GdP in Schleswig-Holstein: „Jetzt offenbart sich, dass unser Personal seit Jahren auf Kante genäht ist.“ Auch für die Ahrensburger Wache hat das bereits Folgen. Dort gibt es nach Abendblatt-Informationen seit Wochen personelle Engpässe. Hinzu kommt, dass zwei Polizistinnen die Wache verlassen, um an anderer Stelle Löcher zu stopfen, die durch Außenstellen in Flüchtlingsunterkünften entstehen. Der für Stormarn zuständige Polizeidirektor, Michael Wilksen, sagt: „Diesen Weggang gleichen wir aus dem eigenen Bestand aus. Der Ausgleich wird zeitnah erfolgen.“ Wann, das sei aber noch unklar.

Zusätzliche Beamte müssen erst noch ausgebildet werden

„Die Politik muss den Bürger jetzt sagen, dass die Polizei nicht, wie gewohnt, jederzeit da ist. Und dass die Menschen bei Anrufen auch mal in der Warteschleife landen“, sagt Manfred Börner. Auch die FDP hat sich des Themas angenommen. Eine Anfrage an die Landesregierung hat ergeben, dass Schleswig-Holsteins Polizisten bis zum Stichtag 30. September 383.000 Überstunden angehäuft haben. Bis Ende des Jahres werden es etwa eine halbe Million Stunden sein. FDP-Chef Wolfgang Kubicki sagt, dass führe zu Frustration selbst bei hoch motivierten Beamten.

Die Landespolitik hat angekündigt, im nächsten Jahr 150 zusätzliche Beamte einzustellen. Doch kurzfristig löse das die Probleme nicht, sagt Manfred Börner: „Es dauert drei Jahre, bis die Kollegen ausgebildet sind.“ Aus Kiel heißt es: „Die Polizei wird operative Aufgaben der Prävention und der Verkehrsüberwachung bis auf Weiteres ruhen lassen.“ Manfred Börner kritisiert: „Das heißt, dass es an den Schulen keine Verkehrslehrer geben wird.“ Auch werde es kaum noch Verkehrskontrollen auf den Straßen geben. Börner: „Im Hinblick auf die Verkehrssicherheit ist das bedenklich.“ Direktionschef Michael Wilksen bestätigt, dass tatsächlich auch in Stormarn Personal aus dem Bereich Prävention und Verkehrsüberwachung abgezogen werde.

Auch die Bekämpfung der Einbruchskriminalität leide unter den derzeitigen Entwicklungen, fürchtet GDP-Chef Börner, er sagt: „Einbrecher fängt man nicht so nebenbei. Dafür braucht man viel Fahndungspersonal, das wir nicht mehr haben.“ Auch in diesem Punkt und in Bezug auf die aktuelle Lage in Stormarn sagt er: „Auch hier muss die Politik reinen Wein einschenken.“

LKA: Mehrheit der Flüchtlinge ist nicht kriminell

Mit diesem Appell steht der Gewerkschafter nicht allein da. Auch aus der Opposition werden Stimmen laut, die die Informationspolitik von Innenminister Stefan Studt (SPD) kritisieren. Dieser hatte kürzlich erklärt, dass es im Bereich Kriminalität keine besonderen Auffälligkeiten unter Asylbewerbern gebe. Seit Anfang September registrierte die Polizei aber rund 900 Anzeigen, mehr als die Hälfte wegen Eigentumsdelikten. Jedoch geht laut Landeskriminalamt ein Großteil der Wohnungseinbrüche auf das Konto osteuropäischer Banden, unter deren Mitgliedern auch Asylbewerber seien. In Stormarn sind laut Staatsanwaltschaft Lübeck am 21. Oktober drei Asylbewerber aus Georgien bei einem Einbruch in ein Haus in Braak gefasst worden. Die Täter sitzen jetzt in Untersuchungshaft.

„Innenminister Studt muss sich selbst fragen, ob er der Richtige für dieses Amt ist“, sagt Wolfgang Kubicki (FDP) und kritisiert, dass Studt nicht wisse, was in seinem Hause passiere. Oder er führe die Öffentlichkeit bewusst hinters Licht. „Das Verschweigen von Tatbeständen der Flüchtlingskriminalität ist Rückenwind für rechtsextreme Bauernfänger“, so Kubicki.

Auch aus der CDU heißt es: „Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, dass die Landesregierung sie richtig informiert.“ Und warnt davor, dass rechte Gruppierungen mit angeblicher Kriminalität von Asylbewerbern Stimmung machten. „Dem müssen wir entschieden entgegenwirken. Das können wir aber nur glaubwürdig tun, wenn der Staat nicht umgekehrt Probleme verschweigt“, sagt Daniel Günther, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion.

Stefan Studt wehrt sich gegen diese scharfe Kritik. Es werde der falsche Eindruck erweckt, dass es durch die Flüchtlinge ein neues Phänomen gebe. Denn seit Jahren ermittele das LKA gegen organisierte Einbrecherbanden aus dem Balkan. Dies bestätigt die Gewerkschaft der Polizei. Manfred Börner sagt: „Das sind Profis. Seit Jahren ist bekannt, dass der Anteil von Ausländern in diesem Bereich hoch ist.“ Das LKA differenziert ebenfalls. In einer Pressemitteilung heißt es wörtlich: „Aktuelle Bewertungen belegen, dass für die überwiegende Mehrheit der Kriegsflüchtlinge keine besonderen Auffälligkeiten im Sinne eines kriminellen Verhaltens festzustellen sind.“

Auch die für Stormarn zuständige Staatsanwaltschaft in Lübeck und die Polizei verzeichnen derzeit keine Zunahme von Straftaten durch Flüchtlinge. Doch Tatsache ist auch, dass es in Flüchtlingsunterkünften immer wieder zu Gewaltausbrüchen und Machtkämpfen kommt, weshalb dort Polizisten in Außenstellen eingesetzt werden müssen. Manfred Börner sagt dazu: „Da wird gestohlen und geschlagen. Neid spielt eine große Rolle – und es gibt Verteilungskämpfe.“