Gross Weeden. Erstaufnahme an der Grenze Stormarns im Lauenburgischen Groß Weeden geplant. Bürgermeister kritisiert mangelnde Information aus Kiel.

Zwischen Wiesen und Feldern, etwa zehn Autominuten von der Kreisgrenze Stormarns entfernt, liegt das 60-Einwohner-Dorf Groß Weeden im Kreis Herzogtum Lauenburg. Bisher wurde in der Diskothek „Ziegelei“ getanzt und gefeiert. Jetzt soll dort eine Erstaufnahmeeinrichtung entstehen. Das Land plant, auf dem Gelände im Rondeshagener Ortsteil Groß Weeden bis zu 1500 Flüchtlinge zu beherbergen.

Der Parkplatz der alten Diskothek ist riesig und heruntergekommen. Allein die Räume sind 4000 Quadratmeter groß. Besitzer Sigurd Sierig sieht keine Zukunft mehr für die Diskothek. Gegenüber den „Lübecker Nachrichten“ sagte er, die großen Zeiten für Discos seien vorbei. Sierig: „Ich habe nach einer Alternative gesucht, wie ich das Gelände anderweitig produktiv nutzen kann.“ Auch aus Kostengründen.

Vertrauen in die Landesregierung sei hinüber

Schließlich habe er den Kreis und das Amt Berkenthin über seine Pläne informiert, aber das Amt habe ihn an das Land verwiesen. Sierig sagte: „Das Land war interessiert, eine Woche später kamen Beamte zur Besichtigung.“ Nun liefen Verhandlungen über die Verträge. Ob auf dem Parkplatz nur Wohncontainer aufgestellt oder auch die Räumlichkeiten genutzt werden, sei noch unklar.

Rondeshagens Bürgermeister Andreas Albrecht und der Landtagsabgeordnete Klaus Schlie (CDU) sind verärgert, dass sie so spät von den Plänen des Innenministeriums erfahren haben. In einer Pressemitteilung Schlies heißt es: „Das Innenministerium hat sofort dafür zu sorgen, dass alle Voraussetzungen vor Ort geschaffen werden, damit die Flüchtlinge dort human untergebracht werden können.“ Bürgermeister Albrecht sagte am Freitag zum Abendblatt: „Groß Weeden ist ein sehr kleiner Ort für so viele Flüchtlinge.“ Das Verhältnis von 1500 Flüchtlingen zu 60 Dorfbewohnern stimme nicht. „Und sie hätten uns eher informieren müssen“, sagt Albrecht. Doch es gab keine Ankündigung, der 51-Jährige habe von den Plänen erst durch die „Besondere Aufgaben Organsiation“ (BAO) Flüchtlinge der Polizei Ratzeburg erfahren. Albrecht: „Das Vertrauen zur Landesregierung ist erst einmal hinüber.“

Albrecht habe schon viele Anrufe von besorgten Dorfbewohnern bekommen. Nun hat er für den kommenden Dienstag eine Einwohnerversammlung einberufen. „Hoffentlich kommt dann ein Vertreter des Landes“, sagt Albrecht. „Dann könnten viele Fragen geklärt werden, wie zum Beispiel das Thema Wasserversorgung“, ergänzt er. Eine Sache habe er schon jetzt erfahren: „Die Polizeidirektion Ratzeburg plant eine Dienststelle mit rund zehn Personen auf dem Gelände.“

Die Einwohner haben Sorgen, aber keine Angst

© HA | Isabella Sauer

Ziemlich überrascht von den Plänen war auch Anwohnerin Marie-Theres Schleiss. Sie sagt: „Hier gibt es keinen Supermarkt, es gibt keine Freizeitbeschäftigungen und auch keine gute Busanbindung.“ Deswegen hätte sie nie daran gedacht, dass eine Erstaufnahmeeinrichtung ausgerechnet nach Groß Weeden komme. Die 32-Jährige sagt: „Aber es ist so, wie es ist.“ Daran ändern könne sowieso niemand etwas.

Anwohnerin Julia Flottow sagt: „Das Verhältnis stimmt nicht, auf einen Einwohner kommen etwa 25 Flüchtlinge“
Anwohnerin Julia Flottow sagt: „Das Verhältnis stimmt nicht, auf einen Einwohner kommen etwa 25 Flüchtlinge“ © HA | Isabella Sauer

Mehr Sorgen macht sich hingegen Julia Flottow. Es seien einfach zu viele Flüchtlinge auf kleinstem Raum. Flottow: „Ich habe schon ein mulmiges Gefühl, wenn ich künftig mit dem Kinderwagen dort vorbeigehe.“ Grundsätzlich habe sie nichts gegen Flüchtlinge, denn die meisten seien aus gutem Grund hier. „Aber die Menschen können sich hier nicht mal aus dem Wege gehen“, sagt die 23-Jährige.

Werden Menschen aus Kriegs- oder Krisengebieten über Groß Weeden auch nach Stormarn kommen? Edith Ulferts, Fachbereichsleiterin Soziales und Gesundheit bei der Kreisverwaltung, sagt: „Ja, dass könnte auf jeden Fall passieren.“ Ulferts führt das Team „Asyl“ an, das für die Verteilung der Hilfesuchenden zuständig ist. Sie sagt: „Wir wissen immer erst zwei Wochen vorher, aus welchen Erstaufnahmeeinrichtungen die Flüchtlinge zu uns kommen.“