Ahrensburg. Verkehrsexperte Knoll (CDU) legt Trassen-Entwurf vor und fordert eine Machbarkeitsstudie. Kritiker befürchten: Kosten viel zu hoch.

Manchen Ahrensburgern mag das Thema Südtangente, das in den vergangenen Wochen im Bürgermeisterwahlkampf verstärkt wieder auftauchte, wie ein Relikt aus der Vergangenheit vorgekommen sein. Insbesondere bei der Kandidatendiskussion im Kirchsaal Hagen war die Verkehrsentlastung der südlichen Ortsteile Ahrensfelde und Am Hagen durch eine Umgehungsstraße ein Hauptanliegen der Bürger. Das Projekt, das Politik und Verwaltung vorübergehend ad acta gelegt hatten, wird jedoch in Kürze bei Diskussionen zur Stadtentwicklungsplanung erneut auf die Agenda gesetzt.

Im neuen Flächennutzungplan der Stadt ist die Tangente nicht verankert

Derzeit ist die Möglichkeit einer Südumgehung im noch gültigen Flächennutzungsplan von 1974 enthalten, zumal sie im Vertrag über die ebenfalls 1974 erfolgte Eingemeindung von Ahrensfelde vereinbart worden war. Im neuen Flächennutzungsplan, der noch im Stadium eines Vorentwurfs ist und wahrscheinlich 2016 beschlossen wird, ist die Südtangente noch nicht fest verankert. Sie ist aufgrund unterschiedlicher politischer Beschlüsse bislang in einem Nebenplan des F-Plans dargestellt, um Zeit für die weitere Prüfung und Abstimmung zu gewinnen.

Er kämpft seit Jahren für eine Südumfahrung Ahrensburgs: Eckerhard Knoll
Er kämpft seit Jahren für eine Südumfahrung Ahrensburgs: Eckerhard Knoll © HA | Birgit Schücking

Im Unterschied zur ebenfalls lange diskutierten Nordtangente, deren Nutzen trotz einiger Kontroversen im Detail für die meisten Stadtverordneten unstrittig ist, wirkt das jahrzehntelange Vorhaben einer Südtangente politisch polarisierend – und scheint momentan nicht mehrheitsfähig. Gleichwohl gibt es gute Argumente für weitere Untersuchungen und die Beibehaltung einer Trasse im neuen Flächennutzungsplan. Begründung dafür ist der über Jahrzehnte kontinuierlich stark gewachsene Querverkehr zwischen der Hamburger Straße (L 82/B 75 alt) und dem Verlängerten Ostring (L 224) mit kurzer Anbindung an die Autobahn A 1. Die Autokolonnen fahren über den Bahnübergang Brauner Hirsch durch die Siedlung Am Hagen und über die verwinkelte Dorfstraße durch das Zentrum des Reiterdorfes Ahrensfelde.

Die Straße Brauner Hirsch wird Tag für Tag von 7500 Autos befahren

Die 4,8 Kilometer lange Strecke mag früher ein Schleichweg für Kenner gewesen sein. Seit dem Ausbau vom Braunen Hirsch im Jahr 2003 und aufgrund moderner Navigations-Empfehlungen ist die Route eine gern genutzte Abkürzung zwischen West und Ost mit einer Fahrzeit von circa acht Minuten. Zählungen aus 2014 ergaben Verkehrsmengen von mehr als 7500 Kraftfahrzeugen täglich. Laut Masterplan Verkehr wurde mit dieser Frequenz erst 2025 gerechnet. Auch wenn dieses Verkehrsaufkommen gegenüber Streckenabschnitten der Lübecker Straße und Hamburger Straße (L 82) mit etwa 17.000 Kraftfahrzeugen pro Tag vergleichsweise gering erscheint, sind die 7500 Fahrzeuge im Süden der Stadt alles andere als eine Kleinigkeit, die von empfindlichen Anwohnern übertrieben wird. Tatsächlich ist der gesamte Straßenzug Brauner Hirsch/Dorfstraße streckenweise schmal, der Verkehr führt durch dicht bebaute Wohngebiete und ist in Spitzenzeiten so stark und schnell, dass das Überqueren der Fahrbahn auf der durchgehend ampelfreien Strecke schwierig und gefährlich ist.

„Kosten in Höhe von 30 Millionen plus x lassen das Projekt in Ahrensburg völlig illusorisch scheinen,“ Hartmut Möller, Fraktionschef der SPD
„Kosten in Höhe von 30 Millionen plus x lassen das Projekt in Ahrensburg völlig illusorisch scheinen,“ Hartmut Möller, Fraktionschef der SPD © Birgit Schücking

Die seit den 70er-Jahren zu verzeichnende Verdoppelung der Verkehrsbelastung ist nach Aussage von Eckehard Knoll beispiellos für die Ahrensburger Gemeindestraßen. „Die Querverbindung ist trotz des Hemmnisses einer Tempo-30-Begrenzung in der Ortsdurchfahrt von Ahrensfelde zunehmend attraktiv für Ahrensburger Ziel- und Quellverkehre, aber besonders für regionale und überregionale Durchgangsverkehre. Ohne Entlastung durch eine Umgehungsstraße ist das Problem definitiv nicht zu lösen“, sagt der Fachmann. Der 73 Jahre alte Ingenieur für Stadtbauwesen, der als Baudirektor Straßen in Hamburg plante, ist Verkehrsexperte der Ahrensburger CDU. Er hat nach eingehender Recherchen und Ortsbesichtigungen eine mögliche Linienführung für die Südtangente entworfen, die er auch unter ökologischen Aspekten für zielführend hält. „Die Variante ist realisierbar und finanzierbar. Andere Gemeinden in Stormarn wie Siek, Trittau und Bargteheide haben gezeigt, wie es geht.“

Die 4,6 km lange Trasse beginnt mit einem Kreisverkehr an der Einmündung Eulenkrugstraße in die Hamburger Straße (L 82). Von dort soll die Umgehungsstraße mit einer etwa 300 Meter langen Brücke über die Bahngleise und das Naturschutzgebiet Stellmoorer Tunneltal zu einem Kreisel Am Kratt geführt werden, um die Siedlung Am Hagen anzubinden. Ein weiterer Kreisel ist 1,5 Kilometer östlich an der verlängerten Hagener Allee vorgesehen. Danach verläuft die Trasse südlich von Ahrensfelde, bevor sie vor dem Gebiet der Gemeinde Siek leicht nach Norden verschwenkt und über einen vierten Kreisel in den Verlängerten Ostring (L 224) einmündet. Auf dieser Route soll sich die bisherige Fahrzeit bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 Kilometern pro Stunde auf etwa vier Minuten halbieren.

Bisher haben der Einsatz Knolls und seiner Mitstreiter keinen Erfolg gehabt

Knoll schätzt die Kosten für Straßen- und Brückenbau seiner Südtangentenvariante auf 25 Millionen Euro. Sie verteilen sich mit 17 Millionen Euro auf einen ersten Bauabschnitt von der L 82 bis zum Kreisel Hagener Allee und mit acht Millionen Euro auf einen zweiten für die restliche Strecke. Die Kosten für den Brückenbau – Knoll geht von etwa zehn Millionen Euro aus – wären nicht vom Straßenbaulastträger, sondern von der Deutschen Bahn als Veranlasser zu tragen.

„Die Chance zur Entlastung von Ahrensfelde und der Siedlung Am Hagen muss gewahrt bleiben“, Hinrich Schmick, Fraktionschef der WAB
„Die Chance zur Entlastung von Ahrensfelde und der Siedlung Am Hagen muss gewahrt bleiben“, Hinrich Schmick, Fraktionschef der WAB © Thies Jonas

Der Brückenbau ist ein wesentlicher Grund dafür, dass die Südumgehung jetzt zum dringlichen Thema in Ahrensburg werden könnte. Denn der Ausbau der Bahnlinie von zwei auf vier Gleise für die geplante S 4 erfordert statt des beschrankten Bahnüberganges am Braunen Hirsch eine Straßenbrücke, die aber nicht zwingend an der vorhandenen Stelle der Querung lokalisiert sein müsste. Ahrensburg könnte also für den Bau einer Südtangente den bevorzugten Standort selbst auswählen. Voraussetzung dafür wäre, dass die Stadt sich zeitnah entscheidet, ob eine Südtangente überhaupt gebaut werden soll. Andernfalls würde die Bahn in ihrer laufenden Planung eine Brücke im Verlauf vom Braunen Hirsch weiter verfolgen. Die ungeliebte Verkehrsschneise mitten durch den Hagen und Ahrensfelde wäre dann gleichsam zementiert und die Südtangente endgültig passé.

Eckehard Knoll hat all das seit fünf Jahren mit Fachkenntnis und planerischer Weitsicht entwickelt. Bestätigt sieht er sich dabei durch die Haltung vieler Bewohner im Hagen und in Ahrensfelde. Es gab seit der Diskussion über den Masterplan im Jahr 2010 verschiedene Protestveranstaltungen, eine Petition sowie eine Resolution, die von vielen Bürgern unterstützt wurde. Verwaltung und Politik haben die Forderungen zur Kenntnis genommen. Fortschritte waren allerdings rar.

Die Erste Vorsitzende der Bürgergemeinschaft Am Hagen, Frau Silke Quast-Müller, sagt: „Wir sind enttäuscht, wie wenig man sich im Rathaus unserer sachlichen Argumente, berechtigten Wünsche und Forderungen annimmt. Unser Verein engagiert sich seit Jahren für die gedeihliche Entwicklung unseres Wohngebietes, und wir hören immer wieder nur, warum die Südtangente mit angeblich unlösbaren Problemen behaftet ist. Doch wir wollen nicht aufgeben. Es geht um die Zukunft unserer liebenswerten Siedlung.“ Kritiker der Südtangente stellen nach wie vor einige Grundannahmen der Verkehrsplanung von Eckehard Knoll in Frage. Besonders deutlich sagt dies Hartmut Möller, Fraktionsvorsitzender der SPD und Vorsitzender des Bau- und Planungsausschusses: „Wir gehen von Kosten in Höhe von 30 Millionen Euro plus x aus, was das Projekt für Ahrensburg völlig illusorisch erscheinen lässt. Die Trasse zieht nicht genügend Verkehr an, um extern finanziert zu werden.“

Zu wenig Nutzer, zu viel Widerstand des Nachbarn Hamburg, sagen die Kritiker

Hartmut Möller nimmt an, dass zu wenig Fahrzeuge auf dieser Route unterwegs sein werden, um den Bau einer Landesstraße zu rechtfertigen. „Außerdem sind zwei Drittel des Verkehrs hausgemacht“, sagt er. Gegen die Südtangente spreche auch die Ablehnung des Nachbarn Hamburg, dessen Gebiet berührt werde: „Die Hamburger haben erhebliche Einwände, weil dann der Verkehr auf der Eulenkrugstraße nach Volksdorf deutlich zunehmen würde. Und es sprechen auch die Belange des Naturschutzes im sensiblen Biotop Tunneltal dagegen. Möllers Fazit: „Wir halten diese Straßenverbindung für unsinnig. Die Planung sollte nicht weiter verfolgt werden.“

Ahrensburgs Bürgermeister Michael Sarach sagt zwar, dass jede Entlastung des städtischen Verkehrs wichtig sei, aber in diesem Fall die Rahmenbedingungen ungünstig seien. Auch er führt den Widerstand Hamburgs an, den Umweltschutz, die Zerschneidung landwirtschaftlicher Nutzflächen und hohe Baukosten, die Ahrensburg wahrscheinlich ohne Fördermittel tragen müsste. Dennoch sagt Sarach: „Ich gehe aber davon aus, dass die politische Diskussion zum Thema noch nicht abgeschlossen ist.“ Damit liegt der Bürgermeister vermutlich richtig.

Gegner und Befürworter uneins überdie Verkehrsprognose für den Hagen

Außer der CDU befürwortet auch die WAB die Südtangente und hält ihre Aufnahme in den neuen Flächennutzungsplan für geboten. Fraktionschef Hinrich Schmick: „Nur so kann die Chance für eine nachhaltige Verkehrsentlastung der südlichen Ortsteile Ahrensfelde und der Siedlung Am Hagen sowie der Innenstadt mit dem AOK-Knoten gewahrt bleiben.“

Eckehard Knoll glaubt, dass er die Gegenargumente durch seinen Entwurf entkräften kann. Die Finanzierung betrachtet er als Aufgabe des Landes Schleswig-Holstein, weil eine Südumgehung zwei Landesstraßen, die L 82 und die L 224 (inklusive A 1) miteinander verbinden würde. Die Menge des zu erwartenden Verkehrs mit 8000 Fahrzeugen am Tag rechtfertige sehr wohl eine neue Landesstraße. Wobei erwähnt werden muss, dass Befürworter und Gegner bislang uneins über die Verkehrsprognosen sind. Den Naturschutz sieht Knoll durch seinen Entwurf nicht gefährdet – im Gegenteil: Durch eine weitgespannte Talbrücke mit schlanken Stützen sei die Beeinträchtigung der Fauna und Flora im Naturschutzgebiet Tunneltal an seiner schmalsten Stelle mit nur 250 Metern Breite weitaus geringer als bei der Beibehaltung der fast doppelt so langen Streckenführung am Braunen Hirsch durch das Naturschutzgebiet. Bei Realisierung der Südtangente könnte diese 450 Meter lange Schneise beseitigt und renaturiert werden.

In der Ablehnung der von der Bahn bislang bevorzugten kostengünstigen Konstruktion mit einem langen aufgeschütteten Damm und einer kurzen Straßenbrücke besteht offenbar Einigkeit. Auch Hartmut Möller sagt: „Ein Damm mit Guckloch geht gar nicht.“ Aber er sagt auch, dass er eine Brücke am Braunen Hirsch für die beste Lösung hält. Die vermeintlichen Differenzen mit den Nachbarn sieht Knoll gelassen: Sein Trassenentwurf berührt nur an zwei Stellen geringfügig Hamburger und Sieker Gebiet. Das ließe sich in beiden Fällen durch Flächentausch regeln, zur Not aber auch durch kurze Trassenverschwenkungen.

Der Verkehrsexperte hofft jetzt auf die Beauftragung einer externen Machbarkeitsstudie, damit nach Fakten und nicht aufgrund von Spekulationen entschieden werden kann. Erstes Etappenziel der Ahrensburger CDU ist die Aufnahme der Südtangente in den Entwurf des neuen Flächennutzungsplans.