Ahrensburg. 2500 Menschen kommen bis Jahresende nach Stormarn. Stellvertretender Landrat kritisiert: Der Kreis bleibt auf den Kosten sitzen.

Für Joachim Wagner war der herbstliche Ausflug nach Kiel ein frustrierendes Erlebnis. In Vertretung des Amtsinhabers Klaus Plöger war Wagner als 1. stellvertretender Landrat einer Einladung des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Torsten Albig gefolgt, in größerer Runde mit Vertretern der Kreise, Städte und Kommunen über Herausforderungen und Lösungen der Probleme zu diskutieren, die durch den steten Fluss von rasch unterzubringenden Flüchtlingen vor Ort entstehen.

Nicht nur Joachim Wagner war in der Hoffnung angereist, dass er eine halbwegs erfreuliche Botschaft des Ministerpräsidenten mit nach Hause bringen würde. Denn in der vergangenen Woche hatte die Bundesregierung mit den Ländern deren teilweise finanzielle Entlastung verabredet. Es wurde beschlossen, dass der Bund jeden Monat für jeden Flüchtling 670 Euro an die Länder zahlt – was bei Kreisen, Städten und Kommunen in Schleswig-Holstein die Erwartung weckte, dass sie künftig stärker vom Land unterstützt würden.

„Als Torsten Albig aber die Runde mit den Worten ,Wir wollen heute nicht über Geld reden, das ist nicht der richtige Moment und bringt jetzt nichts’ eröffnete, da haben wir alle ziemlich sparsam geguckt“, berichtet Joachim Wagner. Der Ministerpräsident habe seine einleitenden Worte damit begründet, dass jetzt gehandelt werden müsse. Wagner: „Er sagte, er habe die Erwartung, dass im Winter kein Flüchtling in Schleswig-Holstein hungere und friere. Das werde zwar schwierig, sei aber zu schaffen.“

Dieser Appell habe den Widerspruch derjenigen provoziert, die vor Ort die Hilfe für Asylbewerber organisieren. So habe unter anderem Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe auf die begrenztem Kapazitäten verwiesen, auf volle Bestandsunterkünfte, auf lange Lieferzeiten und hohe Kosten für Wohncontainer und Blockhäuser. Den Hinweis auf die prekäre Lage habe der Ministerpräsident mit deutlichen Worten gekontert. Wagner: „Albig sagte: ,Mit welchem Recht behaupten wir, dass wir nicht mehr können, wenn ein Staat wie der Libanon eine Million Flüchtlinge aufnimmt.’“

Flüchtlingszahlen

In Schleswig-Holstein kommen zurzeit täglich 400 bis 500 Flüchtlinge an, mehr als 50.000 könnten es Ende dieses Jahres sein. Wagner berichtet, dass Albig damit rechne, dass der starke Zustrom in den kommenden Jahren unvermindert anhalten werde – trotz der Ablehnungen von Asylbewerbern aus den als sicher eingestuften Herkunftsstaaten.

Joachim Wagner geht von bis zu 25.000 Flüchtlingen aus, die Schleswig-Holstein auf nicht absehbare Zeit Jahr für Jahr unterbringen muss. „Zurzeit sind es etwa 1800, die in Stormarn leben, bis Jahresende ist mit 2500 zu rechnen.“ Der CDU-Politiker weiß aus seiner Heimatgemeinde Oststeinbek, dass die Unterbringung noch gut zu organisieren ist. „Bei uns leben 56 Flüchtlinge. Das ist nicht dramatisch. Was aber, wenn der Zustrom über zehn Jahre anhält?“

Finanzierung

Wer die Finanzierung trägt, ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. In Schleswig-Holstein übernimmt das Land 70 Prozent der Kosten für jeden Flüchtling. 30 Prozent trägt der Kreis. „Wir hatten die Hoffnung, dass wir durch die Übereinkunft in Berlin stärker entlastet würden. Wir bekommen aber keinen Euro mehr. Das ist enttäuschend“, sagt Wagner.

Die Kommunen und Städte sind in Schleswig-Holstein zuständig für die Unterkünfte von Flüchtlingen, also für die Organisation von Wohnraum. Dazu zählt auch die Investition in neue Wohneinheiten, die besonders nachhaltig ist, wenn Neubauten für lange Zeit genutzt werden können, also zum Beispiel später als sozialer Wohnraum.

Die Kommunen erhalten außerdem eine sogenannte Integrationspauschale für die Aufnahme und professionelle Betreuung von Flüchtlingen. Diese Pauschale wurde gerade von 900 auf 1000 Euro erhöht.

Wohnraumbedarf

Wagner weist darauf hin, dass die Asylbewerber, die anerkannt werden, als Einwohner im Lande bleiben – Menschen, die dauerhaft untergebracht werden müssten. „Für 20.000 Menschen benötigen wir mit spitzem Bleistift gerechnet 5000 zusätzliche Wohneinheiten. Für Stormarn gehe ich von zusätzlichen 400 Wohneinheiten im Jahr aus. Das ist eine gewaltige Herausforderung für Verwaltung und Politik in den Kommunen.“ Ministerpräsident Albig habe, so Wagner, bereits angekündigt, dass Standards herabgesetzt würden, damit rasch neue Schlichtwohnungen gebaut werden könnten.

Konsequenzen

Wagner weist darauf hin, dass die zusätzlichen Kosten den Kreis belasteten, so dass der seine Einnahmen verbessern müsse. „Als Folge dürfte die Kreisumlage erhöht werden. Das setzt eine Steuerspirale in Gang. Die Kommunen werden Gewerbesteuern und Grundsteuern erhöhen. Damit kommen die Kosten auch bei den Bürgern an.“

Eine Spitze gegen die Landesregierung hat Wagner noch parat. „Wenn wir nicht das von Kiel initiierte Finanzausgleichsgesetz hätten, wäre das alles für die Kommunen besser zu verkraften“, sagt er und fügt hinzu, dass Torsten Albig auch auf den kommunalen Finanzausgleich, der die wohlhabenden Gemeinden in Stormarn besonders belaste, angesprochen worden sei: „Aber davon wollte er auch nichts hören.“