Der Iraker Zedan Khalaf Kassim wohnt jetzt in Oststeinbek. Wie nimmt er sein Umfeld wahr? Er zeigt sein neues Leben in Fotos.
Fast 1800 Flüchtlinge leben derzeit in Stormarn. Doch wer sind die Menschen, die sich hinter dieser Zahl verbergen? Was fühlen sie hier? Und vor allem: Wie sehen sie ihre neue Heimat? Einer von ihnen heißt Zedan Khalaf Kassim. Der Iraker ist seit August 2014 in Oststeinbek untergebracht – nach einer vierwöchigen Flucht über den Balkan kam er nach Stormarn.
Das Abendblatt hat den 23-Jährigen gebeten, seine Sicht der Dinge zu schildern. Zedan bekam eine Kamera, um Orte im Kreis zu zeigen, mit denen er etwas Besonderes verbindet. Der junge Mann fotografierte Menschen, die ihm wichtig sind und Halt geben. Er zeigt uns sein neues Leben in Bildern.
Vieles spielt sich dabei in Oststeinbek in unmittelbarer Nähe seiner Unterkunft ab. Das sei typisch für die neuen Mitbürger, sagt Jakob Rohde, Vorsitzender des Oststeinbeker Flüchtlingshilfevereins und erste Bezugsperson für Zedan. Die Flüchtlinge seien sehr mit sich selbst beschäftigt, für Entdeckungsreisen sei kein Platz im Kopf. Zedan betont immer wieder, wie dankbar er für die Hilfsbereitschaft ist. Das mitzuteilen, ist ihm eine Herzensangelegenheit. Wie es in ihm aussieht, darüber vermeidet er zu sprechen. Zu tief sind die Wunden, und das Geschehen ist noch nicht verarbeitet.
Zedan ist Jeside, im Shingal-Gebirge im Nordirak aufgewachsen. Seine Muttersprache ist Kurdisch. Mit seinen Eltern und den sechs Geschwistern im Alter von 15 bis 24 Jahren hat er ein Haus in Khanasor bewohnt. Dann kamen die Terroristen des Islamischen Staates (IS). „Viele meiner Freunde wurden getötet“, sagt Zedan. Seine Stimme stockt. Und Männer hätten die Mädchen entführt. „Sterben oder Fliehen, eine andere Wahl hatte ich nicht.“
Die Familie lebt in einem Auffanglager der Vereinten Nationen im Irak
Das Haus, in dem er großgeworden ist, sei von Terroristen geplündert worden. Möbel, Zahnputzbecher, Waschlappen – alles weg. Selbst die Hühner hätten sie mitgenommen. Das Gebäude stehe aber noch – im Unterschied zu vielen anderen in der Nachbarschaft. Seine Familie hat Zedan im Irak zurückgelassen. Auch sie ist geflüchtet – in ein Auffanglager der Vereinten Nationen in dem Land. Dort lebt sie in Zelten. Weiter Richtung Norden gehe es für die Kassims nicht, dafür fehle das Geld. Zedan hat sein ganzes Erspartes einem Schlepper gegeben, um nach Deutschland zu gelangen – 12.000 US-Dollar habe er bezahlt.
Wie ein Flüchtling Stormarn sieht
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Mit dem Zug ging es nach Istanbul. Dort sei er mit 25 anderen Menschen – darunter auch sein Kumpel Ali, der in Bad Oldesloe lebt – in einen Lastwagen gequetscht worden. „Es war eng, zumal der Wagen auch noch einen Generator transportierte.“ Seine Tasche und das Smartphone musste Zedan abgeben. Drei Tage und Nächte führte der Weg über Bulgarien bis nach München. Ohne Essen und Trinken. Aussteigen war nicht erwünscht, die Angst der Schlepper, enttarnt zu werden, groß. Zedan: „Ich habe während dieser Zeit kein Tageslicht gesehen.“
Zedan bekommt dreimal pro Woche für eineinhalb Stunden Deutschunterricht
13 Monate ist diese Odyssee jetzt her. Eine Zeit, in der sich für Zedan viel verändert hat. Er sagt, er sei glücklich in Oststeinbek, vermisse aber die Familie. Den Kontakt hält er über das Telefon. Seit Januar lernt der Iraker Deutsch. Mitglieder des Flüchtlingshilfevereins unterrichten ihn dreimal pro Woche jeweils eineinhalb Stunden. Er sei lernwillig, heißt es dort. Zedan habe den Kursus nicht einmal ausfallen lassen. In seinem Zimmer hängen rosa Zettelchen in Herzchenform an der Wand mit deutschen Begriffen, darunter das Pendant auf Arabisch.
Ein Zurück soll es für Zedan, der seit Juli anerkannter Flüchtling ist und für drei Jahre Bleiberecht hat, nicht geben. Er sagt: „Ich möchte hier bleiben und arbeiten, würde jeden Job machen.“ Er wolle für sich selbst sorgen und nicht von Almosen leben. Im Irak hat der junge Mann keine Schule besucht, bis zu seiner Flucht sechs Jahre als Steineverleger gearbeitet.
Seit zwei Wochen macht Zedan ein Praktikum bei der Firma Kellers Kaminhof im Oststeinbeker Ortsteil Havighorst. Dort ist er gut aufgenommen worden. „Wenn er die deutsche Sprache sowie die Schrift beherrscht, hat er Chancen auf einen Ausbildungsplatz“, sagt Firmenchefin Katrin Keller. Soweit sei der Iraker aber noch nicht. Zumindest winkt ihm im kommenden Jahr ein Job als Helfer. Für Zedan wäre das ein weiterer Schritt in die Unabhängigkeit in seiner neuen Heimat Stormarn.
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