Rethwisch. Wer räumt den Pleite-Müll weg? Nach Insolvenzantrag der Autobahnbaufirma Betam. Viel Bauschutt bleibt auf Ackerflächen liegen.

Die Autobahnbauer von der A 1 sind weg. Den Müll haben sie dagelassen: 200.000 Kubikmeter Erde und Geröll. Ungezählte Betonrohre. Kanister und Fässer mit bislang unbekanntem Inhalt. Ein sehr großer Kipplaster müsste mindestens 10.000-mal fahren, um all das abzutransportieren. Aber es kommt keiner: Die Bochumer Baufirma Betam, bis Dezember vergangenen Jahres mit der Sanierung der A 1 zwischen Bad Oldesloe und Reinfeld beschäftigt, hat Insolvenz angemeldet. Der Betrieb ruht. Der Autobahnabschnitt ist fertig. Doch es gibt niemanden mehr, der sich in der Verantwortung sieht, den Müll abzuholen. Die Leidtragenden: drei Landwirte.

Auf dem zweieinhalb Hektar großen Feld sollte schon seit Mai Mais wachsen

Albert Stapelfeldt, 64, zeigt, was von seinem Acker übrig blieb. Er hat sich mittlerweile an den Anblick des Pleite-Mülls gewöhnt: an verdichteten, steinharten Boden, an mehrfamilienhaushohe Erd- und Schuttwälle, an das Regenwasser, das sich dazwischen staut. „Hier auf meinem Feld ist der Beton der alten Fahrbahn zerkleinert worden“, sagt der Milchviehhalter aus dem Rethwischer Ortsteil Steensrade, der 500 Kühe und 400 Hektar Land sein Eigen nennt. „Und den Aushub aus den Kanalgräben hat Betam hier auch gelagert.“ Eigentlich sollte auf diesem zweieinhalb Hektar großen Feld schon seit Mai Mais wachsen. Zurzeit scheint es schwer vorstellbar, dass dort jemals wieder etwas wächst.

An der Straße zwischen Steensrade und Meddewade hat einst das Betam-Betonmischwerk gestanden
An der Straße zwischen Steensrade und Meddewade hat einst das Betam-Betonmischwerk gestanden © HA | VKuenstner@wmg.loc

Dass Landwirte wie Stapelfeldt Flächen an Autobahnbaugesellschaften vermieten, ist landauf, landab gängige Praxis. „Das geschieht auf Basis von Verträgen, die direkt zwischen Firma und Landwirt abgeschlossen werden“, sagt Jens Sommerburg, Leiter des Landesbetriebs für Straßenbau und Verkehr (LBV) in Lübeck; die Behörde führt im Auftrag des Bundes Regie beim Autobahnbau.

Die Worte des LBV-Chefs bringen das Problem auf den Punkt: Das Land Schleswig-Holstein sieht sich nicht in der Pflicht.

Betam aber ist eben nicht mehr handlungsfähig. Und ob aus der Insolvenzmasse Geld zur Verfügung stehen wird, um die Felder in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen, ist zurzeit vollkommen ungewiss, eine Lösung insofern nicht mal ansatzweise in Sicht. Nicht für Albert Stapelfeldt, nicht für seine beiden Kollegen, die ebenfalls Felder an den Baukonzern vermietet haben.

Auch das Kreisumweltamt interessiert sich für die Müllhalden

Von Steensrade führt eine schmale, kurvenreiche Landstraße unter der Autobahn hindurch in Richtung Meddewade. Gleich hinter dem Tunnel rechts die nächste Baustellenruine. Große Betonringe, offenbar beim Gullybau nicht benötigt, versperren die Zufahrt provisorisch. Ein Tor in einem Gitterzaun steht halb offen, daran ist mit Kabelbindern ein Schild angebracht: „Betreten der Baustelle verboten!“ Dahinter hat noch vor einem Jahr das Betonmischwerk gestanden. Inzwischen ist von einer Baustelle nichts mehr zu sehen, das Feld gleicht eher einer Mondlandschaft. Die teure Mischanlage hat Betam abgebaut und mitgenommen. Der Dreck ist auch hier geblieben. Ähnlich sieht es auf einem dritten Feld in der Gemarkung Rethwischfeld aus.

Ein unhaltbarer Zustand, meinen nicht nur Albert Stapelfeldt und seine Kollegen. Auch das Kreisumweltamt interessiert sich nun für die Müllhalden am Rande der Autobahn. Der Umweltausschuss befasst sich heute Abend (18.15 Uhr, Mommsenstraße 11, Sitzungsraum D 132) ebenfalls damit. „Die Naturschutzbehörde hat die Genehmigung für die Nutzung der drei Flächen ausgesprochen und an die Auflage geknüpft, dass am Ende der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt wird“, sagt der zuständige Fachbereichsleiter in der Kreisverwaltung, Klaus Kucinski. Seinen Worten zufolge will sich der Kreis Stormarn jetzt mit einer Forderung an den Insolvenzverwalter der Firma Betam wenden. Sollte Geld fließen, könnte davon der Rückbau der Lagerplätze auf den drei landwirtschaftlichen Flächen bezahlt werden. Sollte kein Geld fließen, könnte der Kreis theoretisch auch die Landwirte selbst zur Kasse bitten.

Albert Stapelfeldt ist zuversichtlich, dass es doch noch zu einer wie auch immer gearteten Lösung kommt. Heute wird das Thema erst mal ganz hoch aufgehängt: Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) und sein Kabinett tagen in Bad Oldesloe. Am Rande soll es auch um den Pleite-Müll gehen.

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