Davon waren 60.580 Tonnen Restmüll. Er wird regelmäßig in der Müllverbrennungsanlage in Stapelfeld verbrannt.
Da ist es wieder: „Rumms“. Das tiefe, vibrierende Geräusch klingt wie in weiter Ferne. Als hätte ein Elefant im Nachbargebäude gegen eine Stahlwand getreten. „Wenn es gleich wieder rummst – das ist nicht schlimm“, sagt Holger Heinig und lächelt. „Das kommt aus dem Müllbunker. Der Kranführer ist noch relativ neu bei der Sache.“ Heinig ist Technischer Geschäftsführer der Müllverbrennungsanlage (MVA) in Stapelfeld – jenem Ort, an dem Stormarns Restmüll vernichtet wird. Die Anlage ist eine von 19, die der Energy from Waste GmbH, einem schwedischen Infrastrukturfonds, gehören.
60.580 Tonnen Abfall waren es im vergangenen Jahr. Das sind 55,2 Prozent von insgesamt 109.588 Tonnen Abfall, den Stormarner Bürger in 2014 produziert haben. Er setzt sich aus dem Restmüll, 19.600 Tonnen Biomüll, 19.433 Tonnen Altpapier, 3043 Tonnen Sondermüll und 6932 Tonnen Leichtverpackungen, auch Gelber Sack genannt, zusammen.
Bei der Müllverbrennung werden Strom und Wärme erzeugt
In Stapelfeld wird Stormarns Restmüll nicht nur vernichtet, sondern auch thermisch verwertet. Das heißt, es werden dabei Strom und Wärme erzeugt. Die 60.580 Tonnen aus Stormarn sind nur einen kleiner Anteil der 350.000 Tonnen Abfall, der übers Jahr in der MVA verbrannt wird. Der Rest stammt aus dem Herzogtum Lauenburg, dem Kreis Segeberg, aus Hamburg und von Gewerbetreibenden, die den Müll containerweise bringen.
Der Hausmüll wird in Müllfahrzeugen, sogenannten Presswagen, zur Kipphalle gebracht. Acht Tonnen eng aneinandergepressten Abfall haben die Lkw dann an Bord. „Zu Stoßzeiten kommen die hier im Minutentakt an“, sagt Heinig. Die Kipphalle erreichen die Müllwagen über eine Rampe, die zehn Meter nach oben führt. Das ist nötig, weil von dort oben der Müll durch große Löcher im Boden über eine Schütte in das angrenzende Gebäude gekippt wird: den Müllbunker, ein wuchtiger Koloss von 41 Meter Länge und 40 Meter Breite, innen 37 Meter hoch.
Stormarns Müll in Zahlen
Hier, im Inneren des großen Bunkers, entsteht das Rumms-Geräusch. Wenn nämlich der Kranfahrer die Kralle etwas zu schwungvoll bewegt – und sie gegen etwas donnert. „Es dauert ein wenig, bis man damit perfekt umgehen lernt“, sagt der Technische Geschäftsführer Heinig. Dann ist Schichtwechsel. Der Ablöser, Kranführer Udo Teschendorf, beherrscht seine Aufgabe im Schlaf. Seit zehn Jahren macht der 53-Jährige diesen Job.
Wie ein König vor seinem Reich thront Teschendorf in einem drehbaren Sessel hoch oben über dem Müllberg. In der rechten Hand den Hebel zur Bedienung des Krans. Der unsägliche Gestank des Mülls macht ihm nichts aus – er riecht ihn nämlich nicht. Teschendorf sitzt gut abgeschirmt in einem Glaskasten in 21 Meter Höhe. Ein Hauch von Gestank liegt zwar in der Luft. Jedoch: „Die Mitarbeiter nehmen das gar nicht mehr wahr. Aber wenn wir Schulklassen hier durchführen, ist das anders. Kinder scheinen sehr empfindliche Nasen zu haben“, sagt Heinig.
Im Feuerraum werden innerhalb einer Stunde 22 Tonnen Müll verbrannt
Von oben blickt Teschendorf auf Essensreste, Plastikfolien, Styroporreste, Holzlatten, Autoreifen, Polster, Koffer, Gartenstühle – alles mögliche ist in dem Müllberg zu sehen. Mit der Kralle führt der Kranführer den Müll nach oben und lässt ihn in einen Trichter fallen. Der führt in den Müllkessel, auch Feuerraum genannt. Dieser befindet sich schon wieder im nächsten Gebäude, dem Kesselhaus.
Der Feuerraum, zehn Meter lang und sechs Meter breit, ist das Herzstück der Anlage. Auffallend warm ist es um ihn heru, aber nicht heiß – im Inneren hingegen sind es 1100 Grad. Innerhalb einer Stunde werden darin 22 Tonnen Müll verbrannt. „Immer wieder rutscht von oben Müll nach“, sagt Heinig. Das, was nach der Verbrennung übrig bleibe, sei Schlacke. „Das ist die Asche, also alles, was nicht brennbar ist.“ Sie wird anschließend gereinigt und kann als Baustoff im Deponie- und Straßenbau verwendet werden.
Der Strom wird während der Verbrennung durch Wasserdampf erzeugt: In einem Rohrsystem, das auch an den Wänden des Feuerraums entlangführt, zirkuliert Wasser. Durch die Hitze, die bei der Verbrennung entsteht, wird das Wasser zu 380 Grad heißem Dampf. Dieser steigt nach oben und treibt dort eine Turbine an, die wiederum Strom erzeugt. 80.000 Megawattstunden Energie werden auf diese Weise pro Jahr erzeugt und ins Stromnetz eingespeist. Sie versorgt 25.000 Haushalte.
Die Müllverbrennungsanlage kann 25.000 Haushalte mit heißem Wasser versorgen
Neben der Stromerzeugung erhitzt der Dampf über Wärmetauscher zudem Wasser, welches als Fernwärme genutzt wird. Auf diese Weise kann die Müllverbrennungsanlage 25.000 Haushalte in mit heißem Wasser versorgen. „In Stormarn sind es allerdings nur 70 Haushalte in Stapelfeld“, sagt Heinig. „Der Rest fließt nach Hamburg.“ Die Verbrennungsreste hingegen wandern vom Feuerraum in die Schlackenaufbereitung und Abgasreinigung.
Dort wird gefiltert, was das Zeug hält: Feinstäube beispielsweise landen in einem Elektrofilter, Quecksilber in einem Koksfilter, der in einer Sonderabfallverbrennungsanlage in Hamburg entsorgt wird. „Früher hatten Müllverbrennungsanlagen nur Bunker, Kessel und Kamin, vielleicht noch einen Elektrofilter“, sagt Heinig. Heute sei das anders: „In Stapelfeld haben wir eine richtige kleine Chemiefabrik dahinter. Sodass das, was oben rauskommt, höchsten Ansprüchen genügt.“