Ammersbek. Beim Rundgang mit dem Hamburger Abendblatt erläutert Ammersbeks Bürgermeister Horst Ansén den Charme der unterschiedlichen Ortsteile.

Mira Frenzel

Im Wahlkampf ist Horst Ansén noch einmal richtig bewusst geworden, welche Ausdehnung die Gemeinde hat, deren Bürgermeister er seit 2009 ist. „Ich musste ordentlich laufen, als ich Flyer verteilte“, erzählt er. Die Erfahrung der weiten Wege macht jeder, der in Ammersbek unterwegs ist, auf Ortsunkundige aber wirkt sie besonders verwirrend. Autofahrer zum Beispiel haben das erstaunliche Erlebnis, dass sie auf einer Route mehrmals nach Ammersbek hinein- und wieder herausfahren. Was damit zu tun hat, dass die Gemeinde kein eigentliches Zentrum hat, sondern fünf verstreute Ortsteile, die sich eher punktuell über eine große grüne Fläche mit Wiesen, Weiden und Feldern verteilt. Die Straßenverkehrsordnung erfordert, dass die jeweiligen Ortsteileingänge und -ausfahrten mit Tafeln gekennzeichnet sein müssen, auf denen groß Ammersbek zu lesen ist.

Bürgermeister Horst Ansén mit Sekretärin Stefanie Massloff
Bürgermeister Horst Ansén mit Sekretärin Stefanie Massloff © HA | Birgit Schücking

Was die Sache noch etwas komplizierter macht, ist die Uneinheitlichkeit. Bürgermeister Ansén beschreibt das Phänomen so: „Unsere Ortsteile Lottbek, Daheim/Heimgarten, Bünning­stedt, Hoisbüttel und Schäferdresch/Rehagen sind vom Charakter sehr unterschiedlich.“ Der gemeinsame Nenner ist der Name Ammersbek, sozusagen die Klammer, die seit 1978 alles zusammenhält. Damals wurde der Zusammenschluss der Gemeinden Hois­büttel und Bünningstedt nach dem Bach benannt, der beide durchfließt.

Das Ergebnis ist lokale Eigenständigkeit und gemeinsame Vielseitigkeit, was zusammengenommen einen rundum attraktiven Wohnort ergibt. „Ammersbek ist familienfreundlich, es hat viel Grün, eine Metropolregion vor der Haustür. Das Spektrum reicht vom vorstädtischen Bereich am U-Bahnhof Hoisbüttel über die 30er-Jahre-Siedlung Daheim/Heimgarten dicht an Ahrensburg und Einzelhausbebauung bis hin zur dörflichen Struktur in Bünning­stedt“, sagt Bürgermeister Ansén.

Ammersbek erstreckt sich auf knapp 18 Quadratkilometer

Gar nicht so einfach, dieses kleine Reich von knapp 18 Quadratkilometern zu verwalten, das am Westrand von Stormarn liegt und sich an die nordöstliche Grenze von Hamburg schmiegt. „Was gut für Hoisbüttel ist, muss nicht unbedingt in Bünningstedt funktionieren“, sagt Ansén trocken. Mehr als die Hälfte der 9743 Einwohner lebt in Lottbek, rund 2000 in Daheim/Heimgarten, und der Rest verteilt sich gleichmäßig auf die übrigen drei Ortsteile.

Abendblatt-Redakteur Lutz Wendler mit Bürgermeister Horst Ansén vor der neusten Unterkunft für Flüchtlinge
Abendblatt-Redakteur Lutz Wendler mit Bürgermeister Horst Ansén vor der neusten Unterkunft für Flüchtlinge © Lutz Wendler | Lutz Wendler

Ammersbek lässt sich auf die Schnelle am besten erfahren – im wahrsten Sinne des Wortes. Horst Ansén startet die Sightseeing-Tour per Auto am südwestlichen Zipfel der Gemeinde, der am ehesten Zentrumscharakter hat, nämlich in der kleinen Einkaufsmeile am U-Bahnhof Hoisbüttel. „Die meisten Auswärtigen ahnen nicht, dass sie hier nicht mehr auf Hamburger Gebiet sind“, sagt der Bürgermeister. Zu verdenken ist es den Besuchern nicht, denn der seit den 60er-Jahren rapide gewachsene Ortsteil ist eine typische Siedlung am Stadtrand mit zahlreichen Mietwohnungen, die von Pendlern bewohnt werden. „Hier ballt es sich“, sagt Ansén und meint damit nicht nur die Bevölkerungsdichte und das Einkaufszentrum, sondern auch die Ansiedlung von Gewerbe.

Abendblatt-Mitarbeiterin Mira Frenzel mit Bürgermeister Horst Ansén
Abendblatt-Mitarbeiterin Mira Frenzel mit Bürgermeister Horst Ansén © Lutz Wendler | Lutz Wendler

In Ammersbek von Gewerbegebieten zu sprechen, wäre übertrieben. Tatsächlich ist die Ansiedlung von Betrieben überschaubar. Doch die beiden größten Unternehmen vor Ort sind mittelständische Global Player, die sich in der Gemeinde zu Hause fühlen und, wie Horst Ansén sagt, bewusst als regionale Arbeitgeber handeln. D+H Mechatronic an der Georg-Sasse-Straße ist Spezialist für Rauchabzüge und natürliche Lüftung, Alwin Höfert an der Ferdinand-Harten-Straße Entwickler und Produzent von Spezialdichtungen. Ansonsten haben sich im Ortsteil Lottbek ein Supermarkt, zwei Discounter und Kleingewerbe angesiedelt.

Dass der Bürgermeister von einem „relativen Abschluss der gewerblichen Entwicklung in Ammersbek“ spricht, liegt wesentlich am Landschafts- und Naturschutz, der das Wachstum in die vorhandene Fläche begrenzt. Doch es sei auch Konsens aller Parteien, dass die Gemeinde die Grünstreifen zwischen den Ortsteilen bewahren wolle.

Bürgermeister Horst Ansén
Bürgermeister Horst Ansén © Lutz Wendler | Lutz Wendler

Der Haushalt hat ein Volumen von etwa 40 Millionen Euro. Die Gewerbesteuereinnahmen sind vergleichsweise gering: 2014 waren es 2,2 Millionen Euro – das von der Einwohnerzahl her gut dreimal so große Ahrensburg nimmt knapp zehnmal so hohe Gewerbesteuern ein. Umso wichtiger ist für Ammersbek der Anteil, den die Gemeinde von der Einkommensteuer abbekommt: im Vorjahr 5,4 Millionen Euro. „Wir haben nur begrenzte Möglichkeiten, an der Stellschraube zu drehen“, sagt der Bürgermeister. „Glücklicherweise war die Haushaltsentwicklung zuletzt so positiv, dass wir die Steuerhebesätze nicht verändern mussten.“ Aktuell ist Ammersbek mit rund fünf Millionen Euro verschuldet.

Auch ein Thema, das zurzeit alle Kommunen beschäftigt, konzentriert sich in Ammersbek vor allem auf den Ortsteil Lottbek: die Unterbringung von Flüchtlingen. Bis Ende 2015 werden etwa 100 Menschen in der Gemeinde unterkommen – viele in angemieteten Wohnungen, die in Lottbek verteilt liegen. Ammersbek, so Ansén, strebe an, die Flüchtlinge in festen Häusern unterzubringen, möglichst auf Wohncontainer und ähnliche Notlösungen zu verzichten. Gerade hat die Gemeinde das Haus in der Georg-Sasse-Straße gekauft, in dem eine Postfiliale betrieben wurde. Das Gebäude wird rasch umgebaut, damit bis Jahresende 26 Flüchtlinge dort einziehen können.

Ein Kataster hat den Sanierungsbedarf der Straßen erfasst

Es spricht für Toleranz und Politik in Ammersbek, dass dies bislang ohne störende Nebengeräusche ablief. Klar ist, dass die Gemeinde künftig auch nach anderen Lösungen suchen muss: „Wenn der Zustrom so bleibt, lässt sich der Bedarf nicht mehr mit Anmieten abdecken. Dann müssen wir Standorte für eine größere Ansiedlung suchen.“

Horst Ansén lehnt an einem Baum auf dem Gelände des Golfplatz Hamburg-Ahrensburg
Horst Ansén lehnt an einem Baum auf dem Gelände des Golfplatz Hamburg-Ahrensburg © Lutz Wendler | Lutz Wendler

Ein weiteres großes Thema ist das, was die Ammersbeker verbindet: das Straßennetz. Kürzlich wurde von externen Fachleuten ein Kataster erstellt, das Sanierungsbedarf erfasst. Die Politik wird nach der Sommerpause über die Konsequenzen dieser Untersuchung und ein Programm beraten. Wie hoch die Kosten sein werden, weiß Ansén noch nicht, aber es ist klar, dass bis etwa 2040 ein zweistelliger Millionenbetrag aufgewendet werden muss – Anliegerbeteiligung inklusive. In den Haushalt für 2016 werden für die dringendsten Reparaturen schon mal knapp 110.000 Euro eingestellt. Auch bei der sozialen Infrastruktur gibt es Nachholbedarf. Ammersbek ist mit zwei gemeindeeigenen Kitas (neben einer kirchlichen und einer vom DRK betriebenen) und zwei Grundschulen (mit offener Ganztagsschule, Hortbetreuung gibt es nicht) gut ausgestattet. „Wir haben durch den Zusammenschluss von Bünningstedt und Hoisbüttel alles doppelt, aber nicht zu viel: Kita, Grundschule, Feuerwehr“, sagt Ansén. Weiterführende Schulen besitzt Ammersbek nicht und nutzt deshalb Ressourcen in Ahrensburg, Bargteheide und auch die Rudolf-Steiner-Schule im nahen Hamburg

Bei Feuerwehrgebäuden wurden Mängel festgestellt

In der Grundschule Bünningstedt steht eine energetische Sanierung an. Noch dringender und umfangreicher sind Baumaßnahmen an beiden Feuerwehrgerätehäusern, erzählt Horst Ansén: „Die Hanseatische Feuerwehr-Unfallkasse Nord hat Mängel festgestellt. Außerdem gibt es dort Platzprobleme. Wir müssen in den Bestand investieren oder eine größere Lösung planen.“ In Hoisbüttel wird wohl eine Sanierung ausreichen, in Bünningstedt könnte ein Neubau notwendig werden. Nach den Sommerferien soll mit der Politik das weitere Vorgehen besprochen werden.

Die besonderen Herausforderungen einer Gemeinde mit verstreuten Ortsteilen zeigen sich auch bei der Versorgung mit Energie und der Entsorgung des Abwassers. Ammersbek muss auf verschiedene Anbieter zurückgreifen. Das wird beim anstehenden Breitbandausbau nicht anders sein. „Es gibt Gespräche, doch damit es sich für die Anbieter lohnt, brauchen sie Anschlussquoten von mindestens 50 Prozent“, sagt der Bürgermeister. Es wird wohl keine einheitliche Lösung für das gesamte Gemeindegebiet geben, der Ortsteil Daheim zum Beispiel wäre besser von Ahrensburg aus zu versorgen. Der Haken an der Sache: Der Nachbar konzentriere sich vorerst auf die Versorgung der eigenen City.

Horst Ansén ist 50 Jahre alt. Er lebt seit 20 Jahren in Ammersbek. Seit 1996 wohnt er im Ortsteil Schäferdresch/Rehagen. Dass er überzeugter Ammersbeker ist, wird auf der Rundfahrt immer wieder deutlich, wenn er an unterschiedlichen Orten dezent zu schwärmen anfängt – etwa auf der Terrasse des schönen Gutshauses im Golfclub Hamburg-Walddörfer, dessen Präsident der Hamburger Ex-Bürgermeister Henning Voscherau ist, beim Rundgang durch die renommierte evangelische Bildungsstätte Haus am Schüberg oder auf einer Bank am Bredenbeker Teich. Es reicht aber auch eine schlichte Straße, die in den Duvenstedter Brook führt oder eine Bank am Rande eines wogenden Weizenfeldes. Eine vielseitige Gemeinde mit vielen schönen Seiten also. Nicht unwesentlich dafür sei. sagt der Bürgermeister, dass alles im richtigen Maßstab bleibe. Will heißen: Weiteres Bevölkerungswachstum ist nicht vorgesehen. Horst Ansén: „Größe allein ist kein Wert. Es geht uns nicht um Quantität, sondern um qualitative Verbesserungen.“