Bergstedt. Nach Protesten der Anwohner rudert die Umweltbehörde zurück und verzichtet nach ihren Nachberechnungen auf die Ausweisung.

Die Umweltbehörde korrigiert sich. Sie wird das vorläufige Überschwemmungsgebiet (ÜSG) Lottbek aus der Verordnung entlassen und nicht als ÜSG festsetzen. Das ist das Ergebnis der Nachberechnungen, mit denen die zehn vorläufig ausgewiesenen „Gefahrengebiete“ überprüft werden. Am Abend werden die Anwohner informiert, die sich seit Monaten mit heftigen Protesten gegen die Ausweisung von ihrer Wohngebiete als ÜSG wehren.

Als Reaktion auf Oder- und Elbeflut setzt die Stadt derzeit ÜSG fest. Das Wasser soll dort nicht eingedeicht werden, sondern Raum bekommen, um ihm die Gewalt zu nehmen. In der Informationsbroschüre der Stadt heißt es, die ÜSG seien „natürliche Rückhalteflächen“, die Wasser „zwischenspeichern“ und dafür „frei gehalten werden“ sollen. Das Problem ist nur: Viele der jetzt noch zehn neuen ÜSG sind besiedelt, und die Anwohner beklagen erhebliche Wertverluste ihrer Grundstücke.

Mit den Nachberechnungen löst sich jetzt für die acht betroffenen Haushalte an der Lottbek aller Ärger mit der behördlichen Verordnung in Wohlgefallen auf.

„Unsere freiwilligen Nachberechnungen haben gezeigt, dass schon die erste Rechnung sehr genau war.“

„Das ist kein Grund für eine große Entschuldigung“, sagte Umwelbehördenstaatsrat Michael Pollmann. „Unsere freiwilligen Nachberechnungen haben gezeigt, dass schon die erste Rechnung sehr genau war.“ Tatsächlich weiche die mit dem neuen, wesentlich komplexeren Modell berechnete Fläche in der Ausdehnung nur um 1 Prozent von der ersten Rechnung ab. Doch diese Abweichung reichte, um aus zunächst 13 betroffenen Häusern neun zu machen. Damit aber rutschte das vorläufig gesicherte ÜSG unter die „Signifikanzgrenze“, die für die Ausweisung von ÜSG vorgesehen ist. Zehn betroffene Gebäude wären dafür nötig gewesen.

Anwohner Uwe Albert zeigte sich „total erleichtert. Wir haben zwar unsere Einwände gut begründet, aber es war klar, dass es ein fast unmöglicher Gang werden würde. Schließlich hatte die Behörde erklärt, sie mache keine Fehler.“

Das ÜSG Lottbek war immer wieder als Absurdität kritisiert worden: Ein Ufer gehört zu Hamburg, das andere zu Schleswig-Holstein. Die Hamburger wollten auf ihrem Gebiet ein ÜSG ausweisen, Schleswig-Holstein auf seinem nicht. Obwohl das Hamburger Ufer höher liegt als das jenseits der Landesgrenze und bei Überflutungen die Grundstücke der Schleswig-Holsteiner regelmäßig von der Feuerwehr mit Sandsäcken gesichert werden.

Keine Entwarnung, aber Hoffnung für die anderen vorläufig festgesetzten ÜSG

Auswirkungen auf die zehn anderen vorläufig gesicherten ÜSG werde der Verzicht auf das ÜSG Lottbek aber kaum haben, sagte Pollmann. Allenfalls an der Ammersbek könne man sich noch ein ähnliches Szenario vorstellen, wenn es auch nicht sehr wahrscheinlich sei. Die anderen Gebiete etwa an der Berner Au oder der Kollau seien so groß, dass Abweichungen in den Berechnungen keine Unterschreitung der Signifikanzgrenze zur Folge haben werde. Dennoch scheint sich die Lage der noch immer verzweifelt gegen die Ausweisung vorgehenden Anwohner zu entspannen.

Denn die mit den ÜSG einhergehenden Beschränkungen des Baurechts könnten geringer ausfallen als befürchtet. Demnach soll laut Pollmann das Bauen im ÜSG möglich bleiben, wenn für die „wasserverdrängenden Maßnahme“ des Bauens ein Ausgleich geschaffen werden kann. Auch will die Behörde offenbar die Verordnung um eine Liste von Bauten ergänzen, die ohne Ausnahmegenehmigung errichtet werden dürfen. Das schafft einen gewissen Ausgleich für den derzeit verlorenen Rechtsanspruch auf Baugenehmigungen. Ein entsprechender Leitfaden für die Bezirke sei in Arbeit, sagte Pollmann.

Insgesamt seien gut 400 Einwände gegen die ÜSG eingegangen, die laut Pollmann „zum Teil von erheblicher Sachkenntnis geprägt“ waren und sämtlich sorgfältig beantwortet werden würden. Die Bürger hatten sich ihre Beteiligung allerdings anders vorgestellt und immer wieder erfolglos das Gespräch mit der Behörde gesucht. Zuletzt hatten sie wieder über den amtlichen Anzeiger und die Homepage der Umweltbehörde von einer ablaufenden Stellungnahmefrist erfahren.

Neue Vorwürfe gegen die Umweltbehörde

Der Sprecher der Bürgerinitiative „Kein ÜSG Berner Au“, Thomas Müller, warf der Behörde vor, das Versteckspiel noch immer nicht beendet zu haben. „Nur durch Zufall haben wir bemerkt, dass wir Grundstückseigner einen „Hochwasserrisikomanagementplan“ absegnen sollten.“ Er sei auf mehreren 1000 Seiten ausgebreitet, betreffe die gesamte Flussgebietsgemeinschaft Elbe und biete entgegen dem Leitfaden der EU keine zweiseitige Zusammenfassung der wichtigsten Fragen für ein breites Publikum. Die Berner Au firmiere in diesem Papier unter der Bezeichnung „Oberflächenwasserkörper AL 13“.

Das sei „nahe an einem Geheimcode und hat mit Transparenz nichts zu tun“, sagte Müller, der für die Bürger in den ÜSG einen verantwortlichen Ansprechpartner auf Seiten der Stadt einforderte.

Eigentlich hatte die Behörde die Nachberechnungen schon im Frühjahr vorlegen wollen. Die Komplexität sei aber unterschätzt worden, sagte Pollmann. Schließlich sei auch eine neues Geländemodell in die jetzt zwei- statt eindimensionale Berechnung der ÜSG eingeflossen. Die Computer rechneten bis zu fünf Tage, wo sie zuvor mit 30 Minuten ausgekommen wären. Jetzt sollen etwa alle drei Monate Nachberechnungen für ein bis zwei vorläufig gesicherte ÜSG vorgelegt werden. Die nächsten sollen Berner Au und Kollau sein.