Tremsbüttel. Stormarner Personalberater finden heraus: Im Jahr 2004 waren Bewerber besser in Mathe. Dabei sind gute Zahlenkenntnisse heute gefragt.
Schulabgänger können heute schlechter rechnen als vor zehn Jahren. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Instituts für Personalauswahl Moldzio & Partner aus Tremsbüttel. Die Forscher, die unter anderem Unternehmen bei der Suche nach geeignetem beruflichen Nachwuchs beraten, haben für ihre Studie die Unterlagen von insgesamt 1082 Bewerbern für kaufmännische Ausbildungen ausgewertet.
An der Studie mitgearbeitet hat Teodora Gergovska, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Assistentin der Geschäftsführung des Tremsbütteler Institutes. „Dafür arbeiten wir mit verschiedenen Tests, die ganz unterschiedliche Fähigkeiten der Bewerber abfragen, darunter auch mathematische Kenntnisse“, sagt sie.
20 Rechenaufgaben in zehn Minuten mussten die Bewerber lösen
Die Jugendlichen, in der Regel zwischen 16 und 18 Jahre alt, haben zehn Minuten Zeit, einen Block von 20 Aufgaben zu lösen. Los geht es mit leichten Übungen wie dem Subtrahieren und Addieren zweistelliger Zahlen. Mit jeder Aufgabe steigt der Schwierigkeitsgrad. Die Kenntnisse in Grundrechenarten werden überprüft, aber auch Dreisatz- und Prozentrechnen. „Lösen müssen die Bewerber die Aufgaben ohne Taschenrechner. Erlaubt sind aber Stift und Papier, um sich den Rechenweg und Zwischenschritte zu notieren“, sagt Teodora Gergovska.
Die Auswertung ergab, dass die Jugendlichen, von denen die Mehrheit die Schule mit Abitur abgeschlossen hatten, heute acht Prozent weniger Aufgaben richtig lösen als noch vor zehn Jahren. Die Forscher vermuten, dass ein Grund in der steigenden Technisierung des Alltags liegen könnte. Die Notwendigkeit, heute im Alltag schnell im Kopf zu rechnen müssen, ist gering. Und braucht man doch mal ein Ergebnis, übernehmen Taschenrechner und Handys nicht nur schwierigere Operationen.
Durchschnittlich acht Punkte im Fach Mathematik
Während Grundschüler fleißig üben, sich nach und nach den Zahlenraum zu erschließen, kommen Schüler weiterführender Schulen in Stormarn ab einem gewissen Alter nicht mehr darum herum, einen Taschenrechner zu benutzen. „Die Einführung des wissenschaftlichen Taschenrechners in Jahrgangsstufe sieben ist verbindlich und muss bis zum Ende des Schuljahrs erfolgt sein“, heißt es dazu in den sogenannten Fachanforderungen des schleswig-holsteinischen Bildungsministeriums, die vor einem Jahr die Lehrpläne abgelöst haben.
Durchschnittlich acht Punkte im Fach Mathematik hatten Abiturienten in Schleswig-Holstein in diesem Jahr auf dem Zeugnis stehen. Das Ergebnis unterscheidet sich nur geringfügig von denen der Vorjahre. Auf dem Ausbildungsmarkt können Bewerber mit guten Mathematikkenntnissen glänzen. Das bestätigt auch Can Özren, von der IHK Lübeck. Mittelständische Unternehmen im Norden legten jedoch derzeit weniger Wert auf Zeugnisnoten und nähmen stattdessen die Persönlichkeit der Bewerber ins Visier. Die hin und wieder von Unternehmen geäußerte Beschwerde, Bewerber seien nicht vorbereitet für ihre Ausbildung, war nicht der Auslöser für die Studie. „Wir sind unseren Beobachtungen aus den vergangenen Jahren gefolgt und wurden bestätigt“, sagt Teodora Gergovska, die derzeit an ihrer Promotion im Fach Psychologie an der Helmut-Schmidt-Universität arbeitet.
Wer im Kopfrechnen fit bleiben möchte, kann im Alltag beim Einkaufen üben
Heiko Winckel-Rienhoff, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im Kreis Stormarn, ist überrascht von den Ergebnissen der Studie. „Schwächen ausgerechnet im Kopfrechnen hätte ich nicht erwartet. Aber es ist ein generelles Phänomen, dass die Konzentrationsfähigkeit der Kinder heute schon von der Grundschule an geringer ist“.
Das stellten Lehrer immer wieder fest, nicht nur in Mathematik. In den vergangenen Jahren habe sich die Unterrichtsgestaltung gewandelt. Schüler würden bestärkt, eigene Ansätze zu verfolgen und selbst nach Lösungen zu suchen. Zudem werde mehr Wert auf Gruppenarbeit gelegt, um die Sozialkompetenz zu stärken. Eine Empfehlung hat Sonderschulpädagoge Winckel-Rienhoff parat: „Es hilft sicher, wenn Jugendliche beim Einkauf mit ihren Eltern mal überschlagen, was der Inhalt des Einkaufswagens kostet.“
Hätten Sie’s gewusst?
Ein Kilogramm Äpfel kostet zwei Euro. Wie viel kosten dann 2,7 Kilogramm? 5,40 Euro natürlich. Natürlich? Wie lange brauchen Stormarner, um auf die richtige Antwort zu kommen? Das Abendblatt hat nachgefragt.
Tonia Abels, 21, angehende Heilerziehungspflegerin aus Großhansdorf, blockt sofort ab: „Och nee!“ Dann geht sie in sich, grübelt, lacht schließlich, schimpft ein bisschen vor sich hin, bevor sie endgültig aufgibt: „Ne!“ Aber sie hat ja ihren Freund dabei. Der wirft die richtige Antwort von der Seite ein.
Alexander Menke, 18, aus Ahrensburg, ab August Auszubildender zum Immobilienkaufmann, geht konzentriert an die Sache heran. Den Blick in die Ferne gerichtet, murmelt er vor sich hin: „Zwei ... zehn ... mal ... durch... 5,40 Euro! Richtig? Aber nachdenken muss man schon!“
Nicole Garber, 22, Bürokauffrau aus Ahrensburg, lässt sich in ihrer sonnigen Mittagspause auf einer Bank nicht aus der Ruhe bringen. „Hmm. Zweimal vier ist vier, dann macht das also 4,70 Euro?“ Die gute Laune bleibt. „Falsch?“ Sie lacht und lehnt sich auf der Bank zurück: „Na, egal.“