Ahrensburg/Ammersbek/. Nach dem Streik müssen Berge von Briefen und Paketen zugestellt werden. Die Kunden reagieren mit Verärgerung und Verständnis.

Der Poststreik ist seit vier Tagen beendet, aber der Ärger für Evelyn Bellieno geht weiter. Ihr Briefkasten ist noch immer leer. „Seit vier Wochen kein Stück, keinen einzigen Brief, habe ich bekommen“, sagt die Ammersbekerin. Als Unternehmerin sei sie auf die Post angewiesen. Wichtige Unterlagen und Dokumente seien über Wochen ausgeblieben. Nun erwarte sie in den kommenden Tagen viel zusätzliche Arbeit, wenn die Post wieder kommt.

„Es sind wieder alle an Bord“, sagt Post-Sprecher Martin Grundler dazu. Die Tagespost werde zuerst zugestellt. Das bestätigt auch Klaus Isert, der am Mittwoch zum ersten Mal nach vier Wochen wieder Post in seinem Briefkasten fand. „Es waren aber nur wenige Briefe. Und die waren ganz aktuell“, sagt Klaus Isert. „Auf den Rest warten wir noch“, sagt der Ahrensburger, der sich in den Streikwochen seine Lieblingszeitung immer am Kiosk kaufen musste, obwohl er ein Abo hat.

Um den Berg liegengebliebener Sendungen möglichst schnell zuzustellen, setzt die Post auf verschiedene Maßnahmen und die Unterstützung zahlreicher Aushilfen. „Außerdem verstärken wir die Austräger“, sagt Post-Sprecher Martin Grundler. Viele Zusteller, die in Wohngebieten unterwegs sind, waren schon vor dem Streik an vielen Tagen bis an die Kapazitätsgrenze belastet. Um die zusätzlichen Mengen zu bewältigen, sollen ihre Zustellbezirke vorübergehend verkleinert werden. Zudem können die Mitarbeiter zu Überstunden verpflichtet werden. Geschäftskunden und Privatpersonen, die besonders viele oder große Sendungen erwarten, können darauf hoffen, dass ihnen Post-Mitarbeiter diese in den nächsten Tagen mit dem Auto vorbei bringen.

Die Sonderausgabestelle der Post in Bad Oldesloe ist bis 17. Juli geöffnet

Matthias Pietsch, Gewerkschaftssekretär bei Ver.di Nord, macht den Kunden jedoch keine großen Hoffnungen auf schnelle Verbesserung. „Sowohl bei Briefen, als auch bei Paketen gibt es einen erheblichen Rückstau. Das wird dauern“, sagt Pietsch. Der Beginn der Ferienzeit komme erschwerend hinzu.

In Bad Oldesloe hat die Post deshalb noch bis Montag, 17. Juli, eine sogenannte Sonderausgabestelle in der Emma-Ihrer-Straße 7 a eröffnet, in denen Kunden ihre Pakete abholen können. „Die Kunden bekommen eine Benachrichtigung und können damit dann ihre Sendungen abholen“, sagt Post-Sprecher Grundler. Das sei schon während des Streiks möglich gewesen.

Renate Albrecht mit Enkelin Zoe. Die Ahrensburgerin hat Verständnis für den Streik der Post-Angestellten
Renate Albrecht mit Enkelin Zoe. Die Ahrensburgerin hat Verständnis für den Streik der Post-Angestellten © Verena Künstner | Verena Künstner

„Ich kann mir vorstellen, dass es für viele lästig ist, wenn sie ihre Pakete nun selbst von der Filiale abholen müssen. Das würde mir auch so gehen“, sagt Renate Albrecht, die gerade ihre Enkelin Zoe in Ahrensburg zu Besuch hat.

Patrick Stähr sieht es ähnlich. „Wer mobil ist, kann das Paket selbst in der Filiale abholen. Aber bei älteren Menschen kann ich das schon nachvollziehen, dass es ein Problem ist, wenn nur der Paketschein und nicht das Paket ankommt“, sagt der 34-Jährige. Zugestellt werde das Paket in jedem Fall, sagt Post-Sprecher Grundler. „Nur wer es selbst abholt, erhält die Sendung derzeit früher.“

Vier Wochen kein einziger Brief: Evelyn Bellieno aus Ammersbek erwartet einen großen Stapel Unterlagen
Vier Wochen kein einziger Brief: Evelyn Bellieno aus Ammersbek erwartet einen großen Stapel Unterlagen © Verena Künstner | Verena Künstner

Viele Post-Kunden haben trotz der Ebbe im Briefkasten Verständnis für den Arbeitskampf der Angestellten. „Offenbar war das mal nötig, damit die Leute vernünftig behandelt werden“, sagt Renate Albrecht. Das sieht auch Evelyn Bellieno so. „Die Mitarbeiter haben alle Hände voll zu tun und haben dafür einen anständigen Lohn verdient.“ Trotzdem findet es die Ammersbekerin ärgerlich, dass die Nachwehen des Poststreiks auch ganz private Pläne durchkreuzen. Ein sorgfältig ausgesuchtes Geschenk für Bellienos Schwiegertochter ist immer noch unterwegs, der Geburtstag jedoch längst vorüber.

Unternehmer fürchten Sonderschichten, wenn die Briefe körbeweise kommen

Ähnlich geht es Christina Stähr. „Ich kaufe oft bei Ebay und warte auf ein Paket. Der Paketschein lag gestern im Briefkasten, war aber auf den 22. Juni datiert. Als wir das Paket eben abholen wollten, war es nicht mehr da. Jetzt ist die Sendung wahrscheinlich wieder beim Empfänger. Das nervt mich schon. Vor allem, weil ich den Inhalt des Paketes schon bezahlt habe“, sagt die Speditionskauffrau aus Ahrensburg.

Andreas Werning, stellvertretender Vorsitzender der Ahrensburger Kaufleutevereinigung Stadtforum, ärgert sich über die Auswirkungen des Streiks. „Drei Wochen haben wir gar keine Post bekommen.“ Das bekamen auch die Kunden des Juweliers zu spüren. Ersatzteile blieben aus, Reparaturen verzögerten sich. „Aber die meisten Kunden haben verständnisvoll reagiert, viele waren ja selbst betroffen“, sagt Werning. Seit einigen Tagen kommen Briefe wieder an, „aber häppchenweise“, sagt Werning. „Um den Rückstand aufzuarbeiten sind Sonderschichten nötig und die kosten Firmeninhaber richtig Geld“, sagt der Juwelier.

Doris Vagt aus Ahrensburg hat regelmäßig Post erhalten
Doris Vagt aus Ahrensburg hat regelmäßig Post erhalten © Verena Künstner | Verena Künstner

Klaus-Peter Gerads, Seniorchef der Konditorei Gerads in Ahrensburg ist froh, dass der Zahlungsverkehr heutzutage zum Glück weitgehend mithilfe von Einzugsermächtigungen geregelt ist. „Aber es gab ein paar Fälle, da haben Handwerker und Lieferanten die Rechnungen selbst vorbei gebracht.“ Auf Abrechnungen seines Energieanbieters warte er jedoch weiterhin. Post-Sprecher Martin Grundler bittet derweil um Geduld. Es werde noch einige Tage dauern, bis alles wieder läuft wie bei Doris Vagt. Die Ahrensburgerin hat während des Streiks Glück gehabt. „Ich kann mich nicht beschweren. Sogar eine wichtige Sendung, auf die ich gewartet habe, kam pünktlich an.“