Glinde. Glinde verliert das vor rund 80 Jahren erstellte Wahrzeichen. Die Politiker sind empört. Künftiger Wohnungsbau ist möglich.
Es ist das letzte Relikt aus alten Zeiten und Namensgeber für das Glinder Neubaugebiet An der Alten Wache – das vor rund 80 Jahren erstellte Wachgebäude auf dem früheren Bundeswehrdepot. Dort, wo heute rund 2200 Menschen leben, erinnert eben nur noch jenes Haus an die militärische Geschichte der Kaserne. Doch damit ist es bald vorbei. Vor Kurzem wurde das Gebäude eingezäunt, am Metallgitter hängt der Banner des Hamburger Unternehmens Geste, einer Gesellschaft für Entsorgung und Transport. Es ist vom neuen Eigentürmer mit dem Abriss beauftragt worden. Das soll zeitnah geschehen.
Der Investor, nach Informationen der Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn handelt es sich dabei um einen Glinder, könnte hier Wohnungen bauen. Die Kommunalpolitiker sind von der Entwicklung überrascht. Bei ihnen herrscht blankes Entsetzen.
Behörde in Kiel lehnt einen Antrag der Stadt auf Denkmalschutz ab
„Wir sind mit dem Eigentürmer in Gesprächen, um den Abriss in letzter Minute zu verhindern. Aber es gestaltet sich sehr schwierig“, sagt Glindes Bürgermeister Rainhard Zug. In den vergangenen Tagen hatte es mehrfach einen Meinungsaustausch gegeben, auch die Fraktionen waren eingebunden. Hoffnungen, vor Gericht zu ziehen und einen Prozess erfolgreich zu gestalten, haben sich für die Stadt zerschlagen. Durch die Änderung des Denkmalschutzgesetzes zu Beginn dieses Jahres verlor das Wachgebäude seinen Status als einfaches Kulturdenkmal. Einen entsprechenden Antrag der Verwaltung auf Denkmalschutz lehnte die zuständige Behörde in Kiel am vergangenen Mittwoch ab.
Der Bebauungsplan ermöglicht es dem Investor, ein dreigeschossiges Gebäude plus Staffelgeschoss mit rund 900 Quadratmeter Wohnfläche zu errichten. Er soll für das 1500 Quadratmeter große Grundstück rund 280.000 Euro bezahlt haben. Verkäufer ist die LEG Entwicklungsgesellschaft mit Sitz in Kronshagen. „Mich ärgert, dass die LEG einen Verkauf tätigt, ohne uns anzusprechen“, sagt Bürgermeister Zug. Die Glinder Politiker waren davon ausgegangen, dass das Wachgebäude erhalten bleibt. Sie hatten auf einen Investor gehofft, „der zum Beispiel ein Café mit Terrasse anbietet. Das wäre für die Anwohner interessant gewesen“, sagt Bürgervorsteher Rolf Budde (CDU).
Glinde wurde der Kauf des Wachgebäudes ebenfalls angeboten
Dass nun der Abriss bevorstehe, sei sehr ärgerlich. Auch mit einer anderen Variante wären die Entscheidungsträger zufrieden gewesen: 2014 hatte die Unternehmensgruppe KerVita, die auf dem Areal demnächst ein Alten- und Pflegeheim mit Platz für 121 Bewohner eröffnet, mit der LEG verhandelt. „Wir wollten unseren Pflegedienst in das alte Wachgebäude auslagern, haben den Plan dann aber nicht weiterverfolgt“, sagt KerVita-Geschäftsführer Torsten Rieckmann.
Der Stadt Glinde wurde der Kauf des Wachgebäudes ebenfalls angeboten. „Wir hätten es für 300.000 Euro haben können. Der Bauausschuss wollte das 2012 aber nicht“, sagt Zug. Die Verwaltung hatte seinerzeit ein Nutzungskonzept entwickelt. Es sah die Schaffung einer Begegnungsstätte vor. Inklusive Umbau hätte das Projekt rund 500.000 Euro gekostet. Zudem wurde über einen Grundstückstausch geredet, doch auch davon sah die Politik ab. „Wir hatten damals nicht das Geld, um das Gebäude zu kaufen. Aber vielleicht hätte man sagen müssen: Augen zu und durch. Die jetzige Entwicklung sollte uns für die Zukunft eine Warnung sein“, sagt Budde. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Marlies Kröpke sagt: „Das ist alles sehr bedauerlich, das Gebäude hat etwas Nostalgisches. Außerdem ist die Baudichte auf diesem Stück des Areals ohnehin schon sehr hoch.“
Genauso denkt Anwohner Jürgen Nagel, der den Kontrast zwischen Altem und Neuem schätzt. Der Rentner wohnt seit zwei Jahren im Neubaugebiet und quert auf seinen Spaziergängen täglich das alte Wachgebäude. „Ein Abriss wäre sehr schade. Das Haus passt so schön hierher“, sagt der 79-Jährige zum Abendblatt.
Grünen-Politiker Schwartz: „Ein Teil des Gesichts der Stadt wird zerstört“
Empört über das Vorhaben des Investors ist der Ortsvorsitzende der Grünen, Jan Schwartz. Er sagt: „Der Eigentürmer setzt sich über den Wunsch der Politik hinweg. Jetzt wird wieder ein Teil des Gesichts der Stadt zerstört.“ Es gehe nur ums Geldmachen. Es wäre besser gewesen, wenn die Stadt das Grundstück damals erworben hätte.
Hinter vorgehaltener Hand beklagen einige Politiker auch Defizite bei der Ausarbeitung des städtebaulichen Vertrages. Er hätte, so ihr Argument, einen Abriss des Gebäudes explizit verbieten müssen. Von der Verwaltung hätte man sich eine bessere Beratung gewünscht, heißt es.
Im Neubaugebiet zwischen Oher Weg und Möllner Landstraße wurden in den vergangenen Jahren 750 Wohneinheiten auf einer 36 Hektar großen Fläche realisiert. Spatenstich war am 14. März 2008. Zuvor stand auf dem Areal eine Kaserne. 1936 im Dritten Reich war sie als Heereszeugamt gebaut worden, bis zum Ende des Jahres 2005 wurde sie dann als Gerätehauptdepot der Bundeswehr genutzt. Dort wurden Ausrüstungsgegenstände für die deutschen Truppen im Ausland gelagert, von dort verschickt oder bei Bedarf repariert.