Ahrensburg. Arbeitsagentur spricht von Bewerbermarkt. In Stormarn sind fast 700 Lehrstellen frei. Auch ohne Abitur gibt es viele Möglichkeiten.

Mit Statistiken ist das so eine Sache. Sie lassen sich sehr unterschiedlich lesen, und bei differenzierter Betrachtung verbergen sich hinter den Zahlen unterschiedliche Erkenntnisse. Die aktuellen Daten der Agentur für Arbeit Bad Oldesloe zum Ausbildungsmarkt sind auf den ersten Blick sehr erfreulich. Seit Herbst vergangenen Jahres wurden der Agentur, die für die Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg zuständig ist, 1952 Ausbildungsstellen gemeldet, ein Prozent mehr als 2014 und der Höchstwert der vergangenen vier Jahre zu diesem Zeitpunkt. 1084 Ausbildungsstellen sind zurzeit unbesetzt. 2110 Bewerber für Berufsausbildungsstellen wurden registriert und 994 zurzeit unversorgte Bewerber.

Noch besser sind die Ergebnisse, wenn man den wirtschaftlich stärkeren Kreis Stormarn für sich betrachtet. Stormarner Unternehmen hatten seit Herbst 1228 gemeldete Lehrstellen, 683 davon sind noch unbesetzt. 1023 Bewerber sind gemeldet, 506 davon noch unversorgt. Interessant sind darüber hinaus zwei Quotienten: 1,2 Berufsausbildungsstellen gibt es pro Bewerber und 1,35 Berufsausbildungsstellen je unversorgten Bewerber.

Beste Aussichten also für die aktuelle Generation von Auszubildenden in spe

„Die Chance, in eine betriebliche Ausbildung zu gehen, war noch nie so gut, das Angebot noch nie so groß“, sagt Heike Grote-Seifert. Die Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Bad Oldesloe spricht von einem „Bewerbermarkt“. Beste Aussichten also für die aktuelle Generation von Auszubildenden in spe – und ein Erfolg nicht zuletzt für das regionale Ausbildungsbündnis, an dem neben der Arbeitsagentur auch Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Lübeck, die Kreishandwerkerschaften und die Beruflichen Schulen in den beiden Kreisen beteiligt sind, die alle gemeinsam Zwischenbilanz zogen.

Ulrich Hoffmeister etwa, Geschäftsbereichsleiter Aus- und Weiterbildung bei der IHK, sagte, dass es noch ausreichend Ausbildungsstellen in seinem Bezirk gebe. Mehr noch: „In diesem Jahr ist noch die ganze Bandbreite an Berufen vertreten. Anders als vor drei, vier Jahren sind zum Beispiel auch noch Ausbildungsplätze für Bankkaufleute im Angebot. Es gibt also noch alles, aber leider nicht um die Ecke.“

Wer flexibel in der Wahl von Beruf und Ort ist, der findet auch etwas

Die Vertreter des Handwerks bestätigten diesen Befund. Marcus Krause von der Kreishandwerkerschaft sagte, Stormarn könne in seinem Bereich 400 Ausbildungsplätze anbieten, 80 davon seien fürs kommende Ausbildungsjahr noch unbesetzt. Vakanzen gebe es vor allem in den Bereichen Elektro und Sanitär. Christian Maack von der Handwerkskammer Lübeck sprach von etwa 500 freien Ausbildungsplätzen, die nicht immer nur vor Ort seien, sondern auch in den Nachbarkreisen. Er appellierte an den Nachwuchs: „Seien Sie flexibel in Berufs- und Ortswahl, dann finden Sie auch etwas.“

Damit war eines der Probleme angedeutet, die sich hinter den Erfolgszahlen verbergen. Nicht jeder Ausbildungsplatz ist leicht zu besetzen. Das kann an der Branche liegen, an der Region, am Fehlen elementarer Voraussetzungen bei in Frage kommenden Bewerbern. Das Problem verstärkt sich auf einem „Bewerbermarkt“ mit reichlich Auswahlmöglichkeiten für die Schulabgänger und dürfte sich durch die demografische Entwicklung noch verschärfen.

Womit die Versammlung rasch bei den Problemlösungen war. Zum Beispiel der Frage, wie Jugendliche aus Flüchtlingsfamilien oder die Spanier aus Murcia, die seit zweieinhalb Jahren in einem Modellprojekt der IHK zur Ausbildung nach Lübeck und Ahrensburg geholt wurden, rasch für den deutschen Arbeitsmarkt fit gemacht werden könnten. Dass beide Gruppen mit der Sprachbarriere eine sehr hohe Anfangshürde zu nehmen hätten, bestätigten alle Beteiligten, vor allem die Vertreter der Beruflichen Schulen, die beginnen, in sogenannten DAZ-Klassen (Deutsch als Zweitsprache) den Spracherwerb zu fördern und zugleich berufliche Perspektiven aufzuzeigen.

„Keiner darf verloren gehen“ ist das Motto eines neuen Programms

Bleibt die Problemgruppe der Schulabgänger, die schwer eine Lehrstelle finden, weil ihnen elementare Kenntnisse fehlen. Ihnen soll nach dem Motto „Keiner darf verloren gehen“ der Einstieg mit Hilfe der sogenannten assistierten Ausbildung durch die Arbeitsagentur ermöglicht werden, die mit der Ausbildungsberatung und der Suche nach einem Platz beginnt. Die Jugendlichen werden auch während ihrer Ausbildung unterstützt, in der Berufsschule wie im Betrieb, und schließlich auch beim Übergang in eine Beschäftigung danach. Zusätzlichen Anreiz für die Betriebe schafft eine teilweise Finanzierung durch die Agentur.

Heike Grote-Seifert sprach schließlich noch ein strukturelles Problem an, das unsere Gesellschaft betreffe, nämlich die Vorstellung, dass Kinder heute ohne Abitur keine Chance auf eine gute Ausbildung hätten. „Ein Irrweg“, findet sie. „Man muss insbesondere den Eltern die Sorge nehmen. dass ihre Kinder sich ohne Abi jede Chance verbaut hätten. Fakt ist, dass man in Deutschland jede Chance hat, sich über eine berufliche Ausbildung weiter zu qualifizieren und einen erfolgreichen Weg einzuschlagen.“ Wohingegen jemand, der sich zum Abitur quäle, damit nicht unbedingt glücklich werde. „Schauen Sie sich die hohen Zahlen der Studienabbrecher an“, sagte sie. Und Ulrich Hoffmeister ergänzte: „Das duale System ist für viele junge Menschen der Königsweg.“