Trittau. Bank-Geheimnis: In unserer Serie treffen wir Stormarner auf ihrer Lieblingsbank. Heute: Künstlerin und Stipendiatin Hannah Rath.

Das Sprossenfenster der kleinen Küche ist geöffnet. Als sei ein Vorhang weggezogen worden und der Blick freigegeben auf eine Bühnenszenerie: So malerisch sieht er aus, der Trittauer Mühlenteich, auf dem in diesem Moment auch noch ein Schwan mit aufgestellten Flügeln seine Bahn zieht. Fast wie in Wagners Oper Lohengrin. „Stimmt“, sagt Hannah Rath und schaut hinaus. So klein die Küche, so groß und befreiend das neue Umfeld, in dem die Künstlerin seit einem Monat wohnt und arbeitet.

70 Quadratmeter mit Ausblick auf den Trittauer Mühlenteich

Mit jeder Menge Möbel und 30 Kartons ist sie Anfang Mai in die Dachwohnung der Trittauer Wassermühle eingezogen: Flur, Wohn- und Schlafzimmer, Küche, Bad. Rund 70 Quadratmeter mit herrlichstem Ausblick. „Ein paar Sachen habe ich in meiner Wohnung in Hamburg gelassen“, sagt Hanna Rath, die ihr Domizil in der Hansestadt nicht aufgegeben hat, sondern jetzt untervermietet. Denn ihr Aufenthalt in Trittau ist einer auf Zeit.

Ein Jahr lang wird die 32-Jährige hier bleiben und sich in der neuen Umgebung künstlerisch neu erfinden. Ein Jahr. So lange währt das Stipendium, das ihr die Sparkassen-Kulturstiftung gewährt. „Es ist ganz toll hier“, sagt die Künstlerin. „Ich freue mich sehr, hier zu sein.“ Unter knapp 40 Bewerbern hatte sich Hannah durchgesetzt und die komplette neunköpfige Jury für sich gewonnen.

Das Unsichtbare wird sichtbar

„Ihre Sorgfalt und ihre stringente Arbeit haben überzeugt“, sagt Stiftungs-Kuratorin Katharina Schlüter. Und das Experimentelle, ließe sich hinzufügen. Die gestalterische Kraft und der moderne Zugriff auf eine Kunstform, die den Sechzigern und damit schon fast der Vergangenheit zugeordnet wird: der minimalistischen Formensprache. Hannah Rath arbeitet mit Schrift und Text, verschiebt Zeichen und Buchstaben und verwandelt sie in bildnerische Motive.

So wird das Unsichtbare sichtbar: der Rhythmus der Sprache, ihre Linien, ihre Struktur. Alles stark reduziert, ins Grafische übergehend, aber auch ins Ornamentale und – das ist neu bei ihr – ins Dreidimensionale. „So sind auch sehr schöne Hefte entstanden“, sagt die Kuratorin. „Ihre Unterlagen haben uns begeistert.“

Abschlussausstellung inklusive Katalog

Die Künstlerin weiß die Auszeichnung der Jury sehr zu schätzen. Sie hatte schon einige Stipendien. Aber keines mit dieser Ausstattung: Da sind 800 Euro im Monat und eine Abschlussausstellung inklusive Katalog. Und dann steht den Stipendiaten außer der Wohnung in exklusiver Lage noch ein extra Arbeitsraum zur Verfügung. Und was für einer!

Um zu zeigen, wie „luxuriös“ sie es angetroffen hat, löst sie sich vom Blick durchs Küchenfenster, nimmt die Wohnungsschlüssel und ist nach einem Katzensprung in dem direkt neben der historischen Mühle liegenden modernen Atelierhaus. „Diese Kombination ist einfach traumhaft“, sagt Hannah Rath und öffnet die Tür ihres Ateliers.

So viel Platz hatte die Künstlerin bisher noch nie zum Arbeiten

Alles ist für sie vorbereitet. Alles von ihrer Vorgängerin Lily Wittenburg ausgeräumt, damit sie sich hier jetzt so richtig austoben kann – als mittlerweile 22. Stipendiatin der Kulturstiftung.

„Das sind mindestens 60 oder sogar 70 Quadratmeter“, sagt Hannah Rath. Und ihr Gesichtsausdruck ist unmissverständlich. So viel Platz hatte sie noch nie zum Arbeiten. „Und der Raum ist so schön hoch. Da kann ich ganz andere Arbeiten in Angriff nehmen. Ein solches Atelier ist in Hamburg kaum zu finden und wäre unbezahlbar.“ Sollte sie noch mehr Platz brauchen: Die Wiese, der Garten – sie kann alles nutzen und das Gelände der Wassermühle voll auskosten. „Vielleicht arbeite ich auch mal draußen“, sagt die Stipendiatin, der anzumerken ist, wie sie der Ort schon inspiriert hat. „Ich genieß das hier.“

Inspiration ist das eine. Die Arbeit ist das andere. Ein Künstlerleben in der Idylle, um mal zu sehen, welche Eingebung kommt, das ist es für Hannah Rath nicht. Sie ist stringent und konsequent? Stimmt. Die Sache mit dem vollen Umzugstransporter, dem Kunstmaterial, den Möbeln und den 30 Karton war schnell erledigt. An einem Sonnabend war sie eingezogen. Am Mittwoch war alles verstaut. Und wer meint, er könne mal eben mit ihr einen Plausch halten oder sie mit einem Spontanbesuch erfreuen, muss damit rechnen, dass sie konsequent nein sagt, weil es nicht so richtig passt. Es gibt einen genauen Ablauf.

„Für mich ist es wichtig, die Morgenstunden auszunutzen“, sagt Hannah Rath. „Nachts durcharbeiten, das kann ich leider nicht.“ Gegen 12.30 Uhr macht sie Mittagspause. Dann geht es weiter. „Bis um sieben. Oder acht. Oder auch bis neun oder zehn.“ Also doch. Denn dann hat die Nacht ja fast schon angefangen.

„Mein Familie aus Marburg war bereits hier und natürlich Freunde aus Hamburg und auch mein Freund“, sagt Hanna Rath. „Ich finde es auch toll, Gespräche zu führen und mich auszutauschen. Aber es ist besser, sich drauf einstellen zu können und das nicht einschieben zu müssen.“ Und das müsste man wohl, bei dem Arbeitspensum.

Die Stipendiatin spielt mit Sprache und verleiht ihren Werken etwas Heiteres

Ein geregelter Tagesablauf wie im Büro. Dabei geht es doch darum, Sprache bildlich zu machen. Um konkrete Poesie. So wie der Dichter Ernst Jandl einst das Wort Apfel grafisch aneinanderreihte, bis das Bild eines Apfels entstand. In der Mitte: das Wort Wurm. Hannah Rath wehrt ab. „Die konkrete Poesie ist meiner Meinung nach gegen die Wand gefahren.“ Sie arbeite auf einer ähnlichen Basis, gehe aber darüber hinaus. Und das jetzt auch im wörtlichen Sinne.

Die Künstlerin steigt die Treppe hinauf, nach oben auf die Galerie ihres Trittauer Ateliers und schaut auf den Boden runter. Dort sind Pappe und Papier ausgebreitet. Ein Modell für das neue Werk, das aus Plexiglastischen und -Buchstaben raumgreifend werden soll. Im Zentrum: zwei englische Worten: there und where – dort und wo.

„Wenn ich das verschiebe, wird daraus dort und hier“, sagt die Künstlerin. „Und dann füge ich noch das Wort in dazu“, sagt sie. Und plötzlich steht da: twin. Und das heißt Zwilling. Ein unzertrennliches Paar. So wie auch das Dort und Hier zusammengehören – allerdings als unauflösbarer Gegensatz. Es ist ein Spiel mit der Sprache. Und vielleicht auch mit der Wirklichkeit? Hanna Rath verleiht ihrer Formensprache etwas Heiteres, Leichtes. Aber mit der Kunst meint sie es ernst.Aber mit der Kunst meint sie es ernst. baut Heiteres emeint es auf jeden Fall ernst mit der Kunst. . Auf dem Heft, das Hannah Rath 2010 für das Diplom an der Hamburger Hochschule für Bildende Kunst eingereicht hatte, stand unter anderem das Wort Hannah, das vorwärts wie rückwärts gelesen werden kann. Ein heiteres Moment der FormenspracheEine Spielerei, die der Formensprache etwas Leichtes verleiht.