mmersbek. Mit einer Demonstration wollen die Ammersbeker mehr Druck ausüben. Ihr weiteres Vorhaben: Sie möchten ihre Kinder im Rathaus abgeben.

Die Eltern, deren Kinder normalerweise in der Kindertagesstätte Lottbek in Ammersbek betreut werden, wollen mit einer Demonstration und weiteren Aktionen Druck auf die Verwaltung der Gemeinde ausüben. Hintergrund ist der Streik der Erzieher. Seit zwei Wochen seien nur zwei oder drei der 16 Erzieher im Dienst, sagt Elternvertreter Tim Grevenitz. Die Erzieher würden eine Notbetreuung anbieten. Von den rund 120 Kindern der Kita Lottbek dürften wegen des Betreuungsschlüssels aber nur 20 bis 30 die Notgruppe besuchen.

Grevenitz sagt, er habe sich bereits mehrere Tage Urlaub nehmen müssen, um seinem vierjährigen Sohn Lennart und anderen Kindern ein Alternativprogramm zu bieten. „Ich habe Verständnis, dass die Erzieher mehr Lohn und Anerkennung für ihre Arbeit fordern“, sagt der Vater. „Aber so geht das nicht. Man hat ja nur begrenzt Urlaub.“

Vor allem die Kinder litten unter dem Streik, beklagen berufstätige Eltern

Auch Christine Voigt kennt das Problem. „Ich bin Lehrerin und kann mir keine freien Tage nehmen“, sagt die 39-Jährige. Ihr Ex-Mann kann sich ebenfalls keinen Urlaub nehmen. Deshalb habe sie ihre dreijährige Tochter Helene mit in die Schule nehmen müssen. „Ich war zwischen Lehrerinnen- und Muttersein zerrissen“, sagt die Sonderpädagogin. Helene hat auch eine Meinung dazu: „Ich bin traurig. Mir fehlen meine Freunde.“

„Morgens sind die Kinder bei den Großeltern, nachmittags bei Nachbarn. Jeden Tag werden sie von anderen Leuten betreut“, sagt Elternvertreter Hartwig. Darunter würden vor allem die Kinder leiden. So sieht es auch dieTim Grevenitz stimmt ihm zu: „Die Kleinen sind ungenießbar, weil sie unausgeglichen sind.“ Landeselternvertretung der Kitas Schleswig-Holstein. „Mama, was habe ich falsch gemacht? Warum darf ich nicht mehr in die Kita?“ Diese Fragen sind bewusst provokativ ihrer offiziellen Stellungnahme vorangestellt. Im Weiteren heißt es dann unmissverständlich: „Wir fordern eine sofortige Beendigung des Streiks“.

Judith Wiederhold, Vorsitzende der Landes- und der Kreiselternvertretung der Kitas in Schleswig-Holstein und Stormarn
Judith Wiederhold, Vorsitzende der Landes- und der Kreiselternvertretung der Kitas in Schleswig-Holstein und Stormarn © Martina Tabel

Anfang Mai hatte sich das noch etwas anders angehört. Der Tarifkonflikt werde auf dem Rücken der Familien ausgetragen, hieß es zwar auch damals in einer Presseerklärung. „Dennoch stehen die Eltern hinter den Forderungen der Erzieherinnen und beteiligen sich am Protest“, sagte Judith Wiederhold, Vorsitzende der Landes- und der Kreiselternvertretung der Kitas in Schleswig-Holstein und Stormarn – und selbst Großhansdorferin.Die Anforderungen an die Erzieherinnen seien gestiegen, die Wertschätzung längst überfällig.

Nach mehr als zwei Wochen Streik wird stattdessen eindringlich an die Gewerkschaften und an die Arbeitgeberseite appelliert. „Wir erwarten von beiden Verhandlungspartnern, sich an einen Tisch zu setzen und tragfähige Lösungen für beide Seiten zu erarbeiten.“ Seit vielen Jahren setze sich die Landeselternvertretung dafür ein, dass die Erzieherinnen für ihre anspruchsvolle Arbeit die Anerkennung bekommen, die sie verdienten. In der Erklärung heißt es: „Unter dem aktuellen Streik leiden jedoch allein die Kinder und deren Eltern – nicht die kommunalen Arbeitgeber, an die sich der Streik richtet.“

Forderungen der Landeselternvertretung

Von den Kommunen erwartet die Landeselternvertretung die uneingeschränkte Einsatzbereitschaft für die Herbeiführung einer Lösung. Und mehr als das. „Wir fordern die Erstattung der entrichteten Elternbeiträge für die bestreikten Kitas“, sagt Jutta Wiederhold. „Es ist ungerecht, dass die Eltern den Schaden tragen, während die Kommunen vom Streik finanziell profitieren.“ Auch die Gewerkschaften müssten sich bewegen und ein neues Konzept für die Organisation des Arbeitskampfes vorlegen.

Die Landeselternvertretung fordere seit Jahren eine Aufwertung des Erzieherinnenberufs und bessere Rahmenbedingunge.

Derweil haben sich rund 50 betroffene Eltern in Ammersbek zusammengetan. Tim Grevenitz: „Nörgeln nützt nichts. Wir müssen aktiv werden.“ Geplant ist eine Demonstration vor dem Ammersbeker Rathaus. An einem anderen Tag wollen die Eltern die Kinder um 8 Uhr ins Rathaus bringen – zur Betreuung. Weitere Aktionen seien das Lahmlegen einer Ampelanlage sowie „Plakate-Dübeln“.

Fußgängerampel im Dauerbetrieb – das soll Aufmerksamkeit erzeugen

Bei den Aktion stehe im Vordergrund, sich rechtlich nicht angreifbar zu machen. Hartwig: „Wir wollen Aufmerksamkeit, aber nicht in den Knast.“ Dennoch sei es besser, Plakate an einer Wand festzudübeln, statt sie nur dagegenzulehnen. Und eine Ampel, so die Idee, könnte man durch Dauerbetrieb lahmlegen. Hartwig: „Wir machen einen Spaziergang mit den Kindern und gehen alle paar Minuten an der Ampel über die Straße.“

Die Eltern wollen damit Druck auf den Bürgermeister ausüben. Der solle mit der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) nach einer Lösung suchen. Die VKA setzt die Löhne für die Erzieher fest, ist also der Streikgegner der Erzieher.„Beide Fronten sind verhärtet“, sagt Tim Grevenitz. Die Elternschaft müsse deshalb nach eigenen Lösungen suchen, wie mit der Situation umgegangen werden könne. „Uns Eltern ist es egal, welche Seite gewinnt“,„Wir wollen, dass VKA und die Gewerkschaft Ver.di verhandeln“, sagt Hartwig. Ihm und den meisten Eltern sei es lieber, mehr Kita-Gebühren zu zahlen. Denn das werde ohnehin auf die Eltern zukommen. „Ob wir jetzt oder in 13 Wochen mehr zahlen, ist egal“, sagt Hartwig. „Das ist nicht toll, aber besser als die jetzige Situation.“ Dennoch müsse jetzt zunächst einmal eine vorübergehende Lösung für die Betreuung gefunden werden.

Einer der Vorschläge lautet: Betreuung durch Eltern in den Räumen der Kita. Das Problem: In einer Kita dürften nur Menschen mit pädagogischer Ausbildung Kinder betreuen, stellt Holger Peters, Leiter des Amtes für innere Angelegenheiten in Ammersbek, dazu fest. Tim Grevenitz sagt dazu: „Es gibt bei uns Eltern, die Lehrer oder Sozialpädagogen sind und die Betreuung übernehmen würden.“ Wichtig sei, dass jetzt schnell etwas passiere, um die Situation zu entschärfen.

Die Eltern wollen sich auch an anderen Kundgebungen beteiligen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. So würden am heutigen Dienstag einige Eltern, die sich freinehmen können, zur Demonstration des Landeselternausschusses auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz in Hamburg fahren. Am Donnerstag, 28. Mai, wollen sich die Eltern mit den ebenfalls betroffenen Großhansdorf solidarisieren. Dort wird um 13.30 Uhr ein Demonstrationsmarsch von der Kita Wöhrendamm zum Großhansdorfer Rathaus starten. (Janina Heinemann, Martina Tabel)