Bad Oldesloe. Die giftige Pflanze breitet sich schnell an Straßenrändern und Wiesen aus und ist vor allem bei Pferdehaltern gefürchtet.
Was klingt wie ein Zungenbrecher, ist der Name einer hochgiftigen Pflanze, die in Kürze wieder zu blühen beginnt: Das Jakobskreuzkraut, das sich seit Jahren auf den Wiesen immer weiter ausbreitet. Die Pflanze mit den gelben Blütenständen produziert ein Gift, das im Körper von Menschen und Tieren zu gravierenden Schäden führen kann.
Besonders bei Pferdehaltern ist das Jakobskreuzkraut gefürchtet. Fressen Pferde die Blätter, kann das zu einem Leberversagen und zum Tode führen. „Es sind schon Pferde daran gestorben“, sagt Klaus Thormählen, Vorsitzender des Stormarner Kreispferdesportverbandes. Vor allem auf Weiden, die nicht gedüngt werden, trete das Kraut häufig auf. Die Pflanzen enthalten sogenannte Pyrrolizidin-Alkaloide, die in der Leber zu giftigen Stoffen umgewandelt werden.
Zwar fressen ältere Tiere das Jakobskreuzkraut in der Regel nicht, weil es bitter schmeckt. „Gerät die Pflanze aber ins Heu, ist das eine Katastrophe“, sagt Thormälen. Beim Trocknungsprozess bauen sich die Bitterstoffe ab – die Tiere können das Kraut nicht mehr von ungiftigen Pflanzen unterscheiden. Pferde und Rinder reagieren besonders empfindlich auf das Gift. Aber auch Schafe und Ziegen sind gefährdet.
Toxische Substanzen können auch in die menschliche Nahrungskette gelangen
Die toxischen Substanzen können auch in die menschliche Nahrungskette gelangen. Über Bienenhonig zum Beispiel: „Bei reinem Sommerhonig besteht die Gefahr, dass er diese Stoffe enthält“, sagt Edmund Maser, Leiter des Instituts für Toxikologie und Pharmakologie für Naturwissenschaftler des Uniklinikums Schleswig-Holstein. Nach Untersuchungen von Honigchargen wurden 2012 einige Verdachtsproben als nicht verkehrsfähig eingestuft. Sie stammten von Bienenstöcken, die in Nachbarschaft zu Massenvorkommen des Jakobskreuzkrautes standen. Imkern wird daher geraten, nur den Frühjahrshonig zu vermarkten. Der Grund: Im Sommer ist das Blütenangebot für Bienen knapp. Das Jakobskreuzkraut jedoch steht den Sommer über in voller Blüte, die Bienen fliegen es vermehrt an.
Auch über Milch könnten die Pyrrolizidin-Alkaloide in die Nahrung gelangen. Toxikologe Maser sagt: „Es besteht theoretisch die Möglichkeit, dass die Kuh das Kraut frisst und es an die Milch weiter gibt.“ Bisher sieht die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aber keinen Anlass zur Sorge. Aufgrund einer umfangreichen Studie geht die EFSA davon aus, dass Milch, Fleisch oder Käse nicht belastet sind.
2009 verliert eine schwangere Frau ihr Kind. 2012 stirbt ein Mann an einem Tee
Wirklich bewiesen ist bisher nichts. „Es fehlen genauere Untersuchungen dazu“, sagt Maser. Und diese seien aufwendig: Denn nicht nur das Jakobskreuzkraut produziert Pyrrolizidin-Alkaloide – „es gibt weltweit 6000 Pflanzen, die diese enthalten“, so der Toxikologe. Des weiteren gebe es das Problem der Analyse, weil man es hier mit 500 Einzelsubstanzen zu tun habe. Die Stoffe seien „wahrscheinlich krebserregend“ und führten „wahrscheinlich zu Leberzirrhose“ – das sind zumindest die aus Tierversuchen gewonnen Erkenntnisse.
Tückisch ist, dass sich das Gift im Lauf der Zeit im Körper anreichert, falls Menschen mit Alkaloiden belastete Produkte zu sich nehmen. Sie können in Kräutertees, pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln oder in Honig enthalten sein. Die Folgen können gravierend sein. So verlor 2009 eine schwangere Frau ihr ungeborenes Kind, weil sie über längeren Zeitraum alkaloidhaltigen Tee getrunken hatte. Im selben Jahr machte das gemeine Kreuzkraut Schlagzeilen, weil dessen Rucola-ähnlichen Blätter in abgepackten Salatmischungen gefunden wurden. 2012 starb ein Mann, nachdem er das Jakobskreuzkraut beim Kräutersammeln verwechselt und daraus einen Tee gekocht hatte.
Auch der Klimawandel könnte eine Ursache sein
Aber wie kommt es, dass sich das Jakobskreuzkraut, eine alte, heimische Wildpflanze, so rasant vermehrt? Die Gründe sind noch nicht geklärt. Der Klimawandel könnte eine Ursache sein. Denn die Pflanze mag es warm und trocken. Auch die sprunghafte Veränderung der Flächenbewirtschaftung Anfang der 1990er Jahre kann ein Grund sein – eine Zeit, in der vermehrt Äcker stillgelegt und Brachflächen geschaffen wurden. Seit einigen Jahren tauchen immer mehr Pflanzen an Straßenrändern und Böschungen auf. Klaus Thormählen vom Kreispferdesportverband sieht daher vor allem die Straßenmeistereien in der Pflicht: „Wir stellen fest, dass die hier überhaupt nichts dagegen gemacht haben“, sagt Thormählen. Das müsse sich künftig ändern.