Glinde. Neue Initiative M.u.T. organisiert jetzt die Glinder Lesenacht. Die Macher haben sich mit ihren Ex-Mitstreitern nichts mehr zu sagen.

Mehrere Jahre standen sie Seite an Seite, machten in der Glinder Bürgerinitiative gegen rechts gemeinsame Sache und sammelten für ihr Engagement zahlreiche Preise. Wenn sich Hans-Jürgen Neff und Rolf Metschulat heute auf der Straße begegnen, grüßen sie sich zwar höflich. „Weiteren Gesprächsbedarf gibt es jedoch nicht“, sagt Neff. Klingt nach groben Unstimmigkeiten – und hat Auswirkungen auf den Widerstand gegen Rechtsextremismus in der 18.500-Einwohner-Stadt. Er hat sich neu formiert. Neff ist wie Metschulat Initiativensprecher, nur nennt sich seine Organisation jetzt Aktion Menschlichkeit und Toleranz (M.u.T.). Mit dem 58-Jährigen sind ein halbes Dutzend Mitstreiter abtrünnig geworden und haben Glinde gegen rechts verlassen.

Zwei Initiativen in einer Stadt, die sich mit derselben Problematik befassen. Dass dieser Zustand für die Bürger irritierend ist, kann Neff, der als freiberuflicher Jurist arbeitet, zwar verstehen. Er sagt aber: „Wir bearbeiten ein breiteres Feld und sind keine Konkurrenten. Jetzt bringt jede Bewegung ihre Kernkompetenzen ein.“

Glinde gegen rechts hatte sich im September 2011 gegründet mit dem Ziel, durch Protest die Schließung des in der Stadt ansässigen Thor-Steinar-Ladens zu erwirken. Dort wird Kleidung verkauft, die bei Rechtsextremisten beliebt ist. Das Geschäft existiert noch immer. Vor dem Gebäude halten die Glinder fast täglich Mahnwache. Auch prominente Politiker wie Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) machten mit. Nicht nur deswegen erlangte die Initiative weit über die Landesgrenzen Bekanntheit. Sie organisierte Demonstrationen und Veranstaltungen. Nicht zu vergessen der Einsatz für Flüchtlinge. 2014 wurden die Glinder in Berlin mit Platz zwei beim Deutschen Bürgerpreis ausgezeichnet.

Mitglieder flohen wegen verfestigter Strukturen und mangelnder Flexibilität

Über die Ausrichtung und Zielsetzung habe es schon seit zwei Jahren Diskussionen gegeben, sagt Annika Leske. Die 42-Jährige hat genauso wie der ehemalige Sprecher Niels Brock die Seiten gewechselt. Einige Mitglieder hätten den Fokus auf den Thor-Steinar-Laden legen wollen, das sei für sie nicht ausreichend gewesen. Leske: „Die Energie ist intern verpufft, Ressourcen sind verschwendet worden. Die Strukturen haben sich so verfestigt, dass wir nicht mehr flexibel waren.“ Es kam zum Bruch. Im September 2014 gründete sich die Aktion Menschlichkeit und Toleranz. Und damit verlor die Initiative Glinde gegen rechts ihr kreatives Zentrum. Denn diejenigen, die sich der neuen Bewegung angeschlossen haben, waren Ideengeber zahlreicher Aktionen.

Eine davon ist die Glinder Lesenacht. 2013 war der Schauspieler Peter Lohmeyer zu Gast, im vergangenen Jahr Rolf Becker. Am heutigen Freitag ist es auf dem Marktplatz wieder so weit, M.u.T. organisiert das Event. Dabei ist unter anderem die Schauspielerin und Autorin Rike Schmid. Gelesen wird in zwei Doppeldeckerbussen, vor denen eine Lounge eingerichtet ist, in der sich die Besucher untereinander und mit den Künstlern austauschen können. Los geht es um 19 Uhr, der Eintritt ist kostenlos.

Um auf die Veranstaltung aufmerksam zu machen, hatten Brock und Co. rund 30 Stühle an Plätzen in Glinde, Reinbek und Oststeinbek aufgestellt, auf denen die Ausdrucke mit den Konterfeis der Vorleser befestigt sind.

Brock ist Leiter des Projektmanagements einer Hamburger Klinik. Er kennt sich in Sachen Werbung aus und verfügt über ein breites Netzwerk. Auch bei Tatort-Star Axel Prahl und Iris Berben hatte der 50-Jährige angefragt. Sie waren zeitlich nicht verfügbar. Gleiches gilt für Kristian Bader. Der Schauspieler war von dem Projekt allerdings so fasziniert, dass er spontan 200 Euro spendete und seine Zusage für eine spätere Veranstaltung gab. „Wir müssen Orte der Begegnung schaffen, damit Themen wie Rechtsextremismus und Rassismus ins Bewusstsein der Menschen gelangen“, sagt Brock. Ziel sei es, mit Leuten ins Gespräch zu kommen, das passiere nicht vor dem Thor-Steinar-Geschäft.

An der Mahnwache nimmt Glindes neue Initiative nicht mehr teil, Schwerpunkt ist das Organisieren von Veranstaltungen. Und davon gab es in den vergangenen Monaten einige, zum Beispiel den Informationsabend mit dem Titel „Vom Flüchtling zum Mitbürger“ oder die Kunstausstellung „Heimat – mehr als ein Wort“. Dahinter verbirgt sich ein Kooperationsprojekt mit Bildungseinrichtungen. Grundschüler aus Glinde und Reinbek setzten sich künstlerisch mit dem Begriff auseinander. „Dadurch sind an den Schulen weitere Projekte entstanden, unsere Arbeit ist sehr nachhaltig“, sagt Leske.

Der SPD-Vorsitzende Frank Lauterbach hält die Splittung für dämlich

Neun Mitglieder hat die Initiative Aktion Menschlichkeit und Toleranz und damit fünf weniger als Glinde gegen rechts. Deren Sprecher Metschulat lobt die Arbeit seiner ehemaligen Mitstreiter: „Die ist schon gut. Mich stört nur, wie wir miteinander umgehen.“ Vor rund einem Monat hatte er versucht, eine Brücke zu schlagen. Er sei als Privatperson ins M.u.T-Plenum gegangen. „Es wurde jedoch sehr emotional, und ich wurde gebeten zu gehen.“ Derzeit sei es bei den Mitgliedern von Glinde gegen rechts kein Thema, mit den ehemaligen Weggefährten Kontakt aufzunehmen.

Metschulats vorrangiges Ziel bleibt die Schließung des Thor-Steinar-Ladens. Er finde es aber schade, dass es so auseinandergeglitten sei. „Immerhin ist die Kreativität in der Stadt geblieben.“ Mit dieser Meinung steht der Sprecher nicht allein da. Glindes Bürgermeister Rainhard Zug betont, dass jede Initiative ihre Berechtigung habe, fügt aber auch hinzu: „Gebündelte Kräfte wären besser.“ Noch deutlicher wird Frank Lauterbach, Vorsitzender der Glinder SPD: „Aus privater Sicht halte ich das einfach nur für dämlich, sich aufzusplitten.“