Ahrensburg. Verkleideter Schüler löst Polizeieinsatz an Ahrensburger Schule aus. Lehrer und Kinder schließen sich ein.

Der Anruf bei der Polizeidienststelle in Ahrensburg ging am Montagmorgen um 7.48 Uhr ein. Was den Beamten zugetragen wurde, ließ Schlimmes erahnen: Eine männliche Person in Tarnanzug und mit einer Waffe ausgestattet, soll sich auf dem Gelände der Selma-Lagerlöf-Gemeinschaftsschule am Wulfsdorfer Weg, die von rund 700 Jungen und Mädchen besucht wird, aufhalten. Sofort wurde ein Großeinsatz eingeleitet, die Schüler in den Klassenräumen in Sicherheit gebracht. Als die Beamten die Schule erreichten, sperrten sie das Areal ab und leiteten den Verkehr um. Erinnerungen wurden wach an die Vorfälle in Barsbüttel, Glinde und Bargteheide. Dort hatten vor Kurzem Unbekannte durch Amok-Drohungen an Schulen für viel Unruhe gesorgt.

Marco Hecht-Hinz, stellvertretender Polizeidienststellenleiter in Ahrensburg: „Es gab den Verdacht einer Gefährdungslage, wir haben das sehr ernst genommen.“ Kurze Zeit später jedoch gab es Entwarnung. „Es hat sich alles um ein Missverständnis gehandelt“, sagte Schulleiter Matthias Müller. Er war es, der die Polizei informiert hatte.

Schüler und Lehrer schlossen sich in Klassenzimmern ein

nullZuvor hatte ihn der besorgte Vater eines Schülers über die auffällig gekleidete Person in Kenntnis gesetzt. Müller sprach noch kurz mit zwei Schülerinnen, die den Mann ebenfalls gesehen hatten – dann griff der Alarmplan: Die Lehrer schlossen sich mit den Jugendlichen in den Räumen ein und versteckten sich unter Fenstern und Tischen. Das bestätigten dem Abendblatt mehrere Schüler die namentlich nicht genannt werden wollten. Ein Jugendlicher sagte, seine Lehrerin habe mit zittriger Stimme gesprochen, er selbst „schon ein mulmiges Gefühl gehabt“.

Zeitgleich machte die Schulleitung Durchsagen über Lautsprecher. Zu diesem Zeitpunkt waren auch die Beamten vor Ort. Daraufhin meldete sich ein 18 Jahre alter Schüler aus dem Wirtschafts- und Politikprofil, der die 13. Klasse besucht und demnächst sein Abitur macht. Er war tatsächlich mit einem Tarnanzug bekleidet, hatte auch eine Waffe dabei. „Es war eine Spielzeugwaffe, bei uns heißt das Anscheinwaffe“, sagte Sonja Kurz von der Polizeidirektion Ratzeburg.

Die Sache war schnell geklärt: Jedes Jahr initiieren die angehenden Abiturienten eine sogenannte Mottowoche. Dabei verkleiden sich die Schüler zu bestimmten Themen, am Montag jeweils passend zu ihren Profilen. Am heutigen Dienstag ist zum Beispiel das Motto Pyjama an der Reihe. Der 18-Jährige wollte mit seinem Outfit eine Verbindung zwischen Politik und Militär herstellen. Über die fatalen Folgewirkungen war er sich offensichtlich nicht bewusst.

Polizei nennt das Verhalten des Schülers „unverantwortlich“

„Dass eine Mottowoche geplant war, ist mir bekannt, der Zeitpunkt aber nicht“, sagt Müller. Auch über die verschiedenen Verkleidungsthemen werde das Kollegium nicht benachrichtigt. Ein Schüler sagte dazu: „Wir müssen das nicht mit den Lehrern absprechen. Es ist unser Ding, wie wir zur Schule kommen.“

Das sieht die Polizei im Fall des 18-Jährigen ganz anders. „Was der junge Mann gemacht hat, ist unverantwortlich und ungeheuerlich. Wir haben dafür kein Verständnis“, sagt Sonja Kurz. Schließlich habe der Schüler die Beamten in „höchste Alarmbereitschaft versetzt“. Man sei kurz davor gewesen, den ganz großen Knopf zu drücken.

Die Spielzeugwaffe hat die Polizei einkassiert. Der Schüler konnte weiter am Unterricht teilnehmen. Ob die Sache für ihn ein Nachspiel hat, ist noch nicht geklärt. Kurz: „Wir prüfen natürlich einen Verstoß gegen das Waffenrecht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Waffe echt oder unecht ist.“ Mann müsse auch die Außenwirkung betrachten. Zudem könnte der Schüler laut Kurz an den Einsatzkosten beteiligt werden. Sie sagt: „Wer kurz vor dem Abitur steht und weiß, was sich in den vergangenen Wochen an Stormarner Schulen ereignet hat, sollte sensibilisiert sein und sich nicht so verkleiden.“

Vor wenige Wochen hatte es bereits Amokdrohungen an Stormarner Schulen gegeben

Im Januar mussten Schulen in Glinde und Barsbüttel nach einer Amokdrohung per E-Mail kurzzeitig schließen. 1990 Jungen und Mädchen blieben zu Hause. Dutzende Polizisten, teils schwer bewaffnet, sicherten die Einrichtungen. Vor knapp zwei Wochen das gleiche Bild in Bargteheide. Auch dort hatte es am Kopernikus- Gymnasium eine Amok-Drohung gegeben. Sie war auf eine Toilettentür geschrieben worden.

Der Ahrensburger Schulleiter Müller hat genauso wenig wie die Polizei Verständnis für den uniformierten Auftritt seines Schülers. Er sagt: „Man kann ihm das aber nicht allein anlasten.“ Offenbar wussten Kameraden darum. Müller hat zumindest mehrere Schüler zu sich zitiert: „Es tut ihnen leid. Sie haben mir gesagt, dass sie nicht nachgedacht hätten.“ Schulleiter geht nicht davon aus, einen Schulverweis aussprechen zu müssen. „Wohl aber werden wir überlegen, wie man die Mottowoche künftig gestalten kann.“