Unbekannte laden an 245 Containerstandorten in Stormarn jährlich 140 Tonnen Müll illegal ab. Ein Mann macht überall sauber.
Trittau. Morgens um halb sechs, da warten schon die Ratten auf ihn. Dicke, fette Tiere, rund um Stormarns Papier- und Altglascontainer. „Für die ist das hier das Schlaraffenland. Weil die Leute auf den Vorplätzen ihren Müll illegal entsorgen“, sagt Andreas Fieberg. Der 52-Jährige in der orangefarbenen Arbeitsmontur weiß Bescheid: Andreas Fieberg ist Standplatz-Reiniger. Er ist der Mann, der den Dreck der anderen wegräumt. Montag bis Freitag, von Reinfeld bis Reinbek, von Tangstedt bis Trittau, von halb sechs bis um zwei. Manchmal auch länger.
140 Tonnen illegal entsorgter Müll waren es im vergangenen Jahr. Kosten: „Deutlich mehr als 100.000 Euro“, sagt Heide Liehmann von der Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH), die für die Container im Kreis zuständig ist. Die Summe bezieht sich nur auf den Reinigungsaufwand. Mit der Leerung der Container habe der Standplatz-Reiniger gar nichts zu tun, sagt Liehmann.
Essensreste, Malerabfall und Kühlschränke. Couchgarnituren, Türen und Tampons. Wasserkocher, Weihnachtskugeln und Windeln. „Es gibt nichts, was hier nicht schon gelegen hat“, sagt Fieberg und rümpft angewidert die Nase. Sogar von menschlichen Exkrementen berichtet er. „Es stinkt wie die Pest. Und wenn man dann den Müll aufsammelt, greift man da rein.“ Wenn mal ein Tag dabei sei, an dem nur Pappe herumliege, sei das ein guter Tag.
Etliche Gewerbetreibende laden Berge von Papier und Kartons ab
An fast allen 245 Standorten für Recyclingcontainer gibt es das Problem. Besonders schlimm ist es laut Fieberg in Großhansdorf, Hoisdorf, Neuschönningstedt, Tangstedt – und in Trittau. „Ich verstehe nicht, warum die Leute das machen“, sagt Trittaus Bürgermeister Oliver Mesch. Er berichtet, dass sich neben den Altpapiercontainern am Schützenplatz Berge von Papier und Kartons stapeln. „Selbst wenn die Container voll wären – was sie ja nicht sind, weil sie regelmäßig geleert werden – es gehört sich einfach nicht, alles danebenzuwerfen“, so Mesch.
Dabei haben 90 Prozent der Stormarner Haushalte kostenlose blaue Tonnen, in denen sie ihr Altpapier sammeln können. Sie werden in der Regel einmal monatlich geleert. „Manchmal bringen die Leute aber die Kartons nicht in ihrer Tonne unter“, sagt Fieberg. Dafür sind dann die Container da. „Aber viele sind dann zu faul, die Pappe kleinzureißen. Dann ist der Container natürlich schnell voll: mit wenig Pappe und viel Luft.“
AWSH-Sprecherin Liehmann sieht die Schuld vor allem bei Gewerbetreibenden. Weil sie anders als Privathaushalte für die Abholung des Altpapiers zahlen müssten, nutzten sie lieber die kostenlosen Container. „Das Gewerbe bringt viel Papiermüll zu den Containern. Und wenn die voll sind, dann stellen sie die Sachen eben daneben“, so Liehmann.
Trittaus Bürgermeister Mesch sagt: „Ich bin nicht bereit, mir das noch länger anzusehen. Zur Not müssen wir dann eben andere Maßnahmen ergreifen.“ Ob durch Videoüberwachung oder Müll-Sheriffs wie in Hamburg, welche Abfallsünder ansprechen sollen, um sie zur Einsicht zu bewegen, dazu will er sich noch nicht äußern. Der Bürgermeister kündigt aber an: „Wenn wir jemanden erwischen, verfolgen wir das konsequent.“ Dann droht eine Anzeige.
Auch die AWSH habe schon über Müll-Sheriffs nachgedacht, sagt Sprecherin Liehmann. „Das würde dann aber wieder hohe Kosten bedeuten.“ Eine weitere Option sei, die Papiercontainer komplett abzuschaffen. „Wir merken aber, dass die Nutzung teilweise doch sehr groß ist.“ In Zeiten, in denen der Online-Versandhandel eine immer größere Rolle spielt, entsteht eben auch viel Verpackungsmüll, der entsorgt werden muss.
313 Altpapiercontainer stehen derzeit in Stormarn. Dazu kommen noch 552 Altglascontainer und 16 Container für Elektrokleingeräte, die von der AWSH betreut werden. „Teilweise kann ich richtig beobachten, was die Leute zu Hause so tun“, sagt Fieberg. So habe offenbar jemand in Neuschönningstedt gerade sein Dach ausgebaut, erzählt der Standplatz-Reiniger. „Da lagen nämlich auf einmal zehn riesengroße Müllsäcke, voll mit Glaswolle und Dachpappe und solchem Zeug.“
Außerdem müsse dort auch ein Automechaniker sein. „Das sieht man an den Autoteilen, die oft über Wochen illegal entsorgt werden.“ Bei Sterbefällen seien es dann oft ganze Haushaltsauflösungen, die an den Containern zu finden seien. In Großhansdorf am Waldreiterweg lagen vergangenes Jahr zwei Kubikmeter Körbe. „Solche, wie man sie zum Erdbeerpflücken benutzt. Das war sehr merkwürdig“, sagt Fieberg.
All diese Dinge können auf den sieben Recyclinghöfen in Stormarn entsorgt werden, die meisten davon kostenlos. „Ich möchte an das Verantwortungsbewusstsein der Bürger appellieren“ sagt Bürgermeister Mesch. „Wir haben hier in Trittau den Recyclinghof am Technologiepark.“ Die illegale Müllentsorgung verursache hohe Kosten, die von der Allgemeinheit getragen werden müssten. „Außerdem versaut Trittau dadurch“, so Mesch. Der Wind verteilt den Müll in der Umgebung.
Tatsächlich stehe der Müll manchmal höher als die Container hoch seien, berichtet Standplatz-Reiniger Fieberg. „Das ist dann genau eine Lastwagenladung voll.“ Anstatt zum nächsten Containerstandplatz zu fahren, geht’s dann mit dem 7,5-Tonner erst mal zur Müllverbrennungsanlage nach Stapelfeld. Der Abfall, der rund um die Container aufgesammelt wurde, wird nämlich nicht getrennt, sondern komplett als Restmüll vernichtet.
Exkremente, fette Ratten oder Sondermüll: Andreas Fieberg bringt so schnell nichts mehr aus der Fassung. Frustrierend findet er nur das Verhalten mancher Menschen: „Wenn ich das ganze Zeug dann weggeräumt habe und den Platz fege, dann beschweren sich teilweise die Leute, warum ich hier mit dem Lkw stehe. Da erlebt man oft die dollsten Dinge.“
Doch es gebe auch – allerdings selten – freundliche Zeitgenossen: „Die sehen mich, bringen Toffifee und sagen einfach Danke. So was machen aber nur die Rentner“, sagt Fieberg, lächelt – und fegt weiter zwischen den Containern.