Mehr als die Hälfte der Mitglieder ist binnen weniger Tage zurückgetreten. Der Kirchenkreis Hamburg-Ost sucht nun nach einer Interimslösung. Im kommenden Jahr soll es Neuwahlen geben.
Mira Frenzel und Martina Tabel
Ahrensburg. Paukenschlag in der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Ahrensburg: Der zuständige Kirchenkreis Hamburg-Ost hat den Kirchengemeinderat aufgelöst. Der Grund ist der Rücktritt zahlreicher Mitglieder binnen weniger Tage. „Das hat zur Folge, dass von den 29 Plätzen weniger als 50 Prozent besetzt sind und das Gremium nicht mehr beschlussfähig ist“, sagt Sprecher Remmer Koch.
Hintergrund der Rücktritte soll sein, dass es keine Nachfolge für Anja Botta als Kirchengemeinderatsvorsitzende gibt, die zum Jahresende aufhört. Wie berichtet, übernimmt die Pastorin eine vakante Stelle in Trittau. Und ihre Ahrensburger Kollegen könnten aus den unterschiedlichsten Gründen ihre bisherige Aufgabe nicht übernehmen, heißt es. Zwingend vorgeschrieben ist jedoch, dass ein Pastor den Kirchengemeinderat leitet und ein ehrenamtlichen Kirchenmitglied als Stellvertreter fungiert.
Christian Werner ist Finanzvorstand und Mitglied des Gemeinderates. Er sagt über die Auflösung: „Es wäre unverantwortlich, mit einem Gremium zu arbeiten, das nicht beschlussfähig ist.“
Bis zur Neuwahl soll ein Beauftragtengremium einspringen
Der Kirchengemeinderat übernimmt alle geschäftsführenden Tätigkeiten. Auch über Einnahmen und Ausgaben muss das Gremium befinden. Und das betrifft die Schlosskirche, den Kirchsaal Hagen, das Haus der Kirche im Gartenholz und die St. Johanneskirche. „Der Betrieb“, so sagt Anja Botta, „wird trotz allem für die Kirchenmitglieder normal weiterlaufen.“ Ein Beauftragtengremium, das vom Kirchenkreisrat einberufen wird, wird die Geschäfte weiterführen und die Neuwahl des Kirchengemeinderats vorbereiten.
„Ich hoffe sehr, dass die Wahl zügig erfolgt“, sagt Klaus Tuch vom Förderverein der St. Johanneskirche. „Denn das Beauftragtengremium ist natürlich nur beschränkt handlungsfähig.“ Die Tatsache, dass offenbar niemand bereit sei, die Nachfolge von Pastorin Botta anzutreten, könne er sehr gut verstehen. Das lege die ganze Misere offen.
Tuch: „Der Missbrauchsskandal in der Kirchengemeinde und der Streit um die vorübergehende Schließung der St. Johanneskirche machen die Situation äußerst schwierig.“ Niemanden sei deswegen ein Vorwurf zu machen. Tuch: „Bei der Neuwahl sollten möglichst Mitglieder ins Gremium, die bisher noch nicht im Ahrensburger Kirchengemeinderat mitgearbeitet haben.“
Bereits bei der Sitzung des Kirchengemeinderates vor zwei Wochen war klar geworden, dass keine Nachfolge für Pastorin Botta gefunden werden kann. Um sicherzugehen, dass die Auflösung des Gremiums unvermeidbar sei, habe Propst Hans-Jürgen Buhl schriftliche Willensbekundungen gefordert. „So habe ich es vom Hörensagen erfahren“, sagt Tuch vom Förderverein St. Johannes. Buhl solle alle Mitglieder aufgefordert haben, schriftlich niederzulegen, ob sie im Gremium bleiben wollen oder nicht.
Vom Kirchenkreis wurde das nicht bestätigt. Aber dass die Auflösung unvermeidbar war, liegt nun offen zutage. Propst Buhl äußert sich folgendermaßen dazu: „Ich danke allen Mitgliedern dafür, dass sie trotz der besonderen Lage in Ahrensburg so aufrecht ihr Ehrenamt wahrgenommen haben.“ Die Anforderungen seien außerordentlich hoch und extrem belastend gewesen. Buhl: „Die Entscheidung erfordert Mut und zeugt von großem Verantwortungsbewusstsein.“
Sigrid Steinweg arbeitet schon lange im Kirchengemeinderat mit. Und das hätte sie auch weiterhin getan. Steinweg: „Jetzt hoffe ich auf eine gute und kompetente Nachfolge, auch für die vakante Stelle von Anja Botta.“
Der Weggang der Pastorin und die dadurch ausgelöste Auflösung des Kirchengemeinderates entspricht unabhängig von den konkreten Gründen den Grundzügen der Empfehlung der Expertenkommission zur Untersuchung der Missbrauchsvorwürfe in der Ahrensburger Kirchengemeinde. Die Pastorenschaft müsse ausgetauscht werden, um einen Neuanfang zu ermöglichen, heißt es in dem Papier. Der Bericht sei für ihn ein Augenöffner gewesen, hatte Propst Buhl bei der Vorstellung des Gutachtens im Oktober gesagt.
Der Streit um die Schließung der St. Johanneskirche kam dazu. Gemeindemitglieder hatten früh personelle Änderungen gefordert. Klaus Tuch: „Jetzt lasst uns den Neuanfang machen.“