Ahrensburger Projekt „Beherzt“ der Arbeiterwohlfahrt kommt zum Tragen, wenn Mama oder Papa ihren Aufgaben nicht gerecht werden können. Am Freitag, 26. September, stellen sich die Mitarbeiter vor.
Ahrensburg. Eine Niedergeschlagenheit, die lähmt. Die es den Betroffenen unmöglich macht, die Aufgaben des Alltags zu erledigen – das ist laut Experten ein Aspekt des Krankheitsbildes Depression. Doch nicht nur die Patienten leiden unter der Depression oder anderen psychischen Erkrankungen, sondern auch gesunde Freunde und Angehörige. Insbesondere Kinder sind betroffen, wenn es den wichtigsten Menschen in ihrem Leben, der Mutter oder dem Vater, schlecht geht. Die Arbeiterwohlfahrt (Awo) Stormarn will mit einem neuen mobilen Angebot den Kindern psychisch Erkrankter helfen, ein besseres Leben zu führen. „Beherzt“ nennt sich das Präventionsprojekt.
„Ein Drittel der betroffenen Kinder, die keine Unterstützung bekommen, erkrankt laut Statistik selbst, ein weiteres Drittel hat mit Problemen zu kämpfen, und nur ein Drittel bleibt gesund“, sagt Anne-Kathrin Neubau, Projektkoordinatorin. Mit vier Mitarbeitern kümmert Neubau sich um die Kinder erkrankter Stormarner. Obschon das Projekt erst am heutigen Freitag offiziell startet, betreuen Neubau und ihre Kollegen bereits 15 Familien im Kreis. Die Kinder sind zwischen vier und 18 Jahre alt. Die Gefahr, dass sie selbst eines Tages erkranken, ist laut Neubau nicht der einzige Umstand, der diesen Kinder das Leben so schwer macht.
„Weil es den Eltern schlecht geht, müssen sich ihre Kinder oft um Dinge kümmern, die eigentlich nicht in ihren Aufgabenbereich fallen sollten“, sagt Neubau. Es gehe beispielsweise um wichtige Telefonate, um Einkäufe, die Führung des Haushalts, die Betreuung der jüngeren Geschwister. Doch die Kinder müssten nicht nur mehr leisten als ihre Altersgenossen, sie fühlten sich auch schlechter. „Sie glauben oft, dass sie schuld daran seien, wenn es ihren Eltern schlecht geht“, sagt Neubaus Kollege Jörn Loreck. „Diese vielen Belastungen machen Kinder früher oder später krank“, fügt der Ergotherapeut hinzu.
Dazu komme, dass psychische Erkrankungen wie Depressionen, Persönlichkeitsstörungen, Traumata oder Burn-out-Erkrankungen nicht selten mit Suchterkrankungen einhergingen. „Alkohol- oder Drogenmissbrauch wird durchaus von psychischen Erkrankungen befördert“, sagt Loreck. Ein Teufelskreis, der nicht selten in Isolation und Stigmatisierung der Erkrankten endet. Davon sind dann auch die Kinder betroffen.
„Psychische Erkrankungen sind immer noch ein Tabu in unserer Gesellschaft“, sagt Loreck. Dabei könne es fast jeden treffen. „Etwa Traumatisierungen nach Unglücken oder Burn-out-Erkrankungen.“ Das sei aber auch der Grund, dass viele der betroffenen Eltern nicht aus eigenem Antrieb die Unterstützung für ihre Kinder suchten. „Wir bekommen Hinweise von Kita-Mitarbeitern, Lehrern, Vormündern oder vom Jugendamt“, sagt Neubau. Wird das Hilfsangebot von „Beherzt“ akzeptiert, kommen die Mitarbeiter für etwa acht bis zehn Termine in die Familien. „Wir verschaffen uns einen Überblick über die Situation, beraten und vermitteln an weiterführende Institutionen oder helfen bei Problemen, etwa indem wir mit Lehrern sprechen“, sagt Neubau. Eine Sprechstunde im Heinrich-Sengelmann-Krankenhaus, der Fachklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Suchterkrankungen in Bargfeld-Stegen, wird ebenfalls angeboten.
Finanzierung ist für drei Jahre gesichert
Auf drei Jahre ist die Finanzierung des Projekts „Beherzt“ gesichert. Sie kommt zu 30 Prozent aus der Kasse der Awo Stormarn, 70 Prozent der Kosten trägt die Aktion Mensch. „Danach müssen wir mal weitersehen“, sagt Neubau, die auf den Fortgang des Projektes hofft. Denn die Nachfrage dürfte immer größer werden. „Es gibt keine offiziellen Statistiken, aber Experten schätzen, dass deutschlandweit anderthalb Millionen Kinder psychisch kranke Eltern haben.“ Das wären berechnet auf den Kreis Stormarn 3500 bis 6000 Kinder, also etwa jedes Siebte bis Zwölfte unter 18. „Die Dunkelziffer dürfte sogar noch höher sein“, sagt Neubau.
Am heutigen Freitag, 26. September, feiert das „Beherzt“-Team der Awo seinen Projektstart auf dem Gelände der Grundschule Am Reesenbüttel (Schimmelmannstraße 46–50) in Ahrensburg. Eltern und Kinder haben dann die Möglichkeit, sich von 16 bis 18 Uhr über die Angebote des Präventionsprojekts zu informieren. Die Kinder können sich zudem in einer Hüpfburg, in einem XXL-Kicker sowie beim Basteln in der Waldwerkstatt amüsieren. Wer lieber telefonisch Kontakt aufnehmen möchte: Die Awo-Mitarbeiter von „Beherzt“ sind unter der Telefonnummer 04102/21 15-457 zu erreichen.