Der Kirchengemeinderat Ahrensburg hat sich in einem Konflikt mit Pastor Helgo Matthias Haak zu einem ungewöhnlichen Schritt entschieden und ein sogenanntes Ungedeihlichkeitsverfahren beantragt.
Ahrensburg/Hamburg. Mehr als 1000-mal hat er Familien beim Verlust eines geliebten Angehörigen seelischen Beistand geleistet, hat Väter, Mütter, Geschwister oder Kinder beerdigt. Er hat rund 400 Paare getraut und etwa 800 Kinder getauft. Mehr als 1000 Ahrensburger wurden von ihm konfirmiert. Jetzt hat das Landeskirchenamt dem Ahrensburger Pastor Helgo Matthias Haak den Dienst an seiner Pfarrstelle Schlosskirche untersagt.
Doch der Geistliche wehrt sich, hat den Kirchenrechts-Fachmann Einar von Harten mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt. Der Jurist sagt: „Die Kirche versucht, einen kritischen Kopf mundtot zu machen. Mein Mandant weiß Dinge, die für die Aufklärung des immer noch nicht abgeschlossenen Missbrauchsskandals relevant sind. Ich bedauere, dass nicht alle Aspekte in einem offenen Dialog gewürdigt werden.“
Wer dieser Tage die Telefonnummer von Pastor Haak wählt, erlebt eine Überraschung. Nach fünf Rufzeichen ist folgender Text zu hören: „Hier ist Helgo Matthias Haak, aber leider nur mit dem automatischen Anrufbeantworter. Aufgrund einer Entscheidung des Landeskirchenamtes der Nordkirche darf ich meinen Dienst (...) zurzeit nicht wahrnehmen. Bitte wenden Sie sich (...) an das Kirchenbüro oder die amtierenden Ahrensburger Pastoren. Auf Wiederhören.“ Was ist geschehen mit dem Mann, der seinen Dienst an der Schlosskirche fast 22 Jahre lang ausübte, der als Nachfolger von Pastor Horst Klingspor am 1. April 1992 antrat und Anfang 2013 quasi von der Bildfläche verschwand? „Das fragen mich viele Ahrensburger“, sagt Haak. Eigentlich wolle er lieber seinen Anwalt sprechen lassen. Aber dann fügt er hinzu: „Ich bin meinem Dienstherren offenbar zu unbequem geworden. Und dann habe ich mich auch noch kritisch über die Pläne zur Entwidmung der St. Johanneskirche geäußert.“
Nach „Anschuldigungen von Kirchenoberen“ neun Monate krankgeschrieben
Neun Monate lang ist Haak im Jahr 2013 krankgemeldet. Er berichtet, Anschuldigungen von Kirchenoberen, er habe von den Vorwürfen gegen die im Missbrauchsskandal Beschuldigten gewusst und nichts unternommen, hätten ihm schwer zugesetzt. „Das sind haltlose Vorwürfe“, sagt sein Anwalt von Harten dazu. Die Kirche arbeite „mit ungeschützten Behauptungen“. Ist Haaks Wissen um die Vorgänge aus den frühen 70er-Jahren für die von der Kirche eingesetzte unabhängige Kommission, die ihren Abschlussbericht zum sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen noch nicht vorgelegt hat, ohne Bedeutung? Propst Hans-Jürgen Buhl: Die Kommission hat mit sehr vielen Menschen in Ahrensburg gesprochen, wahrscheinlich auch mit Pastor Haak. Daher gehe ich davon aus, dass dieser die ‚relevanten Dinge’ auch hat benennen können.“ Haaks Wissen im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Fälle sexualisierter Gewalt „ist nicht Gegenstand des Ungedeihlichkeitsverfahrens“. Und von Anschuldigungen gegen Haak habe Propst Buhl „keine Kenntnis“. Im Übrigen habe der Kirchengemeinderat den Beschluss gefasst, dass „ein nicht gedeihliches Wirken vorliegt". Dieser Beschluss werde nun in einem geordneten Verfahren überprüft.
Einar von Harten sagt, sein Mandant habe sich im November ordnungsgemäß zum Dienst zurückgemeldet. Habe versucht, mit Kollegen zu sprechen. Ohne Erfolg. Stattdessen habe er Post bekommen. „Aus den Reihen des Kirchengemeinderates“, wie es heißt. Darin werde ihm vorgeworfen, er belästige die Vorsitzende des Kirchengemeinderates mit Anrufen. Von strafrechtlich relevantem Stalking sei sogar die Rede. Anfang November folgt ein Angebot des Kirchenamtes für eine auf ein Jahr befristete Vertretungsstelle. Haak lehnt ab. Sein Anwalt sagt: „Als mein Mandant sich zum Dienst zurückmeldete, drohte ihm der Propst mit einer Suspendierung.“ Diese sei bis heute nicht erfolgt. Stattdessen wurde er am 2. Dezember 2013 über einen Beschluss des Kirchengemeinderates vom 28. November in Kenntnis gesetzt, das Kirchenamt möge schnell eine andere Stelle für Haak finden, um ein Ungedeihlichkeitsverfahren zu vermeiden.
„Das ist ein kirchenrechtliches Instrument, bei dem man unliebsame Personen ohne Begründung loswerden kann“, sagt von Harten (siehe unten). Das Verfahren wurde in Gang gesetzt. Im ungünstigsten Fall bedeutet es für Haak den Verlust von rund 40 Prozent seiner Bezüge, „also etwa 1000 Euro im Monat.“ Das werde er nicht hinnehmen, sagt der 57-jährige Haak, der verheiratet ist und drei erwachsene Kinder hat. Er, der sich nichts vorzuwerfen habe, solle bestraft werden, während die Verursacher des Missbrauchsskandals bis heute disziplinarisch und juristisch unbehelligt blieben. Propst Buhl widerspricht diesen Darstellungen in Teilen. Er sagt, er habe nicht mit einer Suspendierung gedroht. Auch habe sich Haak „nicht ordnungsgemäß bei mir zum Dienst gemeldet“.
Helgo Matthias Haak gibt sich kämpferisch: „Ich lasse mich nicht verjagen.“ Was jetzt geschehe, sei seiner unwürdig, treffe ihn „ins Mark“. Er vermute, dass seine Äußerungen im Streit um St. Johannes den Ausschlag für das Verfahren gegeben haben. Haak: „Ich habe klargemacht, dass man die Kirche nicht einfach schließen kann. Die prekäre Finanzlage halte ich für eine vorgeschobene Argumentation.“ Er selbst, der jahrelang für die Finanzen mitverantwortlich zeichnete, habe Anfang der 2000er-Jahren dafür gesorgt, dass an der Schulstraße 9-11 ein Gebäude mit diversen Wohnungen sowie vier Reihenhäuser entstanden, aus denen die Kirche regelmäßige Mieteinnahmen beziehe. Haak: „Damit wollten wir langfristig die Umstrukturierung der kleiner werdenden Gemeinde und mögliche finanzielle Engpässe abfedern. Das habe ich dem Kirchengemeinderat jetzt vorgehalten. Das hat mir wohl das Genick gebrochen.“
Mitglieder des Gremiums wollen sich zu Haaks Vorwürfen wegen des anhängigen Verfahrens nicht äußern. Und was sagt der Propst zu Haaks Mutmaßungen, es gebe einen Zusammenhang mit dessen Kritik am Umgang mit der St. Johanneskirche? Hans-Jürgen Buhl: „Das ist ein Thema zwischen dem Kirchengemeinderat und Pastor Haak.“